Verwirrung um Marschbahn: Wird Planungsbeschleunigung abgesagt?

BHF Westerland
Foto: DB Regio / Sylt TV

Chaos im Norden: SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze strich den zweigleisigen Bahnausbau nach Westerland aus einer Liste beschleunigt zu realisierender Infrastrukturprojekte, FDP und AfD protestierten, Schleswig-Holsteins Landesregierung stritt sich, jetzt holte der Bundesrat das Projekt in die Liste zurück.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager Magazin

Am 21. Oktober 2019 hatte der bahn manager Online berichtet: MARSCHBAHN KLANXBÜLL – WESTERLAND: AUSBAU PER BUNDESTAGSBESCHLUSS. Die Marschbahn stand auf einer Liste von zwölf Infrastrukturprojekten, die statt durch traditionelle Planungsverfahren über ein „Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (MgvG) zur beschleunigten Umsetzung von Verkehrsprojekten“ schnell ausgeführt werden sollten. Die rechtliche Grundlage für die Aufnahme des Bahnprojekts in die Liste ist dadurch gegeben, dass es seit November 2018 schon im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans figuriert.

Dass die Marschbahn dringender Ertüchtigung bedarf, gibt auch die Deutsche Bahn als Verwalter der Infrastruktur und derzeitiger Betreiber des Bahnbetriebs nach Westerland auf einer regionalen Webseite zu: „Lok- und Fahrzeugstörungen, Probleme mit der Infrastruktur, Personalengpässe, dies und mehr lässt den Betrieb auf der Marschbahn seit fast zwei Jahren nicht störungsfrei laufen, und das merken insbesondere unsere Pendler, aber auch die vielen Freizeit- und Urlaubsreisenden von und nach Sylt.“ Eine euphemistische Umschreibung – kursieren doch schon Karikaturen, die den Weihnachtsmann laut fluchend zeigen, als er im Marschbahnzug sitzt und die Lautsprecherdurchsage hört: „Unser Zug hat derzeit Verspätung, voraussichtliche Ankunft im Februar!“

Neben der Behebung baulicher Mängel der Vergangenheit scheint der zweigleisige Streckenausbau unerlässlich. Deshalb erstaunte viele Beobachter, dass nach interner Ressortabsprache das Bundesumweltministerium das Ausbauprojekt aus der „Beschleunigungsliste“ streichen ließ – wegen "fachjuristischer Abwägungen“. Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) zeigte sich „fassungslos“, doch seine Fachkollegen, die CDU-Justizministerin und der Grüne-Umweltminister, schienen erleichtert. Ähnlich wie der Bundesrat befürchteten sie, das geplante Maßnahmengesetz könne berechtigte Bürgerbeteiligung und Umweltabwägungen beim Planungsverlauf abwürgen. Nach Einschätzung des nordfriesischen Landrats Florian Lorenzen (CDU) geht es um fünf Jahre, die eine schnellere Planung das Projekt beschleunigen würde.

In seiner Drucksache 579/1/19 vom 9.12.19 kritisierte der Bundesrat das geplante Beschleunigungsverfahren, weil der Bundesrat nicht genügend beteiligt sei. „Die vorgenannte Situation dürfte dazu führen, dass sich durch den Gesetzentwurf hinsichtlich der Verfahrenslaufzeiten partiell sogar eine Verschlechterung gegenüber der jetzigen Rechtslage ergeben kann.“ Denn falls trotz Planungsfeststellung per Bundestagsbeschluss Bürgerproteste oder Umweltschutzbedenken bei Verbänden bestehen sollten, könnten diese immer noch Beschwerde bis hin zum Bundesverfassungsgericht gegen die vermeintliche Beschneidung ihrer Mitwirkungsrechte einlegen. Auch sei nicht sicher, ob das geplante „Legalverfahren“ EU-konform sei.

Daher, so der Bundesrat, solle besser ein traditionelles Planungsverfahren durchgeführt werden – aber mit verbesserter Personalbesetzung aller Behörden. „Der richtige Ansatz ist vielmehr in einer Beschleunigung des fachgerichtlichen Verfahrens selbst zu suchen, wie dies etwa der Bundesrat im Mai 2019 mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung – BR-Drucksache 113/19 (Beschluss) – vorgeschlagen hat.“ Davon abgesehen empfahl der Bundesrat jedoch, das unumstritten wichtige Marschbahn-Projekt in der Liste zu belassen.
Der FDP-Obmann im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages MdB Torsten Herbst erklärte: „Die aktuellen Planungs- und Bauzeiten für Verkehrsprojekte sind ein Armutszeugnis für unser Land. Ein trauriges Beispiel dafür ist die Marschbahn auf der Strecke Niebüll-Klanxbüll.

Seit Jahren verschleppt die Bundesregierung diese wichtige Modernisierung; bis heute ist ein konkreter Baubeginn nicht absehbar. Das Maßnahmengesetz der Bundesregierung kann daher nur ein erster Schritt beim Versuch bleiben, Planung und Genehmigung von Verkehrsprojekte zu beschleunigen. Darüber hinaus braucht es dringend eine effektivere und frühzeitigere Bürgerbeteiligung, eine bessere personelle Ausstattung von Planungsbehörden sowie eine konsequentere Digitalisierung der Planungsprozesse.“

Man wird sehen, wie sich das Marschbahn-Projekt im weiteren parlamentarischen Beschlussverfahren auf der Liste behaupten wird.

Artikel Redaktion Eurailpress
Artikel Redaktion Eurailpress