Die Finanzierung von NE-Infrastruktur und Gleisanschlüssen

Knollzw

Verkehrsinfrastruktur ist teuer, sowohl im Bau als auch im Unterhalt. Das gilt für alle Verkehrsträger. Bei der Eisenbahn hieß es im Gegensatz zur Straße jedoch stets, dass sie ihre Wegekosten vollständig selbst tragen muss.

Manche Bundesländer gewährten für die NE-Bahnen großzügige Oberbauförderun-gen, wie etwa Niedersachsen, so dass dort noch in erheblichem Maße zumindest normalspurige NE-Infrastruktur vorhanden ist. Ähnlich großzügig verfuhr Baden-Württemberg. In NRW gab es eine Oberbau-förderung, jedoch nur unter recht strengen Auflagen bezüglich der Wirtschaftlichkeit von Strecken, was zu erzwungenen Stilllegungen führte. Im Folgenden soll die Infrastrukturfinanzierung der NE-Bahnen in Deutschland sowie von Gleisanschlüssen näher beleuchtet werden. Derzeit gibt es etwa 4.300 Kilometer nichtbundeseigene Schienenwege (gut 11 Prozent des Gesamtnetzes). Der überwiegende Teil davon (etwa 65 Prozent) dient nur dem Güterverkehr, wobei 2/3 des deutschen Schienengüterverkehrs ihren Anfangs- und/oder Endpunkt auf NE-Infrastruktur haben. Gesetzlich ist der Regelfall gemäß § 31 Abs. 2 ERegG bis heute die vollständige Refinanzierung von Schienenwegen durch Nutzungsentgelte (sogenanntes „Vollkostendeckungsprinzip“). Für weite Teile der deutschen NE-Infrastruktur, die nur dem Güterverkehr dient, ist das Vollkostendeckungsprinzip eine unsinnige Chimäre: Um eine eingleisige, nichtelektrifizierte Strecke ohne große Kunstbauten aus Trassenerlösen (Trassenpreissystem DB Netz AG) refinanzieren zu können, sind pro Tag etwa 17 Zugpaare nötig — das entspricht einem Stundentakt im SPNV. Es ist jedoch so, dass viele NE-Strecken, die nur dem Güterverkehr dienen, lediglich von ein bis zwei Zugpaaren pro Werktag oder seltener befahren werden.

Es gibt hier nur drei Möglichkeiten: Entweder, die Trassenpreise werden so hoch angesetzt, dass sie theoretisch kostendeckend sind, oder die Infrastruktur wird auf Verschleiß gefahren, oder es erfolgt bei vertikal integrierten Unternehmen eine Quer-subventionierung der Infrastruktur auf Kosten der Verkehrserlöse. Lediglich die erste Möglichkeit entspricht dem gesetzlichen Regelweg des § 31 Abs. 2 ERegG. Allerdings führen zu hohe Trassenpreise schnell dazu, dass gar keine Verkehre mehr stattfinden — dann ist der gesetzliche Regelweg ein-gehalten, die Strecke aber trotzdem dem Tode geweiht. Die zweite und dritte Möglichkeit ist jeweils nicht nachhaltig, denn die zweite führt zu einer schleichenden Stilllegung auf Raten, während die dritte über kurz oder lang den Bestand des Unternehmens gefährden kann.

SCHIENENGÜTERFERNVERKEHRS-FINANZIERUNGSGESETZ (SGFFG)

Der Bund hat diese Gefahr , die zu einer weiteren schleichenden Erosion des Schienengüterverkehrs geführt hätte, nach langjähriger Überzeugungsarbeit des VDV gesehen. Seit 2013 gibt es daher das sogenannte „Schienengüterfernverkehrsfinanzierungsgesetz“ (SGFFG). Der Fördertopf dieses Gesetzes ist mit 20 Millionen Euro pro Jahr ausgestattet (ursprünglich 25 Millionen Euro pro Jahr). För-derfähig sind 50 Prozent der zuwendungsfä-higen Kosten. Planungskosten werden ebenfalls gefördert, soweit sie 13 Prozent an den Gesamtkosten nicht übersteigen. Voraussetzung ist, dass im letzten Jahr vor Antragstellung Schienengüterverkehr mit einer Laufweite von insgesamt über 50 Kilometer auch die zu fördernde Infrastruktur genutzt hat. Allerdings sind die geförderten Schienenwege während der technisch möglichen Nutzungszeit vorzuhalten — sonst ist der anteilige Förderbetrag zurückzuzahlen. Mehrere Bundesländer gewähren daneben weitere Förderungen: Niedersachsen (1.020 km NE-Strecken) und NRW (910 km NE-Strecken) stocken bei einer Förderung nach dem SGFFG die Fördersumme um weitere 40 Prozent auf bis zu 90 Prozent auf. Beide Bundesländer gewähren daneben gesonderte Infrastrukturfördermittel (NRW stellt seit 2018 10 Millionen Euro p.a. zur Verfügung; vorher gab es jahrelang keine Infrastrukturförderung des Landes). Baden-Württemberg (860 km NE-Strecken) hat 2015 eine Sonderförderung von 10 Millionen Euro einmalig gewährt. Ansonsten werden jährlich 10 Millionen Euro Förderung nach dem Landeseisenbahnfinanzierungsgesetz bereits gestellt, wobei Bau, Ausbau, Elektrifizierung, Fahrzeuge und LST gefördert werden, und zwar auch bei gepachteten Strecken und auch für Personenverkehrsinfrastruktur. In Hessen (120 km NE-Strecken) stellt das Land seit 2015 über die „Richtlinie zu Fördermitteln für den Schienengüterverkehr des Landes Hessen“ wieder Mittel für Ausbau/Reakti-vierung/Sanierung von Güterbahnstrecken bereit. Alle anderen Bundesländer gewähren keine gesetzlich geregelte Infrastrukturförderung von NE-Bahnen!

Geht man davon aus, dass 2/3 des NE-Streckennetzes nur dem Güterverkehr dient, gibt es somit eine Bundesförderung von gut 7.000 Euro pro Streckenkilometer pro Jahr. In den genannten Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW kann dieser Betrag um weitere gut 6.000 Euro pro Streckenkilometer aufgestockt werden. Zum Vergleich: Die DB Netz AG erhält alleine aus LuFV-Mitteln für die Sanie-rung ihres Bestandsnetzes pro Jahr gut 105.000 Euro pro Streckenkilometer. Sie be-treibt jedoch fast ausschließlich Strecken, die mindestens im Stundentakt im SPNV befahren werden, bei denen also zusätzlich erhebliche Nutzungsentgelte pro Streckenkilometer anfallen. Dabei ist hervorzuheben, dass ein Kilometer Bahnstrecke in der Erneuerung selbst bei niedrigem Ausbaustandard nicht unter 400.000 Euro kostet, ohne LST und ohne Kunstbauwerke. Die NE-Infrastruktur bleibt also chronisch unterfinanziert, soweit sie nur dem Güterverkehr dient.

GEMEINDEVERKEHRSFINANZIERUNGSGESETZ (GVFG)

Seit dem 06.03.2020 gibt es die Möglichkeit, stillgelegte oder nur dem Güterverkehr dienende Strecken im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) für den SPNV zu reaktivieren. Bahnbrechend dabei ist, dass der Gesetzgeber keine Unterscheidung mehr zwischen bundeseigener und nichtbundeseigener Infrastruktur getroffen hat: Über den „Umweg“ SPNV kann so auch für den Güterverkehr wichtige NE-Infrastruktur langfristig erhalten werden. Ein entsprechender Nutzen-Kosten-Faktor (NKF) von > 1,0 vorausgesetzt, wobei die Berechnungskriterien für Nebenbahnen wohl erfreulicherweise geändert werden sollen, ist eine Bundesförderung von bis zu 90 Prozent möglich, unter Einbezug der Maßnahmen an Bahnübergängen und von Planungskosten. Selbst bei Verfehlen des NKF von > 1,0 ist immer noch eine Bundesförderung von bis zu 60 Prozent möglich. Es ist daher damit zu rechnen, dass zumindest einige NE-Strecken, auch begünstigt durch die gute Mittelausstattung im Rahmen der GVFG-Förderung (665 Millionen Euro 2020, 1 Milliarde Euro jährlich 2021—2024, 2 Milliarden Euro jährlich ab 2025) für den SPNV reaktiviert werden.

GLEISANSCHLÜSSE

Zuletzt soll noch auf das Thema „Gleisanschlüsse“ eingegangen werden. Auch wenn der klassische Wagenladungsverkehr von Punkt A zu Punkt B in der Öffentlichkeit praktisch nicht mehr vorkommt, ist er für das System Eisenbahn von entscheidender Bedeutung: Hier kann die Bahn eine wesentliche Stärke ausspielen, nämlich zeitli-che Flexibilität für den Kunden. Während der LKW-Fahrer ungeduldig darauf wartet, dass sein LKW entladen wird, kann der Gleisanschlusskunde nach der Zustellung der Wagen sein Personal dann mit der Ent- bzw. Beladung beauftragen, wenn es gerade passt. Dennoch hat die Anzahl der Gleisanschlüsse seit 1994 von 11.290 auf mittlerweile gut 2.300 im Netz der DB AG abgenommen. Bei den NE-Bahnen hat gleichfalls ein Rückgang stattgefunden, doch weniger stark. Die Gründe sind mannigfaltig. In erster Linie liegen sie in gestiegener Produktivität des LKW-Verkehrs begründet (= niedrige Frachtraten), während sich bei der Schiene nichts getan hat. Die Stilllegung von Nebenstrecken und die Kündigung der Bedienung von Gleisanschlüssen durch DB Cargo (Stichwort „MORA C“) haben dann häufig dafür gesorgt, dass Güter dauerhaft auf die Straße abgewandert sind. Der Bund gewährt seit 2004 eine Gleisanschlussförderung, die den Negativtrend jedoch allenfalls leicht gestoppt hat: 2004 gab es noch gut 4.000 Gleisanschlüsse im Netz der DB AG. Es wird eine Förderung von bis zu 50 Prozent gewährt (8 Euro/t oder 32 Euro/1.000 tkm), auch für die häufig prohibitiv teure Anschlussweiche. Rangierfahrzeuge werden nicht gefördert. Die Förderrichtlinie gilt teilweise zu Recht als „bürokratisches Monstrum“ und bedürfte dringend der Überarbeitung, denn Unternehmen müssen sich etwa für 10 Jahre binden und jeweils nach 5 Jahren nachweisen, dass das der Förderung zugrundegelegte Volumen durchschnittlich mindes-tens erreicht wurde. Ansonsten ist die Förderung anteilig zurückzuzahlen.

ALEXANDER K. W. KIRFEL

Hat sein ganzes Berufsleben in der Bahnbranche verbracht: Unter anderem hat er mehrere Jahre erfolgreich ein vertikal integriertes EVU/EIU geleitet und saniert und als Geschäftsführer des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen von 2010 bis 2013 Lob-byarbeit für die Wettbewerbsbahnen im Güterverkehr gemacht. Er ist seit 2017 als Rechtsanwalt zugelassen und seit Januar 2020 freiberuflich bei der renommierten Wirtschafts-/Vergaberechtskanzlei RWP in Düsseldorf tätig.

Artikel Redaktion Eurailpress
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