Schleswig-Holstein benennt letzten offenen Betreiber für Akku-Bahnnetz

Kiels Hauptbahnhof mit Weihnachtsleuchten: Hier werden bald viele Batterie-Triebzüge halten; Quelle: Hermann Schmidtendorf

Passend zu Weihnachten macht Schleswig-Holstein auf den Schienen klar Schiff. Am 14. Dezember 2021 wurde die NBE Nordbahn Eisenbahngesellschaft damit betraut, ab Dezember 2023 das Teilnetz Nord des sogenannten Akkunetzes zu betreiben.

Vorausgegangen war eine juristische Beschwerde der DB Regio gegen die entsprechenden jüngsten Vergaben von SPNV-Leistungen durch die Aufgabenträger in Schleswig Holstein und Niedersachsen. Im „Los Ost“ wie auch im „Los Nord“ war bislang die Tochter der Deutschen Bahn Betreiberin des regionalen Bahnverkehrs. Im „Los Ost-West“ war es die Nordbahn. Doch überraschend ergab die getrennt nach Losen erfolgte Ausschreibung: Die Osthannoversche Eisenbahnen Aktiengesellschaft (OHE), die RDC AUTOZUG Sylt GmbH und die NBE nordbahn Eisenbahngesellschaft mbH & Co. KG haben die wirtschaftlichsten Angebote abgegeben und sollen künftig die Akkuzüge in Schleswig-Holstein betreiben. Nach dem Wirtschaftsausschuss stimmte am 11. Februar 2021 auch der Finanzausschuss des Landtages der Vergabeempfehlung des Nahverkehrsverbundes für Schleswig-Holstein (NAH.SH GmbH) zu.

DB Regio kommt nicht zum Zuge

Bei zwei der drei Losen konnte DB Regio mit seiner Beschwerde nicht überzeugen. Das OLG Schleswig sah keine ausreichenden Anhaltspunkte für Verfahrensfehler. Beschwerden gegen Vergabeverfahren müssten hinreichend substantiiert sein. Die Vorwürfe der DB Regio seien jedoch überwiegend, so das Oberlandesgericht, „pauschal ins Blaue hinein“ und hätten teilweise rein spekulativen Charakter. Beim Los Nord sah auch das Gericht Anhaltspunkte dafür, dass die für den Eignungsnachweis angeführte Referenz der Gewinnerin mit dem Vergabegegenstand nicht vergleichbar sei. Deshalb ging jetzt das Los Nord zusätzlich zum Los Ost-West an die Nordbahn. Es bleibt bei der OHE als Betreiber im Los Ost.

Schleswig-Holsteins Bahnstrecken sind bislang nur zu 29 Prozent elektrifiziert. „In
Schleswig-Holstein müssten rechnerisch weitere rund 360 km Schienenwege elektrifiziert werden, um auf den Bundesdurchschnitt zu kommen“, urteilte 2016 das Hamburg Institut in einem Gutachten für die Grünen des Landtags Schleswig-Holstein. Deshalb erscheint es hier besonders dringend, die bislang eingesetzten Dieselzüge durch ökologisch einwandfreie Züge mit alternativem Antrieb zu ersetzen. Die jetzt neu vergebenen elf Bahnlinien umfassen 10,4 Millionen Zug-Kilometer, das sind 40 Prozent des Bahnverkehrs in Schleswig-Holstein und entspricht in etwa den heutigen Verkehrsverträgen der Netze Nord A, Nord B sowie dem nicht-elektrifizierten Verkehr im heutigen Netz Ost. Die Vertragslaufzeit ist bis Dezember 2035 vorgesehen.

Der Ausgang der Ausschreibung zum Los Nord betrifft besonders die Landeshauptstadt Kiel. Hier werden die meisten der neuen Batteriezüge dieses Loses eintreffen, und zwar im Verkehr mit Flensburg, Eckernförde, Husum und Rendsburg-Seemühlen (Revitalisierung). Zum Los Nord gehört ferner die RB 64 Husum-Bad St. Peter-Ording. Das Los Ost beinhaltet die RE 83/84 Kiel – Lübeck – Lüneburg, die RB 87 Kiel – Preetz und die RB 76 Kiel – Schönberger Strand, wobei diese Strecke noch in der Etappe der Revitalisierung ist. Das Los Ost-West umfasst die Linien RB 63 Büsum – Heide – Neumünster und RB 82 Neumünster – Bad Oldesloe.

Paribus finanziert und least 55 Stadler Flirt Akku

Mit welchen Fahrzeugen gefahren wird, hatte der Aufgabenträger bereits 2019 entschieden. Der Nahverkehrsverbund orderte 55 Exemplare des Batteriezugs Flirt Akku von Stadler Rail. Teil der Vergabe ist neben der Lieferung der Triebzüge die Instandhaltung der Fahrzeuge über einen Zeitraum von 30 Jahren in einem neuen Instandhaltungswerk, das in Rendsburg gebaut werden soll. Im rein Batterie-elektrischen Fahrbetrieb liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 140 km/h. Die Akkus ermöglichen eine Reichweite von bis zu 150 Kilometern und sind auf dem Dach montiert.

Die zweiteiligen Triebwagen haben jeweils 123 Sitzplätze, sind barrierefrei, klimatisiert und mit WLAN ausgestattet. In den Fahrzeugen gibt es zudem Steckdosen und USB-Lademöglichkeiten. Große Displays sollen für eine verbesserte Fahrgastinformation sorgen. Mehrzweckbereiche, Rollstuhlplätze, Bereiche für Kinderwagen sowie bis zu neun Fahrräder werden von außen durch große Piktogramme gekennzeichnet.

Als Finanzierer und Vermieter der Fahrzeuge wurde das Unternehmen Paribus ausgewählt. Bis Dezember 2024 soll DB Regio für den Übergang eine sogenannte Transferflotte stellen, welche 26 Dieseltriebzüge des Typs Coradia Lint 41 des Herstellers Alstom umfasst. Bis Mai 2024 sollen alle 55 bestellten Akku-Triebzüge von Stadler ausgeliefert sein. Die Transferflotte wird zunächst ein Jahr im Netz Ost eingesetzt und im Anschluss für ein Jahr im Netz Nord, die Instandhaltung soll in Kiel erfolgen.

DB-Personale werden übernommen

Auch in anderen Punkten zeigt sich der „echte Norden“ progressiv. Erstmals werden Verkehrsverträge nach dem sogenannten Bruttoprinzip abgeschlossen. Damit soll verhindert werden, dass die Bahnverkehrsunternehmen ohne eigenes Verschulden wegen Einnahmerückgangs in Finanzprobleme geraten, wie dies jüngst bei Abellio geschah. Die Erlösverantwortung bleibt somit beim Land. Verpflichtet sind die neuen Betreiber jedoch, das Personal der bisherigen Betreiber zu den bestehenden Konditionen zu übernehmen. Somit können die jetzt bei DB Regio werkenden Eisenbahner*innen beruhigt sein – ihre Lohntarife werden sich nicht verschlechtern, und die Arbeitsplätze bleiben sicher.

Die OHE gehört zum NETINERA-Konzern, der im benachbarten Niedersachsen mit den Unternehmen erixx GmbH und metronom Eisenbahngesellschaft mbH bereits ein langjähriger Betreiber ist. Die NBE Nordbahn Eisenbahngesellschaft mbH & Co. KG gehört zu gleichen Hälften den Unternehmen BeNEX und AKN Eisenbahn.  (red./hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
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