Interviews

Alexander Neumeister

"Wertigkeit im SPNV vermitteln"


Das will Designer Alexander Neumeister mit seinen Fahrzeugkonzepten, die weltweit gefragt sind, erreichen. Was das konkret heißt, erklärt er bei ETR-Fünf-Fragen im März 2012.

 

1. Herr Neumeister, worauf achten Sie bei der Gestaltung von Fahrzeugen für den SPNV? 

Außen, auf ein modernes, unverwechselbares Design und im Inneren auf einen Level an Bequemlichkeit, den Reisende von anderen Verkehrsmitteln gewohnt sind. Bequemlichkeit, das bedeutet beispielsweise optimale Zugänglichkeit. Die Reisenden sollen schnell Ein- und Aussteigen können. Aber auch ein „differenzierter“ Grundriss ist wichtig, mit mehr Stehplätzen an den Wagenanfängen und den Eingängen für Reisende, die nur kurz mitfahren wollen und mit gemütlicheren Sitzplätzen mehr in der Mitte. Dazu kommen natürlich bequeme Sitze, praktische Ablagemöglichkeiten und großzügige Fenster.

 

2. Das Auto als Konkurrent des SPNV wird immer geräumiger. Wie kann die Gestaltung dazu beitragen, das gestiegene Platzbedürfnis der Menschen zu befriedigen?

Durch geschicktes Design, viel Transparenz und eine gut platzierte Beleuchtung. Wichtig im SPNV ist es auch, Flaschenhälse zu vermeiden. Wenn der Strom der Fahrgäste problemlos von den Türen abfließen kann und sich gleichmäßig über die Wagen verteilt, ist mehr Platz da. Auch subjektiv fühlen sich die Menschen dann weniger beengt. In der Münchener U-Bahn haben wir zum Beispiel einige Sitzgruppen neben den Einstiegen in einem leichten Halbrund an den Außenwänden angebracht. Das signalisiert den Fahrgästen, dass zur Mitte hin mehr Raum ist und zieht sie dadurch von den Türen ab.

 

3. Auch mit Licht können Sie die Fahrgastverteilung beeinflussen. Die Weiterentwicklung der Münchner U-Bahn wird auch deshalb LED-Leuchten haben. Mit ihnen können wir die Wagen viel differenzierter beleuchten.

Das Auto garantiert die Privatsphäre, der SPNV ist per Definition öffentlicher Raum. Kann Ihre Gestaltung ein Gefühl der Privatheit vermitteln?

Der öffentliche Nahverkehr wird nie das gleiche Gefühl von Privatheit vermitteln können wie das Auto und muss es auch nicht. Die Gestaltung sollte jedoch sehr wohl das Gefühl von Sicherheit, Komfort und Wertigkeit vermitteln. Heruntergebrochen auf das Design bedeutet dies, dass die Wagen hell und offen sein sollten, mit einem dezenten, in den Reizen reduzierten Ambiente. Kombiniert mit der Verwendung langlebiger Materialien und guter Qualität, entsteht so eine Atmosphäre der Wertigkeit. Ich meine, dies ist auch das beste Mittel gegen Vandalismus, der nicht nur die Verkehrsunternehmen viel kostet, sondern auch die Attraktivität und das Sicherheits-Gefühl der Fahrgäste erheblich beeinträchtigt. Was Sie also nie machen sollten, ist, offensichtlich Vandalismus-resistente Umgebungen schaffen zu wollen. Denn das wird als Herausforderung wahrgenommen.

 

4. In Fahrgastbefragungen beklagen Fahrgäste oft auch mangelnde Sauberkeit.

Auch das ist ein Thema für Design. Bei der Münchner U-Bahn sind die Sitze und die Blenden an den Eingängen frei schwebend ausgeführt. Damit kann der Boden besser und schneller gereinigt werden. Aber auch Farben und Strukturen spielen bei der Wahrnehmung von Sauberkeit eine große Rolle. Deswegen gestalten wir die Böden en trotz des allgemeinen Trends zu helleren Farben heute auch wieder etwas dunkler und strukturierter, damit im Betrieb anfallender Schmutz nicht so stark ins Auge sticht.

 

5. Wie entsteht gute Gestaltung im SPNV?

Im Gegensatz zum Auto gestalten wir beim SPNV für eine Lebensdauer von 30 bis 40 Jahren. Daher muss das Design auf das Wesentliche reduziert und langlebig angelegt sein, denn Moden und technischer Schnickschnack veralten zu schnell. Aber genauso wichtig ist die Qualität und Langlebigkeit in der Zusammenarbeit von Auftraggeber und Designer. Mit den Münchner Verkehrsbetrieben beispielsweise arbeiten wir seit mehr als 15 Jahren eng zusammen. Gemeinsam entwickelten wir die C-Baureihe. Ihre Erfahrungen im Betrieb flossen in unser Design ein – wir entwickelten gemeinsam. Auch bei der neuen U-Bahn ist das wieder so. Man muss nicht unbedingt immer etwas Neues machen, um etwas Gutes zu machen. Was sich bewährt hat, bleibt, was verbessert werden kann, wird verbessert.

 

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Artikel von Kurzinterview aus der ETR, Ausgabe 03/2012
Artikel von Kurzinterview aus der ETR, Ausgabe 03/2012