Interviews

Dr.-Ing. Heike Hanagarth

"Perfektion und Beherrschung der Komplexität"

 

Als Vorstand „Technik und Umwelt“ der Deutschen Bahn ist Heike Hanagarth für das Funktionieren des Systems Bahn im Konzern verantwortlich. Maßstab für den Erfolg ist für die promovierte Maschinen­bauerin die Kundenzufriedenheit, denn sie entscheidet, welches Verkehrsmittel genutzt wird.

1. Sie kommen aus der Automobilbranche, dem Zulieferer der Straße, dem größten Konkurrenten der Bahn. Schlägt Ihr Herz schon für die Bahn?

Eindeutig Ja. Mein Herz schlägt für die Bahn. Schon bevor ich Technik-Vorständin der Deutschen Bahn geworden bin, war ich begeisterte Bahnfahrerin.
Ich möchte jedoch Ihre Aussage „größter Konkurrent der Bahn“ in Bezug auf die Automobilindustrie relativieren. Es ist gut, dass wir technisch und wirtschaftlich unterschiedliche Lösungen für Mobilität und Logistik besitzen: Straße, Schiene, Schiff- und Luftfahrt. Ich sehe, auch in meiner neuen Funktion bei der DB, eine große Chance darin, diese unterschiedlichen Verkehrsträger intelligent miteinander zu verbinden. Ich bin deshalb sehr gerne dem Ruf hierher gefolgt. Für mich ist „Vorständin Technik und Umwelt“ bei der Bahn die logische Fortsetzung einer Berufslaufbahn, die vom Thema Mobilität bestimmt war. Die Deutsche Bahn ist das Unternehmen, das wirklich alle Stellhebel in der Hand hält, um die künftigen Anforderungen an Mobilität in unserer Gesellschaft zu meistern.

2. Welches sind die Stellhebel, die die Deutsche Bahn zum idealen Mobilitätsdienstleister der Zukunft machen?

Ein Stellhebel ist das System Bahn, das ich mit meinem Ressort Technik und Umwelt im Konzern verantworte. Über unsere Tochter DB Schenker gestalten wir außerdem die gesamte Logistikkette Straße, Schiene, Schiff- und Luftfahrt mit. Wir sind heute in mehr als 137 Ländern vertreten und kooperieren weltweit. Das sind wesentliche Voraussetzungen, um den zukünftigen Anforderungen an eine nachhaltige Mobilität und Logistik begegnen zu können.

3. Welche Erkenntnisse bringen Sie aus der Automobilbranche mit, die Sie bei der Bahn umsetzen wollen?

Grundsätzlich bietet ein Blick von außen immer eine Chance. Er hinterfragt ungefiltert, um das Unternehmen besser zu verstehen, aber auch, um zum Nachdenken anzuregen. Mag sein, dass man Prozesse seit Jahren in einer bestimmten Weise gestaltet. Ändert man die Abläufe, können sie effizienter sein. Natürlich bieten Automobilindustrie und deren Zulieferer heute schon Geschäftsmodelle und technische Lösungen, die ich in das Unternehmen hineintragen kann. Man muss das Rad nicht jedes Mal neu erfinden.

4. Ein Beispiel?

Die Qualitätsstandards. Stichwort ist hier ­„Simultaneous Engineering“.

5. Die Qualitätssicherung ist ein Thema, das Sie während Ihres Werdeganges immer beschäftigt hat.

Das Thema Qualität ist ein ganz wesentlicher Bestandteil der Aufgaben, wenn man in unternehmerischer Verantwortung steht.
Der Kunde misst jeden Industriezweig und Dienstleister an der Qualität seiner Produkte und Dienstleistungen. Die Qualität ist für mich die Visitenkarte des Unternehmens. Hinzu kommen Produktivität und Wirtschaftlichkeit. Gemeinsam bilden sie die Leitlinien des unternehmerischen Handelns. Insofern bin ich dankbar, dass ich die Qualität in ihren unterschiedlichen Facetten in meinen verschiedenen Leitungspositionen immer wieder verantworten konnte, bis hinein in die Engineering-Phasen.
In der Entwicklung eines Produktes werden die Grundlagen für ein qualitativ einwandfreies und langlebiges Produkt gelegt.

6. Engineering ist für Sie also ein Werkzeug, Kundenzufriedenheit zu gewinnen und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, und kein Selbstzweck.

Nein, Engineering ist absolut kein Selbstzweck.

7. Welche Folgen hat „Simultaneous Engineering“ für die Bahn?

Das Konzept des „Simultaneous Engineering“ können Sie auf die verschiedenen Entstehungsphasen eines Produktes anwenden. Ich möchte das an einem ganz konkreten Beispiel illustrieren. Wie Sie wissen, arbeiten wir eng mit unseren Lieferanten zusammen. Sie sind selbst verantwortlich für die Gestaltung ihrer Produkte und deren reibungsloses Funktionieren. Wir als Betreiber sind jedoch in interdisziplinären „Simultaneous Engineering-Teams“ in die Entwicklung der Produkte integriert. Dadurch bringen wir unsere Anforderungen als Kunde schon in die Produktdefinition und -entwicklung mit ein. Beim ICx beispielsweise haben wir erstmals über 440 Erstmusterprüfungen eingeführt, um Qualität und Funktionsfähigkeit schon früh und nicht erst bei der Auslieferung zu prüfen. Denn Fehlerbehebungen am Ende der Fertigung sind um ein Vielfaches kostenintensiver als im Entwicklungsstadium.
Es wurden beim ICx – ebenfalls erstmals – von Siemens Teststände für Prüfungen von Aggregaten wie Klimaanlagen und Antriebsaggregate eingerichtet, um technische Mängel schon früh zu erkennen. Letztlich soll damit ein Zug ausgeliefert werden, der unseren betrieblichen und den Erwartungen unserer Kunden gerecht wird. Daher gibt es beim ICx einen Probezug, der 14 Monate über das Schienennetz fährt, so dass seine Funktionsfähigkeit schon vorab getestet wird und daraus resultierende Erkenntnisse in die Fertigung eingespeist werden.

8. Nach der Bahnreform in den 1990er Jahren hat sich die DB weitgehend aus der technischen Entwicklung zurückgezogen und sie der Industrie überlassen. Es gab so gut wie keinen Informationsaustausch.

Unsere Erfahrung zeigt, dass wir heute zwei Drittel der Beanstandungen erst bei der Inbetriebnahme feststellen. Das will ich ändern. Deshalb sollen unsere Erfahrungen aus dem Betrieb der Fahrzeuge als Rückkopplung in die Entwicklung einfließen. Dies ist wesentlicher Bestandteil der Qualitätspartnerschaft, die wir Anfang des Jahres mit dem Verband der Bahnindustrie in Deutschland (VDB) und Herstellern geschlossen haben. Wir werden dem Sektor unsere Erkenntnisse aus dem Betrieb in Form eines geschlossenen Regelkreises für die Produktentwicklung zurückspiegeln. Hier gilt das Motto: „Der Fehler soll nicht zweimal passieren.“ Das ist der neue Ansatz.

9. Verschiebt sich dadurch auch die Produktverantwortung?

Nein. Die Produktverantwortung liegt natürlich weiterhin allein beim Hersteller. Wir leisten unseren Beitrag mit dem Ziel, die Produktentwicklung zu verbessern und damit den gesamten Fertigungszyklus wirtschaftlicher zu gestalten. Das reduziert deutlich Kosten und davon profitieren wir als Auftraggeber und die Industrie.

10. Wie sieht diese Bereitstellung der Daten konkret aus? Gibt es eine Betriebs-Datenbank, die für alle Lieferanten offen und nutzbar ist?

Historisch gewachsen gibt es unterschied­liche Kommunikationswege mit der Industrie. Mein Ziel ist, dass wir von Anfang an mit unseren Systemhäusern kommunizieren und die entsprechenden Informationen, zum Beispiel über Datenräume transportieren. Hier gilt wie überall: Kommunikation ist das wichtigste „Schmiermittel“. Im Übrigen ist der Datenaustausch über die Life-Cycle-Kosten beim ICx Vertragsbestandteil.

11. Sie waren Mitte Juli im Verkehrsministerium, um über die Vereinfachung des Prozesses bei der Zulassung von Bestandsfahrzeugen zu sprechen. Was haben Sie erreicht?

Mit dem Memorandum of Understanding (MoU) ist es im vergangenen Jahr gelungen, den Zulassungsprozess für Neufahrzeuge zu beschleunigen und für alle Beteiligten planbarer zu gestalten. In der Sitzung im Juli wurde beschlossen, dass wir das MoU um neue Regelungen für den Umbau von Bestandsfahrzeugen ergänzen werden. Der Betreiber oder Hersteller kann künftig im Zulassungsprozess verschiedene Wege wählen. Er kann den Nachweis auf der Grundlage des geltenden Regelwerks, über ein Vergleichsfahrzeug oder mit Hilfe einer Risikoanalyse führen. Für neu eingebaute Komponenten gilt das aktuelle Regelwerk. Dies ist ein großer Fortschritt, weil die Kosten für Modernisierungsvorhaben bei Bestandsfahrzeugen mit Blick auf die anschließenden Genehmigungsverfahren kalkulierbar bleiben müssen. Die neuen Zulassungsverfahren bieten eine große Chance, die der Sektor nutzen sollte.
Aktuell haben wir in Deutschland 120 Zulassungsprojekte für Neufahrzeuge, doch nur 10 Prozent der Zulassungsanträge werden derzeit nach dem neuen Verfahren abgewickelt. Nutzen wir doch die Vorzüge des neuen Verfahrens, damit die Züge schneller auf die Schiene kommen.

12. Die neuen Zulassungsregeln sind noch nicht gesetzlich verankert.

Das MoU ist eine Interimslösung. Wir rechnen damit, dass im Frühjahr 2015 der entsprechende Gesetzgebungsprozess abgeschlossen ist. Gleichzeitig werden auch auf europäischer Ebene im Rahmen der Änderungen des 4. Eisenbahnpakets die Zulassungsbedingungen bis 2018 modifiziert werden.

13. Stichwort Europa: Zu Ihrem Vorstandsbereich gehört auch die DB Systemtechnik, die ja zwei Aufgaben hat. Zum einen das Engineering für die DB selbst, als Think Tank, zum anderen die Nutzbarmachung dieser Technikkompetenz für Andere in Form von Dienstleistungen. Inwieweit wird dies schon genutzt?

Unser unternehmerischer Ansatz ist, die DB Systemtechnik für das eigene Systemverständnis und für die Weiterentwicklung des Systems Bahn zu nutzen. Sie ist dabei nicht nur Think Tank, sondern führt ganz aktiv Abnahmen von Fahrzeugen durch. Sie ist ein Designated Body im Zulassungsprozess und ein anerkannter Partner im Sektor Bahn, bei dem die Industrie Aufträge platziert. Mit dieser intelligenten Verquickung nutzen wir vorhandene Marktchancen und entwickeln die DB Systemtechnik unternehmerisch weiter.
Ich bin dankbar, dass sie Teil meines Vorstandsressorts Technik und Umwelt ist. Sie ist ein Know-how Träger, der von der Industrie sehr geschätzt wird, nicht nur national, sondern europaweit. Die DB Systemtechnik kann dank ihrer Niederlassungen in England und Paris im europäischen Markt agieren. Gerade hier sehen wir gute Entwicklungsmöglichkeiten.

14. Die Gesellschaft setzt immer mehr auf Digitalisierung und schnelle, mobile Kommunikation. Wie werden Sie die ständig steigenden Anforderungen für die DB umsetzen?

Die Digitalisierung ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Ein Ergebnis ist das Mobilitätsportal Qixxit, mit dem wir eine intelligente Vernetzung aller Verkehrsträger herstellen, deutschlandweit, von Haustür zu Haustür. Das ist natürlich noch lange nicht das Ende unserer Arbeit. Wir haben vor kurzem ein Team ins Silicon Valley geschickt, um die neuesten Entwicklungen zu verfolgen. Wir diskutieren, welche Entwicklungen wir aus eigener Kraft stemmen wollen und bei welchen wir mit Partnern zusammen arbeiten werden. Wir haben ganz klar den Anspruch, im digitalen Zeitalter den Lead bei den Mobilitätsplattformen in der Hand zu behalten. Es wäre fatal, wenn Google der größte Mobilitätsmanager wird.

15. Google versucht schon seit längerem, Zugang zu den Daten des Public Transport zu bekommen.

Diese Entwicklung beobachten wir sehr sorgsam. Wir wollen der größte Mobilitätsmanager bleiben und bei Mobilitätsleistungen Marktführer sein.

16. Was kann man aus dem Automobilsektor zum Umgang mit Sicherheitsthemen lernen? Im Bahnsektor wird jeder Unfall dazu genutzt, das gesamte System zu hinterfragen. In anderen Branchen gibt es statt dessen Risikoberechnungen.

Wir sind stolz darauf, dass wir eines der sichersten Verkehrsmittel sind. Bei der Sicherheit darf es keinerlei Abstriche geben. Deshalb drehen wir auch bei einem Ereignis jeden Stein um. Es gibt Themen, die wir technisch lösen können. Fakt ist jedoch, dass die meisten Zwischenfälle durch Unachtsamkeit oder durch Fehlverhalten Dritter hervorgerufen werden. Dazu gehören leider Suizide und schwere Unfälle an Bahnübergängen, letztere, weil hier Verkehrsregeln missachtet werden. In den vergangenen zwei Jahren ist es uns gelungen, die Zahl der Personen­unfälle und Sachschäden zu halbieren. Selbstverständlich geben wir uns damit nicht zufrieden.  Die Bahn ist ein offenes ­System – 100prozentige Abschottung kann und wird es nicht ­geben.

17. Ein Problem ist die Pünktlichkeit. Sie lag im Juli  im Fernverkehr unter 75?%, jeder vierte Zug ist also unpünktlich.

Ganz klar: Mit diesem Ergebnis sind wir nicht zufrieden. Es treibt uns tagtäglich an, an der Pünktlichkeit zu arbeiten. Das ist ein Leistungsversprechen von uns und letztendlich entscheidet der Kunde anhand seiner Erfahrungen, ob er die Bahn nutzen will. Die Bahn ist ein System mit vielen Einflussfaktoren. Unsere Aufgabe ist es, diese unterschiedlichen Einflussfaktoren zu verstehen und Verbesserungen zu erreichen. Diese Komplexität zu beherrschen und Antworten auf Probleme zu finden, zeichnet uns als Unternehmen aus. Dieser Aufgabe stellen wir uns jeden Tag.

18. Sie hatten lange Zeit eine ICE-Knappheit aufgrund von Lieferverzögerungen und Problemen bei Radsätzen. Jetzt werden die noch ausstehenden ICE 407 ausgeliefert. Wird sich hierdurch die Pünktlichkeit signifikant verbessern?

Tatsächlich gehörten die Lieferverzögerungen bei der BR 407 und die verkürzten Untersuchungsintervalle bei den Radsätzen zu den Faktoren, die die Flottenverfügbarkeit massiv beeinträchtigen und damit auch Auswirkung auf die Pünktlichkeit haben. Hat ein Zug einen technischen Defekt, brauchen sie einen anderen, damit sie diesen ersetzen können. Wir haben Ende Juni die durch das Eisenbahn-Bundesamt geforderten zusätzlichen Prüfnachweise für die Zulassung der ICE 3 Radsätze eingereicht und sind vorsichtig optimistisch, bis Herbst einen positiven Bescheid zu bekommen. Mit den neuen ICE und der dann beginnenden Umrüstung auf die neuen Radsätze würde sich unsere Fahrzeugsituation entspannen.

19. Die Bevölkerung nimmt die Bahn zunehmend als problematisch für die Umwelt wahr, besonders wegen des Lärms, den beispielsweise laute Güterzüge erzeugen. Immer häufiger wird deshalb versucht, neue Schienenwege zu verhindern. Auch Nutzungseinschränkungen wie Nachtfahrverbote werden gefordert. Was sind Ihre Überlegungen hierzu?

Wir nehmen das Thema Umwelt und Lärm sehr ernst. Es ist eine wichtige Säule unserer Strategie DB2020. Schon weit vor meiner Zeit hat die DB mit Ines Jahnel eine Lärmschutzbeauftragte installiert. Sie koordiniert die Aktivitäten in diesem Bereich. Sie hat zwei Aufgaben: Die eine ist eine aktive Kommunikation mit den Bürgern vor Ort zu suchen. Wir wollen zeigen, dass wir die Sorgen der Bürger verstehen und ernstnehmen. Dazu setzen wir auch unser neues Lärm-Mobil ein, in dem man sich einen Eindruck von den erzielbaren Lärmminderungen verschaffen kann. Die zweite Aufgabe ist, die technischen Maßnahmen zur Lärmreduktion bei der Bahn voranzubringen: zum einen im Rahmen der Lärmsanierungsprogramme des Bundes, zum anderen im Rahmen unserer Selbstverpflichtung, bis 2020 den Schienenlärm zu halbieren. Wichtigste Maßnahme ist dabei die Umrüstung unserer 60?000 Güterwagen auf Flüsterbremsen bis 2020. Bis heute haben wir schon über 11?000 Fahrzeuge auf die sogenannte LL-Sohle umgerüstet. Im Schienennetz der DB sind 3700 Kilometer besonders lärmbelastet. Davon sind bis heute 1300 Kilometer saniert. In den nächsten sechs Jahren werden weitere 2000 Kilometer folgen.

20. Sehen Sie, mit Ihrem technischen und beruflichen Hintergrund, über die bekannten Maßnahmen hinaus neue Wege, Bahnlärm zur vermindern?

Wir haben es hier mit einem tribologischen System zu tun, bestehend aus Rad, Schiene und Bremse. Das Zusammenspiel von Reibung, Verschleiß und Schmierung gehört deshalb zu unseren weiteren Überlegungen.
Wir haben ganz konkret schon eine Maßnahme aus diesem Tribo-System umgesetzt, indem wir die Schleifintervalle der Schiene erhöht haben, um die Rauigkeit der Schiene zu reduzieren. Darüber hinaus denken wir über weitere Maßnahmen nach, die gerade validiert werden.

21. Bei der Suche nach Fach- und Nachwuchskräften konkurriert die Bahn mit der Autoindustrie. Professoren berichten, dass es einfach sei, anhand ihrer Produkte Studierende für die Autoindustrie zu begeistern. Interesse an der Bahnindustrie zu wecken sei wesentlich schwerer. Was kann die Bahn aus Ihrer Sicht tun?

Das ist natürlich ein weites Feld, zumal die gesamte deutsche Industrie Probleme hat, qualifizierten Nachwuchs zu finden, gerade bei Ingenieurinnen und Ingenieuren. Als Unternehmen verfolgen wir verschiedene Ansätze, den Herausforderungen des demographischen Wandels zu begegnen. Wir wollen als Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber sein und zu den TOP 10 in Deutschland gehören. Das tun wir zum Beispiel mit Karrieremodellen, Jobsharing, guten Weiterbildungsmöglichkeiten und Angeboten, um Familie und Beruf zu vereinbaren.
Um für die Bahntechnik zu begeistern, verstehe ich mich auch als Botschafterin für Universitäten, Schulen und natürlich für Ingenieurinnen und Ingenieure.
Diese Rolle hatte ich Zeit meines Lebens inne. Dabei verfolge ich unterschiedliche Ansätze. Ganz konkret haben wir in meinem Ressort einen Bereich installiert, der sich nur mit Wissenschafts- und Hochschulkontakten beschäftigt. Dabei geht es im Kern darum, wie wir uns mit Hochschulen verzahnen, um einerseits Weiterentwicklungen und Innovationen für das System Bahn und andererseits Kontakte zu Absolventen zu gewinnen, um sie frühzeitig an unser Unternehmen zu binden. Lassen Sie mich drei kurze Beispiele nennen. Bei der Bertha-Benz-Stiftung habe ich im Rahmen einer Preisverleihung für eine junge Ingenieurin, die für ihre hervorragende Promotionsarbeit ausgezeichnet wurde, mit meiner Vorlesung Werbung für die Bahntechnik gemacht. Des Weiteren arbeiten wir eng mit der TU Braunschweig zusammen, wo wir in gemeinsamen Veranstaltungen mit angehenden Absolventen an konkreten Themen unseres Bahnalltags wie klemmende Türtrittstufen arbeiten. Wir unterstützen eine Stiftungsprofessor an der Fachhochschule Brandenburg. Das alles zählt für mich zu dieser Botschafterfunktion.

22. Sie gehen also aktiv nach draußen.

Ja. Wir warten nicht, dass Absolventen zu uns kommen, sondern wir gehen aktiv auf junge Menschen zu.

23. Welche Erwartungen haben Sie an die ­InnoTrans?

Die InnoTrans ist die Plattform für den Sektor Bahn. Hier trifft sich die weltweite Branche, hier wird Eisenbahn High-Tech gezeigt und man tauscht sich über innovative Ansätze aus. Hier können persönliche Kontakte vertieft werden, die für eine fruchtbare Zusammenarbeit unverzichtbar sind.
Da ich auch den Konzerneinkauf mitverantworte, möchte ich die InnoTrans nutzen, um den Ansatz des „Simultaneous Engineering“ und das Thema Qualitätspartnerschaften weiter voranzubringen.

24. Sie lieben Musik und sind Mitglied im Kuratorium des Bach-Archivs Leipzig. Sehen Sie innere Zusammenhänge zwischen den Fugen von Bach und dem System Bahn?

Eindeutig: Bei beiden geht es um Perfektion, um Beherrschung der Komplexität. Wer wie ich schon früh Bach’sche Fugen auf dem Klavier geübt hat, weiß, was Komplexität bedeutet. Die Bahn hat für mich sehr viel Ähnlichkeit mit der Musik: Das System Bahn ist wie ein Orchester, bei dem nur das perfekte Zusammenspiel das Ergebnis genießen lässt.

25. Wie entspannen Sie sich?

Für mich war und ist es wichtig, bewusst die Balance zu finden zwischen der Ambition, dem Brennen für den Beruf und meinem Leben außerhalb der Bahn. Musik spielt hier eine wichtige Rolle. Ich habe Zeit meines Lebens in Chören gesungen, Bach hat mich immer fasziniert. Doch wichtig für die gelungene Balance ist natürlich auch meine ­Familie.

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe Nr. 9/2014
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe Nr. 9/2014