Interviews

Dr. Martin Henke

Verkehr nimmt zu, der Personalbedarf damit auch

Dr. Martin Henke, VDV-Geschäftsführer Eisenbahnverkehr, zu den Gründen für personelle Engpässe

Herr Dr. Henke, die Problematik „Personalmangel“ in der Verkehrswirtschaft scheint sich zu verschärfen. Auch die Eisenbahnen bekommen das zu spüren. Ist es korrekt, dass sie Transportleistungen nicht übernehmen können, weil Triebfahrzeugführer fehlen?

Das können wir so nicht bestätigen. Natürlich gibt es, wie in jeder Branche, immer mal den Extremfall, dass durch eine Krankheitswelle oder in der Urlaubszeit Personalknappheit herrscht. Das beeinflusst aber nicht grundsätzlich die Leistungsfähigkeit des Schienengüterverkehrs. Richtig ist allerdings, dass Triebfahrzeugführer am Arbeitsmarkt momentan sehr begehrt sind. Das hat mit der Entwicklung der Branche zu tun: Je mehr Transporte auf der Schiene stattfinden, desto mehr Personal brauchen die Unternehmen. Und da es erklärtes Ziel der Schienengüterverkehrsunternehmen ist, weiter zu wachsen und den Marktanteil zu erhöhen, wird der Personalbedarf in den kommenden Jahren eher steigen. Nachwuchs ist dabei leider nicht immer leicht zu finden. 

Wie reagiert die Branche auf die Personalengpässe? Müssen sich die Unternehmen schlicht den Umständen beugen?

Der Bedarf an gut ausgebildetem und leistungsfähigem Personal ist ja nicht nur in unserer Branche groß, sondern in nahezu allen Wirtschaftszweigen. Die Unternehmen stehen also im Wettbewerb mit vielen potenziellen Arbeitgebern. Darauf kann man als Branche am besten reagieren, indem man sich als attraktiver Arbeitgeber präsentiert und die Bewerber von seinen Vorzügen überzeugt. Und gerade da müssen sich die Eisenbahnunternehmen wirklich nicht verstecken. Im Vergleich zu anderen Logistikdienstleistern zahlen unsere Unternehmen sehr gut und bieten ordentliche soziale Zusatzleistungen. 

Wo sehen Sie den Grund für den Personalmangel? Arbeitszeiten? Entlohnung? Heimatferner Einsatz? Längere Einsatzzeiten durch intensive Bautätigkeit im Netz? Perspektivlosigkeit durch Automatisierung?

Ich halte die Rahmenbedingungen der Jobs in unserer Branche hinsichtlich Bezahlung, Arbeitszeiten, etc. für nicht schlecht im Verhältnis zu vergleichbaren Jobs in der Logistik. Und von Perspektiv­losigkeit kann aufgrund des wachsenden Bedarfs an Mitarbeitern keine Rede sein, die Einstiegsvoraussetzungen sind zurzeit sogar sehr attraktiv. Die Transportleistungen haben insgesamt zugenommen in den letzten Jahren, deshalb benötigt man schlicht mehr Personal. Dazu kommt der Personalmangel anderer Branchen, die auch mit attraktiven Angeboten um neue Arbeitskräfte werben. Und wir haben ein demografisches Problem. Gerade im Fahrdienst ist das Durchschnittsalter relativ hoch. Das heißt, aus den geburtenstarken Jahrgängen gehen verhältnismäßig viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt oder bald in den Ruhestand. Diese Stellen müssen dann wiederbesetzt werden.

Erwarten Sie eine Erleichterung der Situation durch automatischen Fahrbetrieb und wann würde diese Entlastung spürbar werden?

Bis zum flächendeckenden vollautomatisierten Fahrbetrieb wird es noch eine ganz Zeit lang dauern. Aber es gibt natürlich auch heute schon Situationen und Bereiche, in denen weitere Automatisierung helfen und damit die Mitarbeiter auch entlasten kann, wie zum Beispiel beim Rangierbetrieb.

Sind von Personaldienstleistern gestellte Triebfahrzeugführer eine Lösung?

Dazu fehlen mir die Erfahrungsberichte aus der Praxis, das müssten Sie die Unternehmen fragen, die solche Dienstleister beauftragen. 

Artikel von Interview aus Rail Business, Ausgabe 11/17
Artikel von Interview aus Rail Business, Ausgabe 11/17