Interviews

Ekkehard Assmann

"Seilbahnen schaffen eine neue Verkehrsebene"

Seile statt Schienen: Mit diesem Konzept will Doppelmayr dem Nahverkehr ein neues Element zufügen. Dreiseil-Umlaufbahnen erschließen den Luftraum und damit eine neue Verkehrsebene.

 

1. Doppelmayr produziert Seilbahnen, seit einiger Zeit auch für den ÖPNV. Warum?
Man kennt uns hauptsächlich durch den Wintersport. Der Winter wird immer das wichtigste Thema für Doppelmayr bleiben. Doch sehen wir auch die großen Vorteile von Seilbahnlösungen im Nahverkehr: Sie schaffen eine neue, störungsfreie Verkehrsebene, überwinden leicht Hindernisse und können in kurzer Zeit errichtet werden. Dabei sind sie in der Regel um ein bis zwei Drittel günstiger als andere Nahverkehrslösungen.

 

2. In Koblenz führt seit der Bundesgartenschau (Buga) 2010 eine Seilbahn über den Rhein, doch andernorts in Deutschland sind im Nahverkehr Seilbahnen nicht zu sehen.
In den Köpfen vieler Nahverkehrsverantwortlicher in Europa ist ein bestimmtes Bild der Seilbahn festgebrannt: Die Seilbahn ist etwas für den Winter, etwas für die Touristen. Sie denken, dass sie für ihre Stadt ein „richtiges“ Transportmittel brauchen. Mittlerweile haben wir bewiesen, dass auch eine Seilbahn ein richtiges Transportmittel ist und Lösungen für den Stadtverkehr anbieten kann. Nehmen Sie das Beispiel London: Im Juni 2012, kurz vor Olympia, ging eine Zubringerseilbahn über die Themse in Betrieb. Innerhalb von zwei Monaten haben wir so mehr als 1 Mio. Fahrgäste transportiert. In Koblenz haben Studien gezeigt, dass die Seilbahn über den Rhein anderen Shuttle-Systemen weit überlegen war. Im Buga-Sommer transportierte die Seilbahn 6 bis 7 Mio. Passagiere. Im September 2012 haben wir einen Vertrag für La Paz unterzeichnet. Dort werden wir das größte ÖPNV-Seilbahnnetz der Welt bauen – 11 km Seilbahn, mit 11 Stationen. Die drei Seilbahnen transportieren zusammen 9000 Fahrgäste/Stunde und Richtung. Bei einer Fahrgeschwindigkeit von bis zu 18 km/h dauert die Fahrt zwischen 10 und 16 Minuten, während die gleiche Strecke mit dem Auto bis zu einer Stunde und mehr dauern kann.

 

3. Gibt es spezielle technische Entwicklungen für den ÖPNV?
Neben den klassischen Seilbahnen setzen wir im Nahverkehr Dreiseilumlaufbahnen ein. Hier fahren die Kabinen horizontal über zwei Seilstränge (Tragseil) als „Schienen“ und werden durch ein Zugseil bewegt.

 

4. Als Fahrgast finde ich eine Seilbahnfahrt nicht immer behaglich. Besonders die Vorstellung, stecken zu bleiben und abgeseilt werden zu müssen, beeinträchtigt die Fahrt.
Die Seilbahn ist das sicherste Transportmittel der Welt. Es gibt nur ein System, das noch sicherer ist, und das ist der Aufzug. Seilbahnen werden für extreme Witterungsverhältnisse entwickelt, für Eis, Schnee und Windstärken bis zu 100 km/h. Von diesen hohen Anforderungen profitiert auch der Stadtverkehr. Seilbahnen sind zuverlässig, bei jedem Wetter. Seit zwei Jahren haben wir zusätzlich ein eigenes Sicherungskonzept entwickelt, das garantiert, dass die Kabinen immer in eine Station zurückkommen, egal was draußen passiert. Dadurch sind Bergungen mit Abseilen nicht mehr notwendig. Das Konzept haben wir erstmals in Koblenz umgesetzt.

 

5. Werden Dreiseilumlaufbahnen klassische schienengebundene Systeme verdrängen?
Das ist gar nicht unser Ziel. Wir wollen und können nicht mit Verkehrsmitteln wie Light- Rail, U-Bahn oder Straßenbahn in Konkurrenz treten, denn wir decken ein anderes Transportsegment ab. U-Bahnen werden dort installiert, wo man Beförderungskapazitäten von 20 000 Fahrgästen pro Stunde und mehr braucht, Straßenbahnen für Kapazitäten ab 12 000. Mit den Seilbahnen zielen wir auf die Nische um die 5000 Fahrgäste/Stunde. Wir sehen uns eher als System, das zwei hochfrequentierte Systeme miteinander verbindet, beispielsweise zwei U-Bahn-Linien oder zentrale Umsteigepunkte zwischen Nah- und Fernverkehr.

 

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Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 1+2/2013
Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 1+2/2013