Interviews

Eric Marie-Louis

Mehrwert durch Komplettlösungen

 

War bisher der Datentransfer in den Zügen relativ gering, ändert sich dies rapide: hochauflösende Videokameras, leistungsfähiges On-Board-WLAN für Fahrgäste, mehr Kommunikation mit der Infrastruktur. Huber+Suhner will sich in diesem Markt als Lösungsanbieter etablieren


In Zeiten, in denen immer mehr Funktionen über Funkverbindungen abgewickelt werden können – braucht die Bahn noch Kabel?

Wir sind spezialisiert auf Anwendungen zur Kommunikation, und hier besonders auf Bereitstellung von Verbindungslösungen für den Einbau in Zügen. Unser Angebot geht weit über Kabel hinaus. Wir haben beispielsweise schon heute eine starke Marktposition bei Dachantennen und wollen unsere Position weiter ausbauen.
Der Markt hat augenblicklich einen hohen Bedarf, da die Kommunikationssysteme in den Fahrzeugen, sei es die Fahrgastinformation, sei es WLAN für die Fahrgäste, ausgebaut werden und damit immer höhere Datenmengen transportiert werden müssen. Man kann diese Aufgabe auf zwei Wegen lösen, durch die Nutzung von Funknetzen wie 4G oder durch den Aufbau von WLAN-Netzen. Für beides bieten wir Verbindungslösungen.


Warum bauen Verkehrsbetreiber auch eigene Netze auf?
Manche Verkehrsbetreiber setzen auf die öffentlichen Mobilfunknetze. Für andere ist es wichtig, für die Leit- und Sicherungstechnik eigene Funknetze zur Verfügung zu haben. Wir haben deshalb Komponenten entwickelt, die die unterschiedlichsten Frequenzen abdecken können. Es ist am Ende eine Philosophiefrage. Die Übertragungsleistung ist in beiden Fällen kein Problem. Mittlerweile können durch den Einsatz von MIMO-Technologie und dem neuen IEEE 802.11 Standard auch per WLAN mehrere hundert Megabit pro Sekunde zur Verfügung gestellt werden.
Im Mobilfunk sieht es ähnlich aus. Die Bandbreiten von standardmäßig 100 MB können mittels MIMO-Technologie, den Zusammenschluss von Carriern und den Einsatz von Funkmodems um ein Vielfaches gesteigert werden. Dabei stellt die Kommunikation im Zug selbst ebenso große Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Netzes wie die Datenübertragung zwischen Fahrzeug und Infrastruktur. In beiden Fällen sind sehr hohe Bandbreiten notwendig.


Theoretisch wäre ja auch Kommunikation über Satellit möglich.
Theoretisch ja, doch das versucht man wegen der hohen Kosten zu vermeiden. Auf einem fahrenden Zug müssten die Antennen sehr intelligent sein, weil sie sich immer selbsttätig auf den Satelliten ausrichten müssten – entsprechend kostspielig wären sie in den Anschaffung.


Sie wollen sich zum Kommunikationsspezialisten entwickeln. Bisher denkt man eher an Kabel und Stecker, wenn man Huber+Suhner hört, als an kabellose Kommunikation und Funkempfang.
Das stimmt. Wir werden oft nur als Kabel- und Steckerlieferant wahrgenommen. Unsere umfangreichen und langjährigen Kundenbeziehungen sind ein Teil unserer Stärke am Markt. Doch wir können mehr, beherrschen weit komplexere Technologien und wollen dies in Zukunft mehr in den Vordergrund rücken.


Sie wollen sich vom Lieferanten zum Lösungsanbieter entwickeln?
Letztendlich ja. Dafür müssen wir in der Wertschöpfungskette schrittweise höher steigen: Im ersten Schritt wollen wir mit den bestehenden Produkten Mehrwert generieren. Hierzu ändern wir den Vertrieb und machen die Bestellung für die Kunden einfacher – statt einzelner Komponenten können sie zukünftig von uns für ihre jeweilige Anforderung im Voraus zusammengestellte Kits beziehen. Sie geben nur noch eine Bestellnummer ein und erhalten gebündelt alles, was sie brauchen, einschließlich der Dokumentation und der Nummerierung der Artikel für die Rückverfolgbarkeit. Darüber hinaus wollen wir Partnerschaften mit Unternehmen eingehen, die ein Netzwerk planen und umsetzen können. An der InnoTrans haben wir gezeigt, wie wir zum Beispiel gemeinsam mit Gematica einen zusätzlichen Service bieten können.


Welche Rolle spielen Partnerschaften im täglichen Business?
Partnerschaften werden für uns immer wichtiger. An der InnoTrans haben wir die Zusammenarbeit mit Weidmüller bekanntgegeben, um weltweit innovative Lösungen für immer komplexere Bahnsysteme zu entwickeln. Außerdem sind wir seit 2016 bevorzugter Lieferant von Bombardier. Als Technologieführer möchten wir miteinander zukunftsgerichtete Lösungen entwickeln. Von der Integration von Glasfaser-, Niederfrequenz- und drahtlosen Verbindungslösungen in Schienenfahrzeugen bis hin zur Verbesserung der Wertschöpfungskette wollen wir gemeinsam Innovationen vorantreiben.


Sie erwähnen den Einsatz von Glasfaser im Zug. Wofür wird diese Technologie eingesetzt?
Zum einen für die Kameras im Zug, die immer höhere Auflösungen liefern müssen. So wird vermehrt von Videos eine Gesichtserkennung gefordert – ein erhöhtes Datenvolumen ist die Folge. Zum anderen werden Glasfaserkabel auch für die Fahrgastinformation benötigt. Die Bildschirme haben eine immer höhere Auflösung, oft wird schon HD eingesetzt, zukünftig geht der Trend sogar in Richtung 3D, das heißt, auch hier werden immer leistungsfähigere Kabel benötigt. Und auch der individuelle Bedarf der Fahrgäste steigt weiter: Sie wollen ununterbrochen Zugang zu den sozialen Netzwerken haben und Videos streamen können. Dies stellt enorme Anforderungen an die Onboard-Netzwerke. Wir brauchen im Zug neue Technologien.

(Das Gespräch führte Dagmar Rees)

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 1+2/17
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 1+2/17