Interviews

Heinz Ehrbar

DB-Großprojekte und BIM

Heinz Ehrbar, Leiter Management Großprojekte DB Netz, ­beantwortet Fragen zu Building Information Modeling.

1. Herr Ehrbar, Sie sind Leiter Management Großprojekte bei der DB Netz AG und tragen die Verantwortung für DB-Pilotprojekte zur Einführung der Methode BIM. Was verstehen Sie darunter und was sind Ihre Aufgaben?
Unter Building Information Modeling (BIM) verstehen wir die Planung und Bewirtschaftung unserer baulichen Anlagen mithilfe von dreidimensionalen computergestützten Modellen.
In der Bauphase wird dabei das künftige Bauwerk in seiner Gesamtheit zuerst virtuell erstellt und erst danach geht es in die reale Bauausführung. Die virtuelle Planung bedeutet dabei nicht einfach die dreidimensionale Modellierung der geometrischen Eigenschaften. Vielmehr werden die geometrischen Objekte zusätzlich mit den physikalischen Objekteigenschaften und den zugehörigen Kostenkenndaten verknüpft. Schließlich wird dem ­Objektmodell das Bauprogramm hinterlegt, sodass man von einer vollständigen Modellierung des Bauprojektes sprechen kann (5D-BIM).
Solche Modelle sollen, wenn sie mit den Erkenntnissen aus der realen Erstellung ergänzt sind, dem künftigen Betreiber für den Betrieb und den Unterhalt seiner Anlagen zur Verfügung gestellt werden.
Meine Aufgabe ist es, nebst vielen anderen Tätigkeiten, dafür zu sorgen, dass BIM im Vorstandsressort Infrastruktur auf DB-Konzernebene koordiniert und unter Nutzung möglicher Synergiepotenziale aus den verschiedenen Konzerngesellschaften eingeführt wird.
Die verschiedenen Konzerngesellschaften sind dabei unterschiedlich weit fortgeschritten. Während die DB Station & Service die Baubranche bereits informiert hat, dass sie ab 2017 ihre Projekte nur noch mit BIM planen wird, geht es bei der DB Netz AG derzeit darum, über rund zehn größere Pilotprojekte Erfahrungen mit BIM in hochkomplexen Infrastrukturprojekten zu sammeln, um dann bis Ende 2020 alle komplexen Projekte mit BIM beplanen zu können. Dazu haben wir eine entsprechende Strategie und einen Entwicklungsplan erarbeitet, welcher nun in die Umsetzung geht.

2. Den gesamten Lebenszyklus eines Bauprojekts in einem Datenmodell zu erfassen erscheint bei der Vielzahl der am Projekt beteiligten Gewerke sehr schwierig und zeitraubend. Wie händeln Sie das?
BIM wird die Zukunft des Bauwesens sein, weil es diesem erlaubt einen wichtigen Sprung in der Qualität der Projektabwicklung zu machen, was zudem einen wirtschaftlichen Vorteil (Reduktion von Fehlleistungskosten) bringen soll.
Ängste, dass das Ganze zu komplex werden könnte müssen ernst genommen werden, da BIM nur dann zum Erfolg wird, wenn es von den Projektbeteiligten akzeptiert wird. Umgekehrt dürfen solche Ängste die Entwicklung nicht blockieren. Wie lösen wir dieses Dilemma? Indem wir uns spezifisch mit den folgenden sechs Handlungsfeldern auseinandersetzen und dort entsprechende Aktionspläne umsetzen:
1.  BIM-Strategie,
2.  BIM-Anwendung,
3.  Anpassung / Schaffung von Prozessen und Richtlinien,
4.  Informationen und Daten,
5.  erforderliche Infrastruktur (inkl. IT) und
6.  Menschen abholen und begleiten.
Dabei gilt das Prinzip „learning by doing“, da es kaum möglich sein wird zuerst in sich geschlossene BIM-Prozesse und -Strukturen zu schaffen. Basierend auf dem heutigen Erfahrungsstand wollen wir die Themen im Rahmen der Pilotprojekte direkt angehen und dem Zielzustand näherbringen.

3. Planung, Projektsteuerung, Kosten und Durchführung sollen in einer neuen Kultur für verlässliches Bauen von Großprojekten zum Erfolg führen. Sehen Sie bei den Pilotprojekten erste Ansätze?
BIM funktioniert nur dann, wenn der partnerschaftliche Umgang gepflegt wird und sich alle Projektbeteiligten von der heute noch stark vorhandenen konfrontativen Projektabwicklung verabschieden. Dazu bietet BIM aber geradezu einmalige Chancen, weil das Projektziel frühzeitig und umfassend definiert wird, ebenfalls der Weg zum Ziel. Kommt es dann zu Abweichungen vom geplanten Ablauf, was gerade aufgrund von Baugrundrisiken nie vollkommen ausgeschlossen werden kann, steht wiederum ein sehr gutes Instrument zur gemeinsamen Lösungsfindung zur Verfügung.
In unseren Pilotprojekten ist derzeit dieser Geist des gegenseitigen Unterstützens unter allen Projektbeteiligten durchaus spürbar. Es bleibt zu hoffen, dass auch von der gesetzgeberischen Seite die entsprechenden Schritte noch gemacht werden, um dem Partnerschaftsgedanken bei den Bauprojekten der Bahn noch stärker zum Durchbruch zu helfen.

4. Die Koordinaten von Bauen und Betrieb, die Ver- und Entsorgung der Baustelle sowie die Phasen von Teilnutzungen verlangen eine intensive Koordination der Termin- und Fahrpläne. Was erreichen Sie dabei durch den Einsatz von BIM?
Im Idealzustand sollten wir all diese Aktivitäten numerisch so genau modellieren können, dass wir sie mit dem Fahrplan abgleichen können. Das wird aber wohl noch längerfristig eine Idealvorstellung bleiben, müssten doch die Bauaktivitäten bei einer solchen Vorgehensweise stunden- bzw. minutenscharf modelliert werden. Störungen auf der Baustelle, wie z. B. der Ausfall eines Schlüsselgerätes, machen eine solche Planung dann zur Makulatur.
Deshalb wird BIM in einem ersten Schritt eher dazu helfen gegenüber heute frühzeitigere und verlässlichere Prognosen für Sperrpausen zu tätigen, insbesondere wenn es gelingen sollte den Unternehmer früher als bisher in das Projekt zu ­integrieren.
Im Portfolio unserer Pilotprojekte gibt es Projekte wo wir aber das Thema „Bauen unter rollendem Rad“ angehen wollen, um die Verknüpfung mit den entsprechenden EDV-Werkzeugen zur Baubetriebsplanung zu testen.

5. Eine Akzeptanz von Großprojekten der Schiene ist der Öffentlichkeit oft schwer abzuringen. Welche neuen Wege zur Bürgerinformation wollen Sie gehen?
Als Schweizer und langjährig Verantwortlicher für den Rohbau des Gotthard-Basistunnels erlaube ich mir die Bemerkung, dass die fehlende Akzeptanz von Schienenprojekten ein Problem ist, welches in Deutschland eine spezielle Dimension erreicht hat. Nebst BIM gilt es da noch an vielen anderen Stellschrauben zu drehen, damit sich die Gesamtsituation markant verbessert. Maßnahmen dazu, insbesondere die frühe Bürgerbeteiligung sind aber eingeleitet.
BIM leistet in diesem Prozess auf jeden Fall eine äußerst wertvolle Hilfe. Realitätsnahe dreidimensionale Modelle verschiedenster Varianten, welche zudem aus der Perspektive des direkt Betroffenen betrachtet werden können, helfen schon heute in verschiedenen Projekten die Diskussionen zu versachlichen und die Akzeptanz spürbar zu steigern. Wenn es dann gelingt die Gesamtzeit für diese Entscheidungsfindung in relevantem Maß zu reduzieren stellt sich auch ein nicht zu vernachlässigender wirtschaftlicher Nutzen ein.

Artikel von Interview aus dem EI, Ausgabe 6/16
Artikel von Interview aus dem EI, Ausgabe 6/16