Interviews

Jeroen Le Jeune

„Crossrail wird in zehn Jahren unter den Großen Fünf sein“

CEO Jeroen Le Jeune zum neuen Kurs der Gruppe nach dem Einstieg neuer Gesellschafter, die Situation der Branche und notwendige Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum.
Nach einer wirtschaftlich schwierigen Phase hat sich das schweizerische Schienengüterverkehrsunternehmen Crossrail wieder gefangen. Neue Gesellschafter stiegen ein, die Ertragslage verbesserte sich. Unternehmenschef Jeroen Le Jeune sprach mit Rail-Business-Redakteur Karl Arne Richter über Perspektiven und Rahmenbedingungen für Wachstum auf der Schiene.

Herr Le Jeune, vor rund einem Jahr stiegen neben Hupac auch Lkw Walter und der Operateur GTS bei Crossrail ein, später folgten Bertschi und MSC. Wie hat sich das auf das Unternehmen ausgewirkt?

Sie wissen, dass Crossrail in der Vergangenheit wirtschaftliche Probleme hatte. 2010 musste Crossrail Benelux ein Insolvenzschutzverfahren nach Chapter 11 beantragen, das nach knapp zwei Jahren im April 2012 erfolgreich beendet werden konnte. Einen Konkurs des Unternehmens haben wir erfolgreich abgewendet. Die alten Schulden sind abgebaut; die Gruppe steht seither solide da – eine gute Basis für neue Aktionäre. Die haben wir nicht unter Banken und Hedgefonds gesucht. Eisenbahn ist unter Ertragsgesichtspunkten nicht sonderlich sexy.
Einige Kunden waren aber der Ansicht, dass Crossrail aus strategischer Sicht bestehen bleiben müsste. Immerhin sind wir die einzige private Eisenbahn in Europa, die noch auf der Hauptachse Benelux – Italien aktiv ist. Wir haben deswegen mit unseren Kunden über ein Engagement im Unternehmen gesprochen.
Die Kunden wollten mit ihren eigenen Angeboten im Kombinierten Verkehr wachsen. Sie sehen Crossrail dafür als Mittel zum Zweck. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch mit anderen Eisenbahnen zusammenarbeiten. Lkw Walter beispielsweise nutzt im KV auch Kombiverkehr, Hupac fährt mit DB Schenker Rail. Wichtig für die Operateure ist, dass sie eine Wahlmöglichkeit unter den Traktionsanbietern haben.

Wie haben Sie die Einnahmen aus dem Anteilsverkauf verwendet? Eine Kapitalerhöhung gab es ja nicht.

Die Mittel wurden in das Unternehmen investiert. In der Schweiz bestehen mehr Möglichkeiten, das Kapital zu nutzen, beispielsweise als Reserve.

Unter der veränderten Eigentümerstruktur – würden Sie Crossrail als neutral bezeichnen?

Crossrail ist kein Club. Wir fahren nicht nur für Hupac und Lkw Walter, sondern für alle Kunden. Diese Off enheit ist auch erforderlich, um neue Geschäfte zu gewinnen. Das stärkt die private Alternative Crossrail. Mit den neuen Gesellschaftern sind wir schon gewachsen. Die finanzielle Stabilität wird vom Markt sehr positiv aufgenommen.

Wie haben sich die Umsatzergebnisse in den Jahren 2011 und 2012 entwickelt?

Im Gegensatz zu den Wettbewerbern sind wir 2012 gewachsen. Keine übermäßig großen Zuwächse, aber ein Plus. Wir vermuten, dies könnte auch daran liegen, dass Crossrail als einzige europäische Bahn auf dem Korridor Rotterdam – Genua die durchgehende Eigentraktion bieten kann. Was Umsätze und Ergebnisse angeht, kann ich leider noch keine konkreten Zahlen nennen. Der Verwaltungsrat muss den Jahresabschluss noch prüfen und genehmigen.

Aber Crossrail befi ndet sich inzwischen doch wieder in den schwarzen Zahlen?

Dazu kann ich ebenfalls noch nicht sagen. Fest steht aber, dass wir die Situation verbessert haben.

In welcher Form sind Sie heute in Frankreich tätig und wann wollen Sie dort selbst fahren?

Wir arbeiten heute in Frankreich mit ECR und Fret SNCF zusammen. Das Ziel ist auch, in Frankreich selbst zu fahren. Das braucht aber noch Zeit, da es sehr schwierig ist. Die Situation mit dem Netzbetreiber RFF ist nicht so günstig, die Flexibilität auf deren Seite praktisch Null. In Frankreich arbeiten wir derzeit mit den Tochtergesellschaften der Deutschen Bahn und der Französischen Eisenbahnen, ECR und Fret SNCF, zusammen. Ziel bleibt es aber, dort selbst zu fahren. Problematisch ist die Situation mit der Infrastruktur.
Die Flexibilität des Netzbetreibers RFF ist praktisch gleich null. Entsprechend ist es auch um die Situation der Eisenbahn in Frankreich bestellt. In den vergangenen zehn Jahren ist die Hälfte der Kunden abgewandert. Das liegt keineswegs nur an der Qualität der SNCF. Einen maßgeblichen Anteil hat auch RFF. Überall gibt es Bauarbeiten. Viele Kunden verlangen, dass wir in Frankreich tätig werden. Das kommt für uns aber erst infrage, wenn wir dort die gleiche Qualität wie auf anderen Routen bieten können.

Außer auf den Nord-Süd-Strecken wollen Sie auch auf den Ost-West-Achsen tätigwerden. Ist auf den Nord-Süd-Verbindungen nichts mehr zu holen?

Aus Sicht der Crossrail Benelux ist Verkehr von und nach Deutschland immer Ost-West-Verkehr. Zudem fahren wir bereits Autozüge zwischen Boostermark und Belgien und Kesselwagenzüge zwischen Schkopau und Polen. Den Verkehr mit Polen und Österreich wollen wir ausbauen. Die Brennerroute ist für uns strategisch wichtig, aber nicht einfach. Wie im Alpentransit üblich, sind große Mengen erforderlich, um wirtschaftlich zu fahren.

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Artikel von Interview aus RB, Ausgabe 16/2013
Artikel von Interview aus RB, Ausgabe 16/2013