Interviews

Prof. Dr. Ing. Karsten Lemmer

"Lärmreduktion bringt nicht nur Kosten, sondern auch Nutzen"

Der Schienenverkehr muss leiser werden, meint Prof. Dr. Ing. Karsten Lemmer vom Institut für Verkehrssystemtechnik des DLR. Damit die Lärmreduktion finanzierbar bleibt, braucht man ein umfassendes Wissen um die Zusammenhänge und intelligente, systemische Lösungsansätze.

Professor Lemmer, welche neuen Ideen hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), wenn es um Lärmminderung im Bahnverkehr geht?
Wir betrachten Lärm nicht als Einzelproblem, sondern systemisch. Das DLR beschäftigt sich mit der kompletten Wirkungskette: von der Entstehung über die Transmission bis zur Immission. Dabei untersuchen wir die Fragen nicht nur von der technologischen Seite, sondern auch von der betrieblichen. Unser Ansatz ist das Integral und nicht die Einzel-lösung.

Wie setzen Sie Ihren integrierten Ansatz um?
Die Ursachen von Lärm sind vielfältig. Wir arbeiten mit mehreren Instituten an ganz unterschiedlichen Fragestellungen, von der Lärm-entwicklung durch Windgeräusche über den Rad-Schiene-Kontakt bis hin zur betrieblichen Optimierung der Fahrgeschwindigkeit, um Bremsvorgänge zu vermeiden. Die Ergebnisse bringen wir in einen systemischen Zusammenhang.

Auf welchen Wegen kann Lärmminderung am effektivsten erreicht werden?
Lärmminderung hat immer auch mit Geld zu tun. Will man Null Lärm haben, muss man die Strecken einhausen oder alle Züge unter die Erde verlegen. Theoretisch wäre dies möglich, praktisch jedoch völlig irrsinnig, weil nicht finanzierbar. Die Frage ist, wie man ein Optimum mit minimalem finanziellen Einsatz erreichen kann, und in welchem Zeitraum. Infrastrukturmaßnahmen brauchen sehr viel Zeit. Schnelle Lärmreduzierungen sind mit ihnen nicht zu erreichen. Genau da greift der systemische Ansatz. Wir prüfen, was bei gegebener Infrastruktur betrieblich getan werden kann, ohne die Streckenkapazität zu stark einzuschränken.

Eine Möglichkeit der schnellen Lärmminderung besteht darin, die Bremssohlen auszutauschen.
Auch hier müssen die Unternehmen betriebswirtschaftlich handeln. Solange es nur geringe Anreizsysteme gibt, wird man spät umrüsten, entsprechend spät zeigt sich die Lärm mindernde Wirkung. Zur effektiven Lärmminderung muss alles optimal aufeinander abgestimmt sein: die technische Ausstattung, die betrieblichen Maßnahmen, die fiskalischen Rahmenbedingungen und die politischen Vorgaben. Positive Anreize können beispielsweise Sonderabschreibungen geben, Beihilfen oder Boni für frühen Wechsel. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten.

Wie wählt man aus der Vielfalt der Möglichkeiten aus?
Ziel muss sein, die Low-hanging-Fruits, also die Maßnahmen, die mit endlichem Aufwand zeitnahe Lösungen bringen, auch tatsächlich anzuwenden. Low-hanging-Fruits sind die schon erwähnten Anreizsysteme, aber auch Lärm mindernde betriebliche Maßnahmen oder Technologien, die schon vorhanden sind und deshalb schnell eingesetzt werden -können.

Das lärmabhängige Trassenpreissystem soll Anreize geben, auf LL-Sohlen umzustellen. Wie beurteilen Sie das System?
Die lärmabhängigen Trassenpreise sind ein mögliches Steuerungsinstrument, genauso wie Sonderabschreibungen oder Ähnliches. Das Instrument ist ein sehr guter Ansatz, zumal die LL-Sohle mittlerweile zugelassen wurde. Es steht jedoch vor zwei Problemen. Erstens wurde die Förderung der Umrüstung von Altwagen von der EU halbiert. Zweitens wird erwartet, dass die Wartungskosten für die Wagen durch die Ausrüstung mit den Verbundstoffbremssohlen steigen. Somit wäre die Umrüstung für Betreiber selbst bei vollständiger Förderung nicht wirtschaftlich. Im Gegenteil, eine Umrüstung kann zu einem Wettbewerbsnachteil führen. Eine Umrüstung wird erst zu dem Zeitpunkt flächendeckend geschehen, ab dem sie verpflichtend ist. Eine, zumindest zeitlich begrenzte, Unterstützung für die erhöhten Wartungskosten könnte Abhilfe schaffen. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob die Güterverkehrsbranche an vielen Stellen nicht eine Erneuerung benötigt. Den notwendigen Druck dafür aufzubauen, ohne die Wettbewerbs-fähigkeit zu verlieren, ist ein schwieriger Spagat.

Im Rheintal beispielsweise werden geringere Geschwindigkeiten und Nachtfahrverbote gefordert.
Es gibt keine einfachen Lösungen, weil Schienenverkehr Netzverkehr ist. Jede, auch regionale, Änderung hat Auswirkungen auf das ganze Netz. Deshalb muss man jede Maßnahme im Gesamtzusammenhang beurteilen und das Optimum mit Blick auf das ganze Netz suchen. Wenn die Züge auf der Rhein-Schiene langsamer oder zu bestimmten Zeiten gar nicht fahren, um die Lärmbelastung zu optimieren, verstopft man eine Verkehrsader, was das ganze Netz belastet. Punktuell wäre ein Problem gelöst, doch die Leistungsfähigkeit des gesamten Netzes würde sinken.

Mit welchen weiteren Low-hanging-Fruits beschäftigen Sie sich am DLR?
Das DLR hat über 25 Institute, die sich mit verschiedenen Fragestellungen der Verkehrsforschung beschäftigen. Eine Fragestellung ist die betriebliche Optimierung. Dabei geht unsere Betrachtung über die Optimierung des Fahrens hinaus. Wir fragen uns auch, wie eine Lärm mindernde Instandhaltungsstrategie aussehen könnte. Ein Ansatz hier ist ein Strecken-Monitoring aus dem Fahrzeug heraus, das es ermöglicht, Störungen frühzeitig zu erkennen und die Wartungsintervalle so festzulegen, dass sowohl hinsichtlich der Verfügbarkeit der Strecke als auch der Reduzierung von Lärm optimiert wird.

Ist ein solches Strecken-Monitoring schon Standard?
Im Moment gibt es Strecken-Monitoring mit Spezial-Fahrzeugen, jedoch nicht flächendeckend, sodass man augenblicklich nicht für das ganze Netz Aussagen über die Alterung des Weges und die Auswirkung dieser Alterung beispielsweise auf den Lärm treffen kann. Ein flächendeckendes Monitoring würde die Ausrüstung der kommerziell eingesetzten Lokomotiven mit entsprechenden Geräten erfordern. Dadurch könnte man kontinuierlich und flächendeckend Daten sammeln.

DLR steht für Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Gibt es Forschungen, bei denen die Schiene von der Luftfahrt profitieren kann?
Lärm ist nicht nur bei der Schiene, sondern auch bei der Luftfahrt ein großes Thema. Eines unserer Institute geht Fragen der Lärmwirkung nach. Physiologisch bedingt nehmen Menschen bestimmte Frequenzbereiche stärker wahr als andere. Auch wirkt sich aus, ob der Lärm kontinuierlich oder diskontinuierlich vorhanden ist. 1 Stunde „Brumm“ wirkt sich weniger belastend aus als 3mal „Knall“ pro Stunde.
Ein anderes Institut beschäftigt sich intensiv mit Schallentstehung und -übertragung. Das DLR betrachtet sozusagen Sender und Empfänger und ist dadurch in der Lage, sich im System ergebende Fragestellungen umfassend zu bearbeiten. Verschiebt die Alterung von Schienen den Frequenzbereich des Schalls und wenn ja, in welchen Bereich? Welche Bauteile emittieren Schall in welchen Frequenzbereichen und kann eine Veränderung der Bauteile den Anteil der von Menschen als störend empfundenen Frequenzen verringern? Kann eine Schallschutzwand die gewünschte Minderung erreichen? Wenn man mehr über die Zusammenhänge weiß und darüber, wie die einzelnen Faktoren ineinandergreifen, hat man viel mehr Eingriffsmöglichkeiten. So ist es viel leichter, wirtschaftlich optimale Varianten zu finden. Denn man kann sich auf jene Stellen konzentrieren, die viel des vom Menschen als unangenehm empfundenen Schall emittieren, und erreicht so mit vergleichbarem Aufwand viel mehr, als wenn die Maßnahmen breiter angelegt werden.

Sollten die Frequenzbereiche schon bei der Konstruktion von Schienen und Fahrzeugen berücksichtigt werden?
Es gibt einige Ansätze zur Transformation von Frequenzspektren. Dies ist oft eine Frage der Massen und damit der Materialien. Neue Materialien können Lärm mindernde Effekte haben. Aber auch hier gilt, dass man die Wirtschaftlichkeit im Blick haben muss. Neue, leisere Materialien dürfen nicht die Wartungsintervalle erheblich verkürzen und damit die Verfügbarkeit der Betriebsmittel reduzieren. Wenn wir nur im Hinblick auf Lärmminderung optimieren, schädigen wir möglicherweise die Wettbewerbsfähigkeit des Verkehrsträgers Schiene. Ziel aller -Forschungsarbeiten muss sein, Lösungen zu finden, die allen Beteiligten gerecht
werden.

Gibt es Lärm mindernde Maßnahmen, die sich auch auf andere Bereiche positiv auswirken?
Lärm- und energie-optimales Fahren korrelieren stark. Wenn Sie wenig Brems- oder Beschleunigungsvorgänge haben, ist dies sowohl energetisch optimal als auch schallmäßig vorteilhaft.
Auch bei der Schieneninfrastruktur gibt es positive Effekte, insbesondere beim aktuell drängendsten Problem, dem Lärm durch Schienengüterverkehr. Hier ist das Rollgeräusch dominant, beeinflusst durch die Rauheit zwischen Schiene und Rad. Nur das Rad zu betrachten und es durch entsprechende Bremstechnologien (Verbundstoffbremssohle oder Scheibenbremsen) sowie die Beseitigung von Flachstellen glatt zu halten, ist ein Teil der Lösung. Der andere Teil ist der Zustand der Schiene. So wird beispielsweise dem Besonders überwachten Gleis (BüG) ein Lärm mindernder Effekt von 3?dB(A) zugemessen. Die Frage ist aber eher, wie viel lauter ein Zug durch eine raue Schienenoberfläche wird. Konsequentes, präventives Schleifen kann den Zustand zumindest so halten, dass der Zug durch die Schiene nicht noch lauter wird. Auch sauber verschweißte Schienenstöße, Weichen mit beweglichen Herzstücken und ein Schotterbett im guten Zustand helfen, die Schall-emission zu minimieren. Hier gehen reduzierte  Instandhaltungskosten und Lärm-
minderung oft Hand in Hand.

Gibt es auch negative Korrelationen?
Bei einigen Maßnahmen, wie Schienendämpfer oder kleine Schallschutzwände, auf denen aktuell der Fokus liegt, werden häufig negative Auswirkungen auf die Instandhaltung befürchtet. Auch ist ihre Lärm mindernde Wirkung noch nicht immer in ausreichendem Maße nachgewiesen.

Wenn man Lärmminderungsmaßnahmen einsetzt, die sich auch auf andere Bereiche positiv auswirken, müssten auch die Kosten breiter zugeordnet werden.
Man sollte sich hüten, den Lärm isoliert zu betrachten. Wenn man stattdessen das Gesamtsystem betrachtet, wird man möglicherweise feststellen, dass bestimmte Maßnahmen nicht notwendigerweise nur mit Kosten belegt sind, sondern auch wirtschaftlichen Nutzen bringen können. Wir müssen gegen das Gefühl vorgehen, das sich in dem Gedanken ausdrückt: „Ich muss jetzt Lärmreduktion machen, das kostet Geld und damit schwächt das meine Wettbewerbsfähigkeit“. Natürlich kostet Lärmreduktion Geld, doch möglicherweise gibt es intelligente Ansätze, die die Kosten zumindest in Teilen kompensieren. Wichtig sind dabei politische Rahmenbedingungen, die nicht nach dem St.-Florians-Prinzip arbeiten. Nur einzelne Markteilnehmer zu verpflichten: „Rüstet eure Bremsklötze um“, ist zu kurz gegriffen. Das belastet das System singulär an einer Stelle. Bei solch einseitigen Verpflichtungen freut sich immer derjenige, der die Last nicht tragen muss, und derjenige, der sie aufgebürdet bekommt, freut sich weniger. Eine solch einseitige Steuerung kann dazu führen, dass Innovationen oder Optimierungen unterbleiben.

Welchen Anteil am Lärm hat die Infrastruktur, welchen die Fahrzeuge?
Schätzungen gehen davon aus, dass der Beitrag der Räder, also Laufflächenabstrahlung, Radscheibe usw., zur Geräuschemission bei 45 bis 50?% liegt. Der Beitrag der Schiene ist mit einem Anteil von 30 und 50?% ebenfalls signifikant. Der Anteil der Bremsen, also Bremsklötze, Bremsgestänge, Trapez usw., liegt bei 15 bis 20?%. Alles Weitere, wie Betonschwellen, Gleisbefestigung, Wagenkasten, Achslager, seitliche Halbflächen, Primärfedern usw., liegt jeweils nur im 1-stelligen Prozentbereich. Es macht deshalb Sinn, die Aktivitäten auf die großen Bereiche zu konzentrieren. Wenn wir es schaffen, dort die Geräuschemission nur um 10?% zu reduzieren, ist der Effekt viel größer, als wenn wir in anderen Bereichen den Lärm komplett abschaffen.

Wenn ein Hersteller zu Ihnen kommen würde und sagt: „Wir möchten den Prototyp eines sehr leisen Zuges“ – was könnten Sie ihm anbieten?
Wir würden ihm eine gesamtsystemische Betrachtung anbieten, bei der wir die Parameter bestimmen, bei denen es sich lohnt zu optimieren. Dann können wir unsere Kompetenzen einbringen, zum Beispiel in der Aerodynamik, der Materialwissenschaft, der Schallentstehung und Übertragung, der Lärmwirkungsforschung, der Entwicklung von Antrieben.

Und wenn eine Bahn zu Ihnen kommt?
Im betrieblichen Bereich gibt es erhebliche Potenziale. Hier haben auch gerade kleinere Betreiber, also die NE-Bahnen, große Chancen, eine Vorreiterrolle zu spielen, weil sie eine etwas reduziertere Komplexität als die großen Bahnen haben. DLR-seitig sind wir stark an einer Zusammenarbeit mit ihnen interessiert, um konkrete Forschungsergebnisse umzusetzen zu können und zu zeigen, welches Potenzial in Ihnen steckt.

Wie würde eine solche Zusammenarbeit mit NE-Bahnen aussehen?
Wir würden mit einer NE-Bahn die Situation sehr detailliert analysieren und nach konkreten Möglichkeiten zu suchen, den Betrieb zu optimieren. Wenn sie beispielsweise Strecken hat, die wenig belastet sind, könnte sie wahrscheinlich eine Vergleichmäßigung der Fahrweise gut realisieren, also Anfahr- und Bremsvorgänge vermeiden, wodurch die sehr unangenehmen Bremsgeräusche reduziert werden könnten. Der Zusatznutzen für die Bahn läge im niedrigeren Bedarf an Primärenergie. Wenn die Strecken der NE-Bahn gehören, könnte man auch eine Fahrzeug bezogene Diagnose der Infrastruktur entwickeln, um ein bestimmtes Qualitätsniveau zu sichern.

Die Lärmbelastung durch Güterzüge beeinträchtigt das Image des Bahnverkehrs als umweltfreundliche und sinnvolle Alternative zum Straßenverkehr. Unter anderem fällt ab 2015 der Schienenbonus weg. Wie wird sich das auswirken? Gibt es Möglichkeiten, die geforderten um 5?dB(A) niedrigeren Werte einzuhalten, ohne dass sich der Neubau (und eventuell auch die Sanierung) wesentlich verteuert?
Die Auswirkungen dürften sich als kritisch für die Zukunft des Güterverkehrs herausstellen. Der Güterverkehr ist wettbewerbsfähig, weil er günstig ist. Diese günstige Technik ist jedoch auch laut. Und weil sie so laut ist, werden zukünftige, beispielsweise im Seehafenhinterlandverkehr dringend benötigte Infrastrukturprojekte bei gleichbleibenden Budgets teurer. Die Bundesregierung rechnet mit einem Mehraufwand von 1,2 Mrd. E und großen planerischen Hürden, beispielsweise durch sehr hohe Lärmschutzwände. Die somit langsamere Realisierung von Neubauvorhaben wird die Wettbewerbsfähigkeit der Schiene gegenüber anderen Verkehrsträgern einschränken.
Wir haben jedoch die Hoffnung, dass sich betriebliche Maßnahmen finden lassen, die die Verteuerung zumindest abmildern. Einfache Lösungen gibt es jedoch nicht. Eine simple Reduzierung der Streckengeschwindigkeiten würde vielleicht auf den ersten Blick eine Entlastung bringen. Auf der anderen Seite würde die Streckenleistungsfähigkeit massiv einbrechen, mit Auswirkungen über den Güterverkehr hinaus. Außerdem würde durch die steigende Geschwindigkeitsschere zwischen Güter- und Personenverkehren wohl die Anzahl der Überholungen steigen, wodurch die Belästigung der Anwohner weiter steigen dürfte. Der Weg muss vielmehr in Richtung einer gleichmäßigeren Geschwindigkeit mit weniger Beschleunigungs- und Bremsvorgängen gehen. Wir bearbeiten dieses Feld am DLR intensiv.

Die Deutsche Bahn will bis 2020 den Schienenlärm halbieren (gegenüber 2000). Reichen die bisher diskutierten und ergriffenen Maßnahmen aus, dieses Ziel bis 2020 zu erreichen? Wenn nicht, was müsste passieren?
Die Maßnahmen werden ausreichend sein, da die flächendeckende Umrüstung der Güterwagen in diesem Zeitraum auf Verbundstoffbremssohlen für eine Reduzierung der Schallemissionen um 10?dB(A), also eine Halbierung des Schienenlärms, sorgt. Die Frage ist eher, ob in Zukunft nicht noch ambitioniertere Ziele gesetzt werden müssen. Das ist vielleicht analog zur CO2-Debatte zu sehen, wie sie in den letzten Jahrzehnten verlaufen ist. Hat sich ein solches Thema gesellschaftlich etabliert, wird sich der gesellschaftliche Konsens über die Anforderungen an einen lärmarmen Schienenverkehr auch in Gesetzen und Verordnungen niederschlagen. Dafür könnten dann andere Maßstäbe gelten. Beispielsweise schlägt die Weltgesundheitsorganisation WHO ein mittelfristiges Emmissionsziel von Verkehrslärm von 55?dB(A) vor. Betrachtet man die in der Bevölkerung gestiegene Arbeitsbelastung und das damit ebenfalls gestiegene Ruhebedürfnis, ist das auch nachvollziehbar.

Reichen die bisher vorhandenen Instrumente aus, um langfristig flächendeckend die gewünschte Lärmminderung zu erreichen?
Wenn man sich als Endziel die WHO-Grenze 55?dB(A) setzt, sind wir von diesem Ziel noch Welten entfernt. Dieses Ziel ist nur durch ein Bündel von Maßnahmen erreichbar. Hier besteht noch Forschungsbedarf, besonders bei der Frage, wie dieses Ziel wirtschaftlich vertretbar erreicht werden kann.

Was müsste sich in der Forschung ändern?
Wichtig ist, dass Forschung nicht isoliert stattfindet. Im Elfenbeinturm kann man viele tolle Ideen entwickeln, die nachher in der komplexen Realität nur beschränkt umsetzbar sind oder nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand. Hersteller, Betreiber und Forschungseinrichtungen, aber auch die Politik, müssen gemeinsam prüfen, bei welchen Parametern optimiert werden muss und wie man gemeinsam langfristige Perspektiven entwickeln kann. Nachbesserungen an Vorhandenem sind immer nur punktuell wirksam. Effektiver ist es, die Frage der Lärmminderung schon bei der Entwicklung von Fahrzeugen zu berücksichtigen. Wenn es dann noch gelingt, Fahrzeug und Fahrweg aufeinander abzustimmen und all dies mit betrieblichen Lösungen zur Lärmminderung verknüpft wird, dann ist dies eine systemische Lösung mit großer Wirkung. Eine solche vernetzte Forschung sollte dann auch bei der Förderung Priorität haben.

Wodurch mehr Gelder zum DLR fließen würden.
Das DLR ist mit seinem systemischen Ansatz sicher der geeignete Partner. Hinzu kommt noch, dass wir als Forschungseinrichtung neutral sind. Wir sind nur der korrekten wissenschaftlichen Arbeit verpflichtet und nicht einzelnen Herstellern oder Betreibern. Dadurch können wir im Konzert der Stakeholder eine moderierende Rolle einnehmen.

Eine private Frage: Wie entspannen Sie sich?
Mit meiner Familie.

(Das Interview führte Dagmar Rees)

 

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 12/2013
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 12/2013