Interviews

Prof. Dr.-Ing. Peter Veit

"Wir brauchen kostengerechte Trassenpreise"

Damit Trassenpreise nicht nur diskriminierungsfreien Zugang zum Netz gewähren, sondern den Verkehr auch steuern können, müssen sie marktgerecht sein, fordert Prof. Dr.-Ing. Peter Veit von der TU Graz.

 

1. Sie kritisieren die augenblicklichen Verfahren zur Festsetzung der Trassenpreise. Warum?
Die Trassenpreise sind der einzige Link zwischen Fahrzeug und Fahrweg. Ihre Optimierung ist dem Markt anheim gestellt. Eine erfolgreiche Optimierung über den Preis setzt jedoch voraus, dass die Trassenpreise tatsächlich Marktpreise sind. Das ist in Europa trotz einzelner punktueller Ansätze generell noch nicht der Fall. Die Trassenpreise sind nicht kostengesteuert und damit nicht verursachergerecht.

2. Wodurch entstehen die Verzerrungen?
Die unterschiedlichen Verkehre und Zugtypen stellen sehr unterschiedliche Anforderungen an die Infrastruktur. Sie erfordern unterschiedlich gute Laufqualitäten und erzeugen unterschiedlich viel Lärm. Im Vergleich zu einem Personenzug hat der Güterverkehr einen höheren statischen Verschleiß, allerdings ist beim Personenzug bei den höheren Geschwindigkeiten die dynamische Belastung der Gleise höher. Schnelle Züge stellen höhere Anforderungen an die Qualität der Infrastruktur. Wenn eine Strecke im Mischbetrieb befahren wird, zahlen auch die Zugtypen, die mit einer geringeren Qualität betrieben werden könnten, die hohe Streckenqualität. Umgekehrt zahlt zum Beispiel ein Schnellzug im Mischbetrieb mit dem Nahverkehr für die vielen Weichen, die er gar nicht nutzt.

3. Wie würde ein kostengesteuertes Preissystem aussehen?
Grundsätzlich sollte man von einer Bemautung der Züge zu einer Bemautung der Fahrzeuge wechseln. Es könnte Topographie bezogen differenzierte Grundpreise geben, denn eine Bergstrecke ist grundsätzlich teurer als eine Strecke im  Flachland, unabhängig von der Art der Nutzung. Die Art der Nutzung und ihre Auswirkungen auf die Infrastruktur könnten dann in einem zweiten Schritt beispielsweise in einem Bonus/Malus-System berücksichtigt werden. Dabei geht es immer um Delta-Rechnungen, also um die Feststellung der Unterschiede: laut/leise, wenig Verschleiß/viel Verschleiß, wenig Weichen/viel Weichen, wenig Lärm/viel Lärm. Man könnte auch Premium-Aufschläge für besonders gute Qualität der Infrastruktur einführen, die zeitsensiblen Zügen im Personenverkehr, aber auch im Güterverkehr, Pünktlichkeit garantieren. Eine andere Möglichkeit wäre, in Spitzenzeiten, in denen die Infrastruktur stark nachgefragt wird, die Trassenpreise zu erhöhen, sodass nur noch Züge fahren, die genau auf diese Zeiträume angewiesen sind.

4. Wer definiert die Meßlatte, sagt also, was normal ist?
Das ist letztendlich eine rein politische Entscheidung. Die Festlegung des Referenzrahmens bestimmt, wie viel das System Eisenbahn aus sich selbst heraus für die Infrastruktur generieren muss und wie viel der Staat im Sinne der Daseinsvorsorge trägt.

5. Um ein kostengerechteres Preissystem zu erstellen, müssten die Kosten auch exakt zugeteilt werden können. Reicht das Wissen schon so weit?
Nicht in allen Details, doch wir wissen genug, um Kostenverteilungsschlüssel zu erstellen, die gerechter sind als die heutigen Preissysteme. 

 

<link file:1853 download>Hier können Sie sich den Beitrag als pdf runterladen.

Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 11/2013
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 11/2013