Interviews

Tarek Al-Wazir

Ziel: Den Verkehrsanteil der Schiene erhöhen

 

1. Hessen ist das Land, durch das der meiste Transitverkehr fließt. Reichen die Kapazitäten?
Nein, die Hauptschienenstrecken in Hessen sind seit langem deutlich überlastet. Dies betrifft insbesondere Bebra – Fulda – Frankfurt, den Knoten Frankfurt und Rhein-Main/Rhein-Neckar. Die Kapazitäten reichen weder für den Güterverkehr noch für den Personenfern- und -nahverkehr.
2. Welche Infrastruktur für Hessen ist schon im Bundesverkehrswegeplan
(BVWP) verankert, um welche kämpfen Sie noch?

Die Frage ist nicht, welche Maßnahmen bereits verankert sind. Heute kämpfen wir vielmehr um die Position der hessischen Neu- und Ausbaumaßnahmen im BVWP 2015, der gerade aufgestellt wird. Er hat eine neue Grundkonzeption und ist keine Fortschreibung des BVWP. Der zukünftige Ausbau der Schieneninfrastruktur wird ausschließlich am tatsächlichen Bedarf orientiert. Vorhaben zur Engpassauflösung sollen künftig in der neuen Kategorie „Vordringlicher Bedarf Plus“ prioritär finanziert und umgesetzt werden. Ich kämpfe daher darum, dass die zentralen Aus- und Neubauvorhaben: Hanau – Würzburg/Fulda – Erfurt, Frankfurt – Mannheim und der Ausbau des Knotens Frankfurt in die Kategorie „Vordringlicher Bedarf Plus“ kommen und deren Planung und Finanzierung endlich in einem klar bestimmten Zeithorizont umgesetzt werden. Schon die Entmischung der Verkehre auf diesen Strecken führt zu einem signifikanten Kapazitätssprung für den Personen- wie den
Güterverkehr. Das Land hat zudem eine Alternativstrecke für den Güterverkehr zur Entlastung des Mittelrheinkorridors für die BVWP-Fortschreibung angemeldet, ebenso wie eine Anzahl von bereits im BVWP 2003 enthaltenen Maßnahmen. Netzerweiterungen finden zudem durch regionale Nahverkehrsvorhaben außerhalb des BVWP statt, die bisher über das GVF-GBundesprogramm finanziert wurden. Wenn dieses 2019 ersatzlos ausliefe, müssten auch kapazitätssteigernde regionale Projekte über den BVWP mitfinanziert werden. Dies betrifft insbesondere die Nordmainische Strecke Hanau – Frankfurt, ohne die die ABS/NBS Hanau – Fulda in ein Nadelöhr münden würde. Wir brauchen eine Verlängerung des GVFG und baldige Klarheit dazu vom Bund.
3. Welche Ziele verfolgt das Land mit dem Programm zur Förderung von Gleisanschlüssen?
Gleisanschlüsse gewährleisten optimalen Zugang zum Schienennetz. Hessen hat mit einem vergleichbaren Programm zwischen 2002 und 2010 Güterverkehre auf die Schiene geholt. Das Förderprogramm wird 2015 wieder aufgenommen. Ziel ist die Reaktivierung ungenutzter Gleisanschlüsse, und zwar nur da, wo die Gleisanschlussförderung des Bundes nicht greift, z. B. bei Industriestammgleisen oder bei Sanierungsmaßnahmen.
4. Sie befürworten die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, sprechen aber auch über mögliche Nachtfahrverbote. Wie passt das für Sie zusammen?
Der Schienengüterverkehr belastet die Anwohner erheblich. Mit den LL-Bremssohlen steht eine technische Lösung zur Halbierung des Schienenlärms bereit. Betroffene haben kein Verständnis, wenn diese Lösung
nicht eingesetzt wird. Um den Druck zur Umrüstung zu verstärken, müssen jetzt rechtssicher Betriebsbeschränkungen, wie z. B. nächtliche Fahrverbote für besonders laute Waggons angeordnet werden können. Als Verkehrspolitiker ist es mein Ziel, den Verkehrsanteil der Schiene zu erhöhen. Die Betreiber müssen indes ihrer Verantwortung auch gerecht werden.
5. Die DB verspricht eine Halbierung des Bahnlärms bis 2020. Reicht das für Sie aus?
Eine Halbierung wäre ein riesiger Fortschritt, zumal der Güterverkehr wächst. Neben der vollständigen Umrüstung auf leisere Bremsen und dem regelmäßigen Schleifen der Gleise wird es nötig sein, weitere technische Innovationen an den Wagen und auch verstärkt infrastrukturelle Lärmminderungsmaßnahmen.

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Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 4/2015
Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 4/2015