Britische High Speed-Züge: Wird Verlängerung nach Leeds gestrichen?

Das geplante Hochgeschwindigkeitsnetz mit seinem jetzt bedrohten nordöstlichen Y-Abschnitt; Quelle: HS2

Corona-Hilfen oder Eisenbahn? Vor diese Wahl stellt offenbar Großbritanniens Premier Boris Johnson seine Regierung. Und die Wahl fällt gegen das Hochgeschwindigkeitsprojekt HS2.

Britischen Presseberichten zufolge soll sich das Projekt jetzt nur noch auf die Verlängerung nach Manchester konzentrieren. Während der Bau von HS2 zwischen London und Birmingham fortgesetzt wird, habe die britische Regierung die Planungsarbeiten für die geplante „östliche Etappe“ eingestellt. Die Ausweitung des Projekts auf Leeds könne nach einer ministeriellen Planungsprüfung auf Eis gelegt werden. Damit könne die britische Hochgeschwindigkeitsbahn HS2 womöglich Leeds nie erreichen.

Britanniens größtes Bahnprojekt

Den Startschuss für das seit längerer Zeit debattierte High Speed-Projekt HS2 hatte der britische Premierminister Boris Johnson am 11. Februar 2020 verkündet. Der damalige Umsetzungsbeschluss bedeutete, dass die erste Phase bis Birmingham gesichert und finanziert, die Inbetriebnahme in Stufen zwischen 2028 und 2031 geplant ist. Das seit langem größte Infrastrukturprojekt auf der britischen Insel soll zunächst eine 220 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den Stationen London Euston und Birmingham Curzon Street schaffen. In Phase 2a und 2b entsteht eine Y-Struktur. Der westliche Ast mit Anschluss nach Liverpool führt ab 2035 von Birmingham nach Crewe (69 Kilometer) und weiter bis nach Manchester (82 Kilometer). Ein östlicher Ast wird zwischen 2035 und 2040 von Birmingham über die East Midlands und South Yorkshire nach Leeds führen (198 Kilometer).   

Realisiert werden soll das Projekt durch die 2009 gegründete staatliche Projektgesellschaft High Speed Two Ltd., die Strecke soll auf 400 km/h ausgelegt werden bei einer Regelgeschwindigkeit der Züge von 360 km/h. Über ein Zehntel der Strecke soll durch Tunnels verlaufen. Planungsverzögerungen führten dazu, dass Ende 2019 die Gesamtkosten mit mehr als 106 Milliarden Pfund Sterling beziffert wurden (121 Milliarden Euro) – fast dem Doppelten der in 2015 erwarteten Kosten.

Mit oder ohne Y?

Jetzt wird befürchtet, dass das britische Hochgeschwindigkeitsbahnprojekt HS2 niemals über die derzeit im Bau befindliche Verbindung London – Birmingham hinaus verlängert werden könnte. Die Verlängerung würde die Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Leeds als Teil der wirtschaftlichen Wiederbelebung des Nordens Englands führen. Die Stadt Derby beispielsweise ist traditionelles Zentrum der Bahnindustrie. In der Region baut derzeit Siemens eine neue Fabrik auf, Zulieferer siedeln sich an, auch wegen HS2. Der östliche Abschnitt von HS2 – offiziell bekannt als Phase 2b - ist Teil des strategischen Bahnprogramms Northern Powerhouse Rail. Dazu gehört auch der Ausbau der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Liverpool und Leeds mit dem Spitznamen HS3 mit direkter Anbindung an die East Coast Main Line. Jetzt könnte es sein, dass die Strecke nicht einmal Manchester erreicht. Denn das britische Regierungsministerium hat den Planungsstopp für Verkehrsprojekte ausgerufen. Offenbar ist dies eine Reaktion auf die Kosten der wirtschaftlichen Unterstützung während der Pandemie. Diese Kosten werden auf etwa 300 Milliarden Pfund (330 Milliarden Euro) geschätzt, etwa das Dreifache des gesamten Budgets des HS2-Projekts.

Es besteht die Sorge, dass das erste Opfer einer Kürzung des Staatshaushalts die Erweiterung des Hochgeschwindigkeitsbahnprojekts nach Norden sein könnte. Die Minister haben die Planung für die Erweiterung des HS2-Projekts in den Nordosten Englands gestoppt. Dies würde verhindern, dass Hochgeschwindigkeitsdienste in die East Midlands (hauptsächlich Derby und Nottingham), in die Städte Sheffield und Leeds gebracht und angeschlossen werden.

Die Nachricht vom Planungsstopp brachte betroffene Kommunalpolitiker in einer ungewöhnlichen Koalition zusammen. Der kommunale Spitzenpolitiker in Leeds James Lewis von der oppositionellen Labour-Partei und der konservative Politiker Ben Bradley, Parlamentsabgeordneter von Mansfield und Vorsitzender des Nottinghamshire Council,  forderten den Premierminister in einem gemeinsamen Schreiben zum Umdenken auf. Johnson solle dem, wie sie es nennen, Streckenabschnitt „HS2 East“ grünes Licht geben, um in die Liefer- und Umsetzungsphase überzugehen. Die Regierung solle auch endlich ihren überfälligen Integrierten Eisenbahnplan veröffentlichen. Dieses Dokument hätte schon im vergangenen Jahr publiziert werden sollen. Lewis und Bradley betonen, dass HS2 die beste Möglichkeit sei, die Kapazität für den Schienengüterverkehr erheblich zu erhöhen.

Güterverkehr wird abgebremst

Dem Schreiben der Politiker zufolge wird HS2 die Bahnverbindungen für Passagiere verbessern und täglich Kapazitäten für bis zu 144 zusätzliche Güterzüge schaffen: „Derzeit befördert der Schienengüterverkehr über 30 Milliarden Pfund (33 Milliarden Euro) an Gütern pro Jahr, wobei die Branche jährlich 870 Millionen Pfund (965 Millionen Euro) zur britischen Wirtschaft beiträgt. Dennoch nutzen etwa halb so viele Güterzüge das Netz als noch vor 15 Jahren. Das konventionelle Netz ist ausgelastet, und die kritischen Engpässe von den East Midlands nach Newcastle sind ausgelastet“, heißt es in dem Schreiben weiter. Sowohl Lewis als auch Bradley weisen darauf hin, dass es im Schienengüterverkehr bereits ein erhebliches Wachstum gibt und dass eine Absage der Streckenverlängerung diese Nachfrage ersticken würde. „Es gibt eine wachsende Nachfrage nach Schienengüterverkehr rund um Sheffield, mit der Eröffnung eines neuen Eisenbahnfrachtterminals in Tinsley, der Nutzung von iPort in Doncaster auf der Schiene und dem Wachstum des Transports von Zuschlagstoffen durch Hope Valley von den Buxton-Steinbrüchen. Weiter nördlich ist die Kapazität der East Coast Main Line aufgrund fehlender Ertüchtigungen zur Umleitung von Frachten eingeschränkt.“ (red./hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
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