Capricorn auf der Rhätischen: Große Bestellung auf kleiner Spur

Auf Normalspur-Wagen wurde der Zug zur Rhätischen Bahn transportiert, wo er über eine Rampe ins Meterspur-Netz gezogen wurde; Quelle: Jürg D. Lüthard

Am 25. November 2021 war es wieder einmal soweit: Die Rhätische Bahn (RhB) im Schweizer Kanton Graubünden empfing auf ihrem Werksgelände in Landquart einen neuen Triebzug der Stadler-Gattung „Capricorn“.

Der Zug ist Teil der grössten Rollmaterialbeschaffung in der Geschichte der RhB. Bis Ende 2024 sollen alle bestellten 56 Capricorn-Triebzüge im fahrplanmässigen Einsatz sein. Die RhB befährt ein meterspuriges Streckennetz von 384 Kilometern Länge und steht nach den normalspurigen Bahnen SBB, BLS und SOB auf dem vierten Platz im Schweizer Bahnranking, gemessen an den Passagierzahlen. Da darf das Zugmaterial schon mal ab und an modernisiert werden. Zwar war das Wetter kalt, neblig und dunkel, doch die Stimmung bei der Zugübernahme war prächtig. Denn die Übergabe des Capricorn-Triebzugs 3133 war zugleich eine Feierstunde für Bahn- und Industrie-Historiker.                          

Teil des Zuges war der 500. Wagenkasten, welcher seit 1960 in Altenrhein erstellt wurde. Zwar findet die Hauptproduktion von Stadler heutzutage vor allen in den Werken Bussnang und St. Margarethen statt. Doch Altenrhein spielt für Wagenkästen weiter eine wichtige Rolle – und ist Symbol für Geschichte und Wandel in der Schweizer Wirtschaft. „1924 gründete Claude Dornier das Werk als Dornier-Werke Altenrhein“, erläuterte dem bahn manager der Schweizer Bahnjournalist Jürg D. Lüthard. „Nach dem 2. Weltkrieg übernahmen Schweizer Industrielle das vorher deutsche Unternehmen. Ab 1952 war es Familienbesitz von Claudio Caroni.“

Caroni änderte den Firmennamen zu Flug- und Fahrzeugwerke Altenrhein AG (FFA) und produzierte nun auch Eisenbahn-Waggons. Auf Dauer war jedoch offenbar das Werk weder im Flugzeug- noch im Waggonbau konkurrenzfähig. Der Waggonbau wurde durch einen Mitbewerber aufgekauft und firmierte fortan als Schindler Waggon Altenrhein (SWA). 1997 rettete Stadler das Werk vor der Schliessung und führte es wieder in sicheres Fahrwasser. Auch das Rollmaterial der RhB ist durch die Produkte des Altenrheiner Traditionswerks geprägt. So sind bis heute sogenannte Schweizer Einheitswagen der Generationen EW I, EW II und EW III aus FFA-Zeiten sowie EW IV aus SWA-Zeiten im Einsatz.

Damit sind die jetzt in Altenrhein hergestellten Capricorn-Wagen die Überführung der Tradition ins Moderne. Die Feierlaune bei der Rhätischen fand auch optischen Ausdruck. So wurde der Triebzug mit dem Altenrheiner Jubiläums-Wagen nicht nur wie sonst üblich festlich foliert. „Er wurde gänzlich in ‚Champagner‘-Farbe und metaliesé sehr hochwertig lackiert“, betonte der Teilnehmer an der Zugübergabe, Journalistenkollege Jürg D. Lüthard. „Die eigens dazu entwickelte Farbe stammt von Weilburger in Weilburg, Deutschland.“ Anlässlich der Anlieferung dieses Fahrzeuges in Graubünden wurde es auf den Namen „Piz Palü“ getauft.

Und RhB-Direktor Renato Fasciati verkündete eine weitere Überraschung: „Unser Spezial-Capricorn 3133 ist mit gratis WLAN ausgestattet. Er steht damit nicht allein auf weiter Flur, wird doch mittelfristig die gesamte Capricorn-Flotte über WLAN verfügen.“ Tatsächlich haben alle Capricorn-Triebzüge, welche ab sofort nach Landquart geliefert werden, gratis WLAN an Bord. Die bereits ausgelieferten Fahrzeuge werden mit WLAN nachgerüstet.

Die Inbetriebsetzung der 56 Capricorn-Triebzüge kommt insgesamt gut und planmässig voran, heisst es bei der RhB. Von den 56 bestellten vierteiligen Zügen sind derzeit 24 Fahrzeuge bei der RhB, 21 Züge verkehren fahrplanmässig. Im kommenden Jahr 2022 verkehren die modernen Züge insbesondere auf der Strecke Landquart – Davos – Filisur, Landquart – St. Moritz sowie in der S-Bahn. Im Dezember 2022 startet die RhB den Flügelzugbetrieb. (red./jl/hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
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