Spanischer Alstom-Hub für Additive Fertigung

Hoch qualifiziert – Blick in das spanische 3D-Druckzentrum von Alstom; Foto: Alstom

2018 lieferte Alstom 26 Citadis-Straßenbahnen an das erste öffentliche Straßenbahnnetz in der algerischen Stadt Sétif. Im Juni 2021 zeigte sich, dass die Scheinwerfer dieser Bahnen durch Wasser und Steine kaputt gingen, die beim Fahren in kleine Löcher eindrangen. Alstom sorgte in Rekordzeit für Ersatzteile: Innerhalb von nur 48 Stunden wurden in Spanien zwölf Gummidrainagen und Abdichtungen für die Löcher in den Scheinwerfern entworfen, im 3D-Druck produziert und ausgeliefert.

Alle unsere Werke sind integraler Bestandteil unserer Alstom-Fertigungsgruppe und des Fertigungsverbundes“, erläuterte dem bahn manager Müslüm Yakisan, der bis Januar 2021 bei Alstom für den afrikanischen Markt verantwortlich zeichnete. „Insofern, wenn in Spanien eine Technologie entsprechend eingesetzt wird, fertigen wir natürlich für andere Standorte mit. Ich glaube, das ist die Attraktivität, dass wir in Afrika sein können, in Afrika erfolgreich Fahrzeuge fertigen.“
Tatsächlich hatte die Alstom-interne Liefer- und Entscheidungskette perfekt funktioniert. Die Lieferung der Ersatzteile nach Algerien erfolgte durch das 3D-Druckzentrum im Santa Perpètua Industrial Center, das 2016 in Barcelona im Rahmen des Alstom-Programms „Industrie der Zukunft“ gegründet worden war. Es war Pionier für die Integration der additiven Fertigungsmethode (Additive Manufacturing, AM) bei Alstom und ist heute eine weltweite Referenz innerhalb der Gruppe für additive Komponentenfertigung. Entscheidend für den Erfolg wurde die Spezialisierung des Barcelona-Teams auf Kunststoffe, die für den Einsatz in Schienenfahrzeugen zugelassen sind und eine hohe Feuer- und Rauchbeständigkeit aufweisen.
Dieses Know-how ermöglicht es dem Team, den gesamten Workflow einschließlich Nachbearbeitungs- und Reverse-
Engineering-Aufgaben durchzuführen und die übrigen Alstom-Zentren zu unterstützen. Der Barcelona-Hub kann bereits auf etliche Schlüsselprojekte auf Konzernebene verweisen. So arbeiteten die spanischen AM-Expert*innen zum Beispiel am TGV 2020, Alstoms neuester Generation von Hochgeschwindigkeitszügen, in Zusammenarbeit mit dem Werk La Rochelle. Dabei ging es um die Analyse und Neugestaltung von Zugkomponenten. Das Zentrum ist derzeit in mehrere Innovationsprojekte mit dem Schwerpunkt Metall-3D-Druck involviert, strahlt aber auch in die Region – für verschiedene Unternehmen in Katalonien mit Bedarf an AM-Komponenten wurde es wichtiger Kooperationspartner.
„Die Agilität, die uns das AM-Verfahren bietet, ist für Alstom als Unternehmen strategisch entscheidend”, erklärte Aurélien Fussel, Additive Manufacturing Programme Manager bei Alstom. „Wo unsere Kunden zur Aufrechterhaltung des Betriebs auf Ersatzteile angewiesen sind, können wir mit dieser internen Produktionskapazität unsere traditionelle Lieferkette umgehen und schnell und kostengünstig mit einer Lösung für ihre Bedürfnisse reagieren.“ Im Fall der Straßenbahnen von Sétif konnten so etwa 45 Tage Vorlaufzeit und um die 6000 EUR Fixkosten vermieden werden.
„Wir haben die mindestens dreiwöchige Produktionsvorlaufzeit vermieden, die bei traditionellen Fertigungsmethoden typischerweise erforderlich ist, und Einschränkungen im Betrieb des Straßenbahnnetzes auf ein Minimum reduziert”, sagte Fussel. „Für einen Kunden wie Sétif bedeutet jede Minute Vorlaufzeit im Transportnetz einen Umsatzverlust. Jede Minute, die wir bei der Lösung von Wartungsproblemen zurückgewinnen können, reduziert diesen Verlust.”
Angefertigt wurden die benötigten Teile mit einem F370-Drucker von Stratasys. Drucker dieses Unternehmens sind bereits auch bei anderen führenden Playern der Bahnbranche im Einsatz – es scheint, dass sich Stratasys zum Partner der Wahl für AM-Bedarf in der Mobilitätsbrache entwickelt. Die Gummidrainage-Stopfen für Sétif fertigte Alstom aus einem hochbeständigen Elastomer-Material namens FDM TPU 92A. FDM ist die Abkürzung für Fused Deposition Modeling, zu Deutsch Schmelzschichtung. Durch die Kombination von Flexibilität und Dehnbarkeit mit Abrieb- und Reißfestigkeit erwies sich dieses Elastomer-Material als ideal für die Anforderungen des dauerhaften Außeneinsatzes.
„Wie wir in COVID-19-Zeiten gesehen haben, hat der 3D-Druck in gewisser Hinsicht seinen Wendepunkt erreicht, da immer mehr Hersteller diese Technologie nutzen, um ihre Produktionsflexibilität zu erhöhen und die Abhängigkeit von der Lieferkette zu reduzieren”, kommentiert Yann Rageul, Head of Manufacturing Business Unit for EMEA bei Stratasys. „Als langjähriger Kunde ist Alstom ein leuchtendes Beispiel für diese Unternehmen, die seit vielen Jahren Pionierarbeit bei der Nutzung der additiven Fertigung für die Ersatzteilproduktion leisten. Nicht nur zur Optimierung der eigenen Effizienz, sondern auch, um für ihre Kunden innovative Lösungen zu liefern, die mit einer traditionellen Fertigung einfach nicht realisierbar wären.”
Im Mai 2021 erweiterte der französische Bahnkonzern seine Kapazitäten in Barcelona bedeutend. Die neuen Räumlichkeiten verfügen über einen Komponentenscanner, zehn FDM-Industriedrahtmaschinen und drei SLA-DLP-Harzgeräte. So können Druckwerkzeuge für Industriezentren und Prototypen erstellt werden, um Designs, Formen und Serienteile zu validieren. Zwischen April 2020 und März 2021 entwarf der Hub mehr als 258 verschiedene Arten von Teilen, wobei insgesamt 13 978 Elemente hergestellt wurden. Das führte zu einer erheblichen Zeitersparnis. (hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
Artikel Redaktion Eurailpress