Stadler: Großauftrag für SBB, Erstbestellung aus Neuseeland

Über 510 Flirt-Züge darf Stadler demnächst an die SBB liefern; Quelle: Stadler

Der Schweizer Bahnhersteller Stadler konnte sich nach eigenen Angaben als Sieger der größten Ausschreibung in der Schweizer Bahngeschichte durchsetzen. Die SBB hat gemeinsam mit Thurbo und RegionAlps Stadler den Zuschlag für einen Rahmenvertrag über die Lieferung von bis zu 510 einstöckigen Triebzügen des Typs FLIRT erteilt.

Das Auftragsvolumen des Erstabrufs beläuft sich auf rund zwei Miliarden Schweizer Franken. Die Fahrzeuge werden komplett in Bussnang hergestellt mit einem Schweizerischen Wertschöpfungsanteil von gegen 75 Prozent.

Zum ersten Mal darf Stadler auch Schienenfahrzeuge nach Neuseeland liefern. Das staatliche Unternehmen KiwiRail – es ist für das nationale Schienennetz Neuseelands zuständig und betreibt den neuseeländischen Schienengüterverkehr sowie Fährdienste zwischen den Inseln – unterzeichnete mit Stadler einen Rahmenvertrag und einen ersten Lieferabruf für die Entwicklung und die Herstellung von 57 Streckenlokomotiven. Im Rahmen dieses Vertrags wird Stadler eine hochmoderne Co’Co’-Schmalspurlokomotive liefern. Diese ist auf die Anforderungen und die spezifischen Betriebsabläufe von KiwiRail zugeschnitten und enthält bewährte Komponenten und Systeme. Die neuen Lokomotiven werden im Güter- und im Personenverkehr eingesetzt, vor allem auf der Südinsel mit ihrer anspruchsvollen Streckentopografie.

Die Schmalspurlokomotiven mit zwei Kabinen sind mit einem Dieselmotor mit einer installierten Leistung von 3000 kW ausgestattet. Dieser ermöglicht KiwiRail in vielen Fällen, die Züge mit weniger Lokomotiven zu betreiben als beim derzeitigen Service.

Jede der beiden Kabinen wird in enger Zusammenarbeit mit KiwiRail und nach den neusten europäischen Standards entworfen, um ein ergonomisches, komfortables und sicheres Arbeitsumfeld für die Ingenieurinnen und Ingenieure von KiwiRail zu schaffen. Die Lokomotiven werden die neueste europäische Abgasnorm (Stufe V) erfüllen. Neuseeland möchte bis 2055 emissionsfrei werden.

Nicht zufrieden ist Stadler hingegen mit den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Diese hatten 2019 ein Ausschreibungsverfahren über die Beschaffung von bis zu 186 Doppelstocktriebzügen gestartet. Nach einem über zwei Jahre andauernden Vergabeverfahren haben die ÖBB das von Stadler abgegebene Angebot als das kommerziell und technisch beste Angebot bewertet und Stadler den Zuschlag erteilt. Den Vergabeentscheid der ÖBB hat das österreichische Bundesverwaltungsgericht im september 2021 überraschend wegen eines angeblichen Formfehlers für nichtig erklärt. Stadler hätte erwartet, dass die ÖBB gemäß dem österreichischen Vergabegesetz die möglichen Mängel nachträglich zu verbessern erlaubt. Stattdessen haben die ÖBB Stadler mitgeteilt, dass sie durch den erstinstanzlichen Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts gezwungen sind, den Zuschlag an Stadler zu widerrufen. Die Ausschreibung soll somit wiederholt werden. Damit dürfte der geplante Zeitplan für die Auslieferung der zu bestellenden Fahrzeuge nicht mehr haltbar sein. Gegen diesen Entscheid der ÖBB wird Stadler nach eigenen Angaben Rekurs einlegen.

Insgesamt nahm Stadler mit einem Bestellungseingang von 3,1 Milliarden Schweizer Franken (ca. 3,33 Milliarden Euro) im ersten Halbjahr 2021 eine „stabile Entwicklung auf einem hohen Niveau“, hieß es bei Stadler auf der Halbjahres-Bilanzkonferenz am 25. August 2021. Darin nicht enthalten sind ursprünglich noch vor Ende Juni erwartete Vergabeentscheide einzelner Grossprojekte. Der Auftragsbestand steigt dennoch auf ein neues Rekordhoch von 17.9 Milliarden Schweizer Franken (31. Dezember 2020: 16.1 Milliarden Schweizer Franken).

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Lieferketten, die Zulassungs- und Auslieferungsprozesse sowie das Servicegeschäft sind weiterhin spürbar. Dennoch ist es Stadler gelungen, an die Erholung in der zweiten Jahreshälfte 2020 anzuknüpfen und pandemiebedingte Verzögerungen bei den Abnahmen neuer Fahrzeuge weiter aufzuholen. Zudem konnte das Servicegeschäft weiter vorangetrieben werden.

Dies führt insgesamt zu einem deutlichen Anstieg des Umsatzes um 52 Prozent auf 1.4 Milliarden Schweizer Franken gegenüber 0.9 Milliarden Schweizer Franken in der Vorjahresperiode. Der Ebit beläuft sich in der ersten Jahreshälfte 2021 auf 48.9 Millionen Schweizer Franken (3.5 Prozent Ebit-Marge), gegenüber 5.0 Millionen Schweizer Franken (0.5 Prozent Ebit-Marge) in der Vorjahresperiode. Auf Stufe Reingewinn verbuchte Stadler im ersten Halbjahr 2021 einen Gewinn von 26.3 Millionen Schweizer Franken gegenüber 15.7 Millionen Schweizer Franken in der Vorjahresperiode, was einem Anstieg um 67 Prozent entspricht. (red./st/hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
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