Bahnverbände: Förderung erhöhen, Verkehrswende ernst nehmen

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Wegen der Pandemie-bedingten Verdienstausfälle bei Bahnunternehmen und des Streckenausbaus stellen Verbände verschiedene Forderungen - mit unterschiedlichen Akzenten.

Die durch die Deutsche Bahn angekündigte Ausweitung des Angebots im Fernverkehr zur Gewährleistung von Corona-Schutzabständen in den Zügen, obwohl es weniger Nachfrage gibt, betrachtet  das Bündnis für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr mofair als einen „impliziten Verkehrsvertrag zwischen dem Bund und dem Staatsunternehmen Deutsche Bahn AG“. „Der Bund fordert angesichts der Pandemie, dass das Angebot ausgeweitet wird“, sagte mofair-Präsident Christian Schreyer. „Das geht rechtlich sauber nur über eine Notvergabe der Leistungen an die DB Fernverkehr. Im Gegenzug müssen die Kosten transparent gemacht werden.“

Dass die DB Fernverkehr gemeinwirtschaftliche Leistungen erbringt, sei spätestens jetzt nicht mehr zu bestreiten. Wie derzeit in Österreich praktiziert müsse sich die deutsche Bundesregierung aber legal verhalten. Schreyer: „Eine Notvergabe ist die einzige nach EU-Recht vorgesehene Möglichkeit, einem Eisenbahnverkehrsunternehmen Geld für gemeinwirtschaftlich notwendige Leistungen zukommen zu lassen. Mindestens gemäß ihrem bisherigen Marktanteil müssen auch die anderen Fernverkehrsanbieter auf der Schiene berücksichtigt werden.“

NOTVERGABEN WIE IN ÖSTERREICH

Zur Aufrechterhaltung des Bahnverkehrs zwischen Wien und Salzburg bestellte das in Österreich zuständige Klimaschutzministerium bei den ÖBB und der konkurrierenden WESTbahn zum zweiten Mal in 2020 einen dichten Verkehrstakt auf dieser Strecke. Tickets werden gegenseitig anerkannt. Der Auftrag im Rahmen einer Notvergabe umfasst ein Volumen von rund 45 Millionen Euro - 37 Millionen für die ÖBB und 7,5 Millionen für die WESTbahn zwischen dem 16.11.2020 und dem 7.2.2021. Günter Blumthaler, Vorsitzender des Fachbereichs Eisenbahn in der Gewerkschaft vida, begrüßte diesen Entschluss. Er forderte, das Ministerium müsse einen Entlassungsstopp mit der Zahlung verbinden. Bei der WESTbahn sollen derzeit wegen Corona 50 Mitarbeiter*innen entlassen werden.

Kritisch sieht mofair einseitige öffentliche Stützung der Deutschen Bahn: „Eine Eigenkapitalaufstockung zum Ausgleich von Unternehmensverlusten, die aufgrund der Übernahme von Leistungen, die ohne Gewinnaussicht im öffentlichen Interesse erbracht werden, ist grundsätzlich der falsche Weg. Daher kann die EU-Kommission einer Eigenkapitalerhöhung für diesen Zweck nicht zustimmen. Die Bundesregierung weiß dieses und hat daher bislang den Antrag zur Notifizierung dieser staatlichen Beihilfe noch nicht einmal gestellt, weil sie wettbewerbsschützende Auflagen fürchtet.“

TRASSENPREISSENKUNG

Im Gegensatz dazu hält dies die Allianz pro Schiene für „notwendig und richtig, um die massiven Corona-Schäden auszugleichen“. Allerdings bemängelt das Verkehrsbündnis, dass diese Kompensation nicht an alle Unternehmen der Branche geht. Denn auch die Wettbewerbsbahnen ständen durch den massiven ökonomischen Einbruch schwer unter Druck. Geschäftsführer Flege: „Eine weitere Trassenpreissenkung bleibt angesichts der schwerwiegenden Corona-Lasten auf der Tagesordnung. Sie käme dem gesamten Schienensektor zugute. Das ist gerade in diesen schweren Zeiten überfällig.“

Lob erhielt zugleich der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags für Korrekturen an der Regierungsvorlage des Bundeshaushalts. Zu den hilfreichen Korrekturen des Regierungsentwurfs durch die Abgeordneten zählt die Schienenallianz eine zusätzliche Ermäßigung der Anlagenpreise in Rangierbahnhöfen. Diese Förderung wurde von 40 Millionen auf 80 Millionen Euro aufgestockt. „Ein kleiner, aber wichtiger Schritt, um den Schienengüterverkehr in der Konkurrenz mit besonders klimaschädlichen Verkehrsträgern zu stärken“, betonte Flege.

Dazu passe auch die Reduzierung der umweltpolitisch äußerst fragwürdigen staatlichen Subvention für Gas-Lkw. Hier hat der Haushaltsausschuss die Streichung der Kaufprämien durchgesetzt. „Aus der Dreifach-Subventionierung durch Kaufprämien, Energiesteuer-Nachlass und Maut-Begünstigungen wird eine Zweifach-Subventionierung“, so Flege. „Immerhin ein erster Schritt hin zu mehr Vernunft bei den staatlichen Verkehrssubventionen.“

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Torsten Herbst, Obmann im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, pocht auf eine weitere Absenkung der Trassenzugangskosten: „Anstatt allein der Deutschen Bahn AG mit Milliarden-Subventionen zu helfen, sollten diese Mittel für eine befristete Senkung der Trassenpreise eingesetzt werden. Eine solche wettbewerbsneutrale Unterstützung des Schienenverkehrs für alle Eisenbahnunternehmen wäre nicht nur gerechter, sie ließe sich vor allem viel schneller umsetzen. Denn bis heute ist vollkommen unklar, ob und wann die Europäische Kommission die Beihilfe für die Deutsche Bahn AG genehmigt.“

Nicht zuletzt könne durch eine Trassenpreissenkung auch vermieden werden, dass mit dem Geld Finanzlöcher der DB AG gestopft werden, die bereits lange vor Beginn der Corona-Pandemie existierten.

NEE WILL IN DB NETZ-AUFSICHTSRAT

Corona-Hilfen auf gleichem Niveau wie für den bundeseigenen Mitbewerber DB Cargo fordert von der deutschen Bundesregierung das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE). NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling: „Wir liefern – auch in der Krise. Dafür erwarten wir mehr als warme Worte von der Politik und eine deutlich stärkere Kundenorientierung unseres wichtigsten Dienstleisters, der DB Netz AG.“

Mit einem stetig wachsenden Marktanteil von mittlerweile deutlich mehr als 50 Prozent „halten wir es für überfällig, dass die nicht zur DB gehörenden Eisenbahnverkehrsunternehmen (…) im Aufsichtsrat vor allem der DB Netz AG eine Vertretung erhalten.“ argumentierte der Verband bereits im Dezember 2018 in einem Schreiben unter anderem an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der DB Netz AG, Ronald Pofalla, das aber unbeantwortet blieb. Jetzt wiederholt das Netzwerk – es will in den Aufsichtsrat des deutschen Infrastrukturbetreibers.

Not amused ist das Güterbahnen-Netzwerk NEE auch über den Stand des Ausbaus der deutschen Schieneninfrastruktur. Nur zweieinhalb Kilometer neues Gleis auf der Main-Weser-Bahn und drei Überholgleisverlängerungen kommen 2020 beim bundeseigenen Schienennetz hinzu. Mitverantwortlich für diesen wenig imposanten Umstand ist der Bund. „Die vier Maßnahmen sind äußerst sinnvoll, aber viel zu wenig. Für die Klimaschutzziele bleibt das unter der Nachweisgrenze.“, bringt es NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling auf den Punkt. Während das deutsche Straßennetz jährlich um rund 10.000 Kilometer wächst, stagniert der Schienenausbau nicht erst seit diesem Jahr. Der Verband hatte im April 2019 eine Analyse vorgelegt, der zufolge vom Jahr der Bahnreform 1994 bis 2018 nur 1.709 Kilometer Schiene, aber zeitgleich etwa 250.000 Kilometer Straßen neu gebaut wurden. 2019 wurde lediglich eine 600 Meter lange S-Bahn-Strecke fertiggestellt.

STRECKENAUSBAU BESCHLEUNIGEN!

Kerkeling weiter: „Wir haben schlicht und einfach zu wenig Infrastruktur – der Güterverkehr soll wachsen und kommt schon heute an neuralgischen Punkten nicht durch. Es ist ja in der politischen Rhetorik wieder en vogue, die Bedeutung der Schiene für den Klimaschutz zu betonen. Aus gutem Grund. Dann wird es aber nun endgültig Zeit, den Worten auch Taten folgen zu lassen und die öffentlichen Gelder nicht mehr in Straßen, sondern in den Schienenausbau zu stecken.“ Es gäbe hunderte Einzelvorhaben – vom Großprojekt des viergleisigen Ausbaus zwischen Karlsruhe und Basel über kleine Maßnahmen wie ein zweites abzweigendes Gleis in Hagenow bei Schwerin bis hin zur Schließung der Elektrifizierungslücke zwischen Hof und Regensburg. Laut Kerkeling gelingt Bund und DB Netz deren Realisierung seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, nicht. Zunehmend drohten die unvollendeten Pläne zum Bremsklotz im Klimaschutz zu werden.

Immerhin: Die Strecke von München über Memmingen nach Lindau lässt sich ab 13. Dezember unter der neu gebauten Oberleitung zum ersten Mal elektrisch und nicht mehr dieselbetriebenen Zügen befahren. Allerdings hat die Umsetzung des Prestigevorhabens auf 155 Kilometer vorhandener Strecke seit der Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan 1992 fast 30 Jahre gebraucht. Anhand dieser Zahl lässt sich ermessen, wie lange es noch bis zur Schließung der über ganz Deutschland verteilten Elektrifizierungslücken dauern würde – außer der Bund denkt um und organisiert den konsequenten und flächendeckenden Ausbau der Schiene neu. Ludolf Kerkeling sagte dazu: „Für neue Strecken, fehlende Oberleitungen und die sogenannten kleineren und mittleren Maßnahmen im vorhandenen Netz sind zuallererst die DB Netz und das Bundesverkehrsministerium verantwortlich. Warum klappt der Tesla-Bau in Grünheide derart schnell, und warum funktioniert das beim Eisenbahnausbau nicht?“

Bei den vier Projekten handelt es um 2,5 Kilometer Gleisneubau im Stadtgebiet von Frankfurt am Main sowie drei Verlängerungen vorhandener Überholgleise in Eschweiler bei Aachen, Hamburg-Bergedorf und Schwarzenbek in Schleswig-Holstein. Auf den im Rahmen des 75 Projekte umfassenden „740-Meter-Programms“ verlängerten Überholgleisen können nun normallange Güterzüge schnellere Personenzüge überholen lassen.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Artikel Redaktion Eurailpress
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