Baustellenbesuch: Deutsch-dänischer Bahn-Strasse-Tunnel soll bis 2029 fertig sein

Emsig gearbeitet wird an der Tunnelbaustelle in Rødby; im Infozentrum zeigt ein Modell den angestrebten Endzustand; Quelle: Hermann Schmidtendorf

Beim Bahn- und Tunnelbau ist fast alles möglich. Die Deutsche Bahn hat eigene Imker, und die Baugesellschaft für den Fehmarnbelt-Tunnel zwischen Dänemark und Deutschland – vier Ziegen. Diese sollen die Vegetation auf einem Bahngelände im dänischen Rødby niedrig halten, damit sich dort seltene Pflanzen weiter entwickeln können.

Dieses Detail erfuhr eine Studienreisegruppe auf einer verkehrspolitischen Fachexkursion, die vom August-Bebel-Institut und dem Fachausschuss Mobilität der SPD Berlin Anfang Oktober 2021 veranstaltet wurde. Einer der Programmpunkte der Fahrt war die Besichtigung der Tunnelbaustelle. Der geplante kombinierte Schiene-Straße-Tunnel soll die deutsche Insel Fehmarn mit der auf der anderen Seite der Ostsee 18 Kilometer entfernt liegenden dänischen Insel Lolland und dem Fährhafen Rødby verbinden.

Vogelflug-Fährverbindung – ein voller Erfolg

Die deutsche Straßenverbindung nach Fehmarn und auch der regionale Bahnverkehr laufen seit 1963 über eine Brücke. Zusammen mit der Brückeneröffnung wurde in Puttgarden auf Fehmarn damals auch ein großer Fährbahnhof in Betrieb genommen. Von hier pendelten in dichtem Takt Fähren mit Zügen und Straßenfahrzeugen zwischen Puttgarden und Rødby. Der Streckenverlauf entsprach der Fluglinie der Zugvögel. Deshalb wurde auch von der "Vogelfluglinie" gesprochen.

Der Bahnhof hatte von Beginn an eine große Bedeutung, da ein großer Teil des schienengebundenen Güter- und Personenverkehrs von und nach Skandinavien über Puttgarden verschifft wurde. Das belegen auf dänischer Seite bis heute die ausgedehnten Rangieranlagen aus der Zeit, als die Güterzüge noch mit der Bahnfähre fuhren. Dazu gehören elf langgezogene Rangiergleise – der Einsatzplatz der eingangs genannten Ziegen.  

Doch 2019 wurden der internationale Schienenfernverkehr und der Schienengüterverkehr endgültig eingestellt. Seitdem transportieren die Fähren nur noch Straßenfahrzeuge und Fußgänger. Auf der Fähre nach Dänemark erklärte dem bahn manager der sozialdemokratische Bahnexperte aus Berlin Dr. Jürgen Murach Geschichte und Zukunft der Bahnverbindung.

„Vor dem Zweiten Weltkrieg ging der Fährverkehr von Hamburg und von Berlin über Rostock und Warnemünde nach Getser. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag jedoch Warnemünde in der DDR. Da musste man im Westen zunächst ein Provisorium schaffen. Die Verbindung lief dann über einen Fährhafen Großenbrode nach Getser. Die Fahrzeit war über zwei Stunden. 1963 gab es die Verbesserung durch die Vogelflug-Linie mit der Fähre und der neuen Brücke. Das führte zu einer Verkürzung der Fahrt für Schnellzüge aus Richtung Frankfurt und München um über 90 Minuten.“

2019 war Ende für Schienenverkehr per Fähre

Doch rückläufige Passagierzahlen machten den Zugfährverkehr mit Reisezügen nach Meinung vor allem der Deutschen Bahn unrentabel. Auch hohe Transportzahlen im Güterverkehr - im Jahr 2010 wurden mehr als 11 Millionen Tonnen Güter auf der Vogelfluglinie transportiert – reichten offenbar nicht aus. Der Schienenfernverkehr per Fähre wurde eingestellt. Derzeit erreichen Züge aus Skandinavien Deutschland nur auf einem Umweg durch ganz Dänemark und den Norden Deutschlands. So braucht man heute eine schnelle Verbindung - in vier Stunden von Berlin nach Kopenhagen und in drei Stunden von Hamburg nach Kopenhagen – um im Wettbewerb mit Flugzeug und Lastwagen wieder mithalten zu können. 

Die Lösung soll deshalb der Bau eines Straßen- und Eisenbahntunnels unter dem Fehmarnbelt von Rødby nach Puttgarden sein. Die geschätzten Baukosten belaufen sich auf bis zu acht Milliarden Euro. Sie werden komplett vom dänischen Staat getragen. Der deutsche Staat wird nach derzeitigem Planungsstand für die modernisierte Weiterführung von Autobahn und Gleisen etwa zwei Milliarden Euro ausgeben - das ist ein Viertel der dänischen Ausgaben.

Deutschland plant, die Fehmarnbeltquerung über eine zweigleisige, elektrifizierte, rund 88 Kilometer lange Trasse zwischen Lübeck und Puttgarden anzubinden. Sie soll nur zu rund einem Viertel auf der bestehenden Trasse zwischen den beiden Städten verlaufen und ansonsten neu errichtet werden. Zwischen der Insel Fehmarn und dem deutschen Festland soll dabei ebenfalls ein kleinerer Absenktunnel gebaut werden. „Ein wichtiges Projekt, damit mehr Verkehr vom Flugzeug auf die Schiene verlagert werden kann“, findet der Berliner Verkehrsexperte Dr. Murach. „Wenn dieser Tunnel fertiggestellt ist, kann die Fahrzeit um über zwei Stunden verkürzt werden. Der Zeitrahmen ist jetzt besser kalkulierbar, weil wir die schwierige Phase des Planfeststellungsverfahrens durchschritten haben. Wir haben Baurecht, und auf dänischer Seite wird gebaut. Bisher sieht es so aus, als wenn der Tunnel im Jahre 2029 fertig ist.“

Tunnelarbeiten laufen voll hoch

Auf deutscher Seite sahen wir nur eine Bohrplattform im Wasser, welche die Beschaffenheit des Bodens an der geplanten Baustelle für den Tunnel untersucht. In den dänischen Gewässern waren schon mehrere Baggerschiffe beim Ausheben des Grabens, in welchen unter Wasser der Tunnel verlegt werden soll. Das ausgehobene Erdreich wird an Land wieder aufgeschüttet. So soll dort das Festland bei Rødby  auf einer Breite von drei Kilometern um 500 Meter weiter als jetzt ins Meer reichen. Wer kennt sich mit Landgewinnung am besten aus? Richtig - die Holländer! Deshalb sind auch niederländische Fachleute an den Arbeiten beteiligt.

Was für Züge sollen den Personenverkehr bedienen? „Es werden schnelle Züge sein, die in Dänemark mit über 200 Stundenkilometer, teilweise 250 Stundenkilometern, verkehren, in Deutschland nur mit 160 km/h“, erläutert Dr. Murach. „Aber das ist ja auch schon ein Fortschritt. Und wir werden eine zweigleisige elektrifizierte Strecke zwischen Puttgarden und Lübeck haben. Es gibt schon die ersten Ausschreibungen, Gespräche der Dänischen Staatsbahn mit der Schienenfahrzeug-Industrie. Es sieht so aus, als wenn Siemens sehr viele ICE Fahrzeuge liefern wird. Das werden Zwei-System-Züge sein von der Strom-Spannung her. Die Strecke wird von Anfang an auf ETCS ausgestattet, damit entfällt das Problem der unterschiedlichen Zug-Sicherungssysteme.“

Kommen auch Direktzüge nach Berlin?

Die meisten Züge werden in Hamburg enden. „Aber die DB Fernverkehr überlegt durchaus, auch einige Züge über die Abkürzung von Lübeck und Schwerin/Ludwigslust zu führen. In Bad Kleinen müsste noch die Verbindungskurve realisiert werden. Die hat aber im Bundesverkehrswegeplan einen sehr guten Wert im standardisierten Bewertungsverfahren. Wenn alles gut geht, wird auch diese Strecke zeitnah in Betrieb gehen. Für die Berliner wäre das eine Abkürzung, man braucht dann nicht über Hamburg zu fahren. Die Züge werden in Ludwigslust abbiegen, gleichzeitig wäre die Landeshauptstadt Schwerin angebunden. Das würde auch zur Entlastung von Hamburg Hauptbahnhof beitragen.“

Generalinvestor des Tunnels ist die dänische Gesellschaft Femern A/S. Im Informationszentrum in Rødby zeigte ein großes Modell im Querschnitt den geplanten Tunnel, aber auch die auf dänischer Seite über dem Tunnel an Land entstehenden Bauwerke. Wichtig ist die Fabrik mit der Größe von 140 Fußballfeldern, in der die Tunnel-Segmente vor Ort angefertigt werden sollen. Die 79 Standardelemente mit einer Länge von 217 Metern und zehn kürzere Spezialelemente werden dann an die Stelle im Belt gebracht, wo sie ins Meer abgesenkt und miteinander verbunden werden.

Zur Begrüßung der Berlin-Brandenburger Verkehrsexpertengruppe war auch der Direktor für Deutschland von Femern A/S erschienen. Lars Friis Cornett gehört zur dänischen Minderheit in Norddeutschland. So ist er die ideale Besetzung für seine Position, weil er die Mentalitäten beider Seiten versteht. Der bahn manager hatte den sympathischen deutschen Dänen bereits 2019 persönlich getroffen und von ihm einen Beitrag veröffentlicht, so gab es ein herzliches Wiedersehen.

Betonfabrik für Tunnelelemente als Dauerprojekt

Die neuen Bauten auf dänischer Seite sollen möglichst lange genutzt werden. Dazu gehört auch ein Arbeits-Hafen mit der Größe von 500.000 Quadratmetern - doppelt so groß wie der jetzt bestehende Hafen von Rødbyhavn. Hier werden die Materialien für den Bau der Tunnelelemente per Schiff angeliefert. Wenn dieser Tunnel fertig sein wird, sollen Hafen und Fabrik zum Bau der Elemente für andere Tunnel genutzt werden. Dänemark liebt Tunnel. Man ist überzeugt, dass ein Tunnel ein kleinerer Eingriff in die Natur ist als der Bau von Brücken. Und die neu zu schaffende Landfläche soll als Natur- und Erholungsgebiet genutzt werden.

Auf der langgestreckten Baustelle an der Küste von Rødby war deutlich zu sehen: Hier wird mit Hochdruck gearbeitet, um den Zeitplan einzuhalten. Allein in der Betonfabrik für die Tunnelelemente werden mehrere tausend Personen beschäftigt zu sein, das wird somit einer der größten Produktionsstandorte in ganz Dänemark sein. Der Tunnelbau ist ohne Zweifel eine große Maschine zur Ankurbelung der Konjunktur.  Nach 28 Jahren soll sich die Investition amortisiert haben - dann erhofft sich Dänemark steten Gewinn aus der Mauteinnahme.

Die maximale Tiefe des Fehmarnbelts beträgt 35 Meter und die Außenhöhe des Tunnels etwa neun bis zehn Meter. Daher muss der Graben an der tiefsten Stelle um die 45 Meter unter der Wasserlinie liegen. Die vorgefertigten Betonelemente werden jeweils 73.000 Tonnen wiegen. Der Tunnel wird zwei Bahngleise, zwei zweispurige Fahrbahnen und eine Rettungsröhre umfassen.

Der Tunnel ist so konstruiert, dass laufende Unterhaltungsarbeiten ohne Sperrung einer Fahrbahn geleistet werden können. Autos werden den Tunnel bei einer Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h innerhalb von 10 Minuten durchqueren. Züge dürfen im Tunnel 200 Stundenkilometer fahren und brauchen dann für die Passage nur sieben Minuten. Der Tunnel und seine Systeme werden mit Ökostrom betrieben. Es wird ein Tunnel der Superlative: der längste Absenktunnel der Welt, der längste und tiefste Straße-Schiene-Tunnel der Welt.

Bis es soweit ist, wird noch viel zu tun sein. Fürs erste fuhr der bahn manager traditionell mit der Fähre und dann von Fehmarn mit dem Zug über die Brücke zurück aufs deutsche Festland. Ein Filmbericht zu der Besichtigung findet sich unter: https://youtu.be/QCprMwj798o  (red./hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
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