Bombardier - Alstom: Werke Siegen und Belfort mit guter Zukunft – SBB Infra erhält Prima H4-Loks

Foto: hfs / bahn manager

Ein bahn manager-Besuch der Standorte Bombardier Siegen und Alstom Belfort ergab: Beide Werke arbeiten hochmodern und zukunftsträchtig. Die Produktion von Alstom-Prima H4-Lokomotiven für SBB Infra ist gut im Plan.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Bei einem Besuch im französischen Alstom-Werk Belfort Ende letzten Jahres wurde dem bahn manager eine eigene Halle gezeigt, in welcher konzentriert auf einen Platz die insgesamt 47 Lokomotiven der Type Prima H 4 für das Schweizer Infrastruktur-Unternehmen SBB Infra entstehen. Es handelt sich um eine Hybridversion mit elektrischem Oberleitungsantrieb und zusätzlichem Dieselmotor, so dass zum Beispiel auch Verschiebearbeiten auf nicht elektrifizierten Bahngeländen vorgenommen werden können. Die neuen Lokomotiven ersetzen am Lausanne Rangierbahnhof die SBB-Diesellokomotiven der Baureihe Am 841 aus dem 1990er sowie verbliebene Ee6/6ii aus den 1980er Jahren.

„Die SBB hat sich im Vorfeld ganz genau überlegt, was sie ausschreibt“,

erklärte dem bahn manager Alstom-Projektleiter Gerald Hauser in Belfort. „SBB hat heute eine sehr gemischte Flotte im Einsatz für die verschiedenen im Neudeutsch use cases, für die verschiedenen Einsatzfälle. SBB muss auf der einen Seite Material haben, um die Infrastruktur zu warten, also die Gleise zu warten, Gleise neu zu bauen, neu zu verlegen, einzuschottern und so weiter. Auf der anderen Seite hat es einen Bedarf an Rangierfahrzeugen. Dazu werden heute ganz verschiedene Typen eingesetzt in kleiner Anzahl, was natürlich die Betriebskosten für diese Fahrzeuge nicht gerade günstig macht. Das heißt, sie müssen für jeden Fahrzeugtyp eine eigene Wartungsphilosophie haben. Sie haben für jeden Fahrzeugtyp eigene Ersatzteile. Das ist sehr kostenaufwendig. Deshalb hat man sich dann entschieden, ein Standardprodukt, zu definieren und das auszuschreiben, welches alle diese Einsatzfelder abdeckt.“

Die neuen H4-Lokomotiven haben im Elektrobetrieb eine nominale Leitung von 2.000 kW / 1.735 kW und bringen im Dieselbetrieb maximal 900 kW. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 120 km/h, der Dieseltank hat ein Volumen von 3.000 Litern. Es kann in Mehrfachtraktion mit bis zu vier Lokomotiven gefahren werden. Gerald Hauser: „Es gibt Anforderungen an sehr genaue Geschwindigkeits-Regelungen. Sie brauchen sie zum Einschottern, und sie brauchen sie eben auch für den automatischen Betrieb im Bahnhof Limmattal zum Beispiel. Sie haben sowohl auf Baustellen als auch in den Rangierbahnhöfen teilweise nichtelektrifizierte Gleise. Das bedeutet wiederum, Sie müssen schauen, wenn Sie eine Maschine definieren, dass sie auch autonom betrieben werden kann. Darüber hinaus ist die SBB in der Umsetzung eines neuen Wartungskonzeptes, demzufolge die Gleiswartungen vermehrt über das Wochenende und in der Nacht passieren. Das heißt, Sie haben weniger Zeit zur Verfügung, um die gleiche Arbeit zu machen.“

Das komplette Interview ist zu lesen in der aktuellen Ausgabe des bahn managers 4-5/2020 und zu sehen als Video auf der Bewegtbild-Plattform des bahn managers unter dem Link: https://youtu.be/XLqkG1kFBBM

Die Werke Alstom Belfort und Bombardier Siegen haben turbulente Zeiten hinter sich. Im Jahr 2016 verkündigte Alstom, dass sich das Werk in Belfort zukünftig auf Dienstleistungstätigkeiten konzentrieren werde, da nicht genügend Bestellungen für Bahnfahrzeuge vorhanden seien. Der damalige französische Präsident François Hollande beschloss jedoch, die über 450 Arbeitsplätze und die Schienenproduktion in Belfort zu erhalten. Dies wurde durch den Kauf von weiteren 27 TGV-Zügen durch den Staat erreicht. Im Gegenzug investierte Alstom in die Entwicklung neuer Lokomotivserien. Dazu gehört die Prima-Plattform, auf welcher jetzt unter anderem an die SBB Infra produziert wird. Das Werk präsentiert sich jetzt in blendender Verfassung.

Ähnlich gut sieht es im Bombardier-Werk Netphen aus, einem Ort etwa 100 Kilometer östlich von Köln, zur besseren Orientierung nach der nächstgelegenen größeren Stadt auch Standort Siegen genannt. Nach mehreren Eigentümerwechseln war die Zukunft des Standorts unsicher gewesen, doch dann ist hier 2003 der Servicebereich fast aus dem Nichts entstanden, berichtete gegenüber bahn manager der Bombardier-Standortleiter Thorsten Linke: „Ich denke, ein wichtiger Meilenstein für diesen Standort war 1996, als entschieden wurde, diesen Standort weiterzuentwickeln vom Güterwagenfertigungsstandort zum Drehgestell-Kompetenzzentrum. Die Mitarbeiter-Anzahl war damals auf 280 Mitarbeiter geschrumpft. Heute können wir wieder stolz eine Zahl von über 850 Mitarbeitern nennen.“

In den letzten Jahren wurden am Standort Siegen 37 Millionen Euro investiert, betont Linke. „Das Drehgestell-Technologiezentrum ist nur ein Beispiel dafür, dazu kommt zum Beispiel das Radsatz-Zentrum, das wir 2011 geschaffen haben, um freier zu sein von der Zulieferindustrie und selber auch den Entwicklungsschritt zu machen. Nicht nur die Entwicklung von Radsätzen, sondern auch die Produktion von Radsätzen zu führen und in der eigenen Hand zu haben, war ein Meilenstein für uns.“ Die Mitarbeiter haben, so Linke, „durchschnittlich 11 Jahren Betriebszugehörigkeit! Diese kulminierte Erfahrung der Belegschaft ist wesentlicher Bestandteil unseres jetzigen Erfolgs."

Eine Foto-Reportage aus den beiden Werken ist in der aktuellen Ausgabe des bahn managers 4-5/2020 zu lesen. Ein Videobericht aus Belfort findet sich auf der Bewegtbild-Plattform des bahn managers unter dem Link:  https://youtu.be/L5INlA_XAr8

Artikel Redaktion Eurailpress
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