Christoph KRaller ist neuer Geschäftsführer der DB Regionetz Verkehrs- und Infrastruktur GmbH

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Nach fast 20 Jahren gibt Dr. Jürgen Dornbach aus persönlichen Gründen die Leitung der DB Regio-Netze ab. Sein Nachfolger Christoph Kraller war bisher Geschäftsleiter des größten Regio-Netzes Südostbayernbahn. Die derzeitigen Bestandteile der Gesellschaft sollen wie bisher eigenständige Profitcenter bleiben, doch der bisherige Verkehrsbetrieb Gäubodenbahn (Bayern) sowie die Vertriebseinheit Vertriebsservice Ostbayern werden perspektivisch in die Südostbayernbahn integriert.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Der jetzt scheidende Dr. Dornbach ist ein Veteran. Er war von Anfang an dabei, als 2000 der damalige Chef der Deutschen Bahn Hartmut Mehdorn eine „DB-Mittelstandsinitiative“ ausrief. Der Begriff verbrämte, dass man von der entstandenen Konkurrenz aus Privat- und Kommunalbahnen lernen wollte, die der DB Regio seit der Bahnreform 1994 das Leben schwer machte. Plötzlich sollten, unerhört, zumindest manche der vor Ort Verantwortlichen der Deutschen Bahn persönliche Entscheidungsbefugnis bekommen!

Für das Experiment wurden bundesweit aus 9.000 Kilometern vorselektierter Bahnstrecken etwa 1.200 Kilometer Schienenwege in fünf zusammenhängenden Nebenbahnnetzen zusammengefasst, welche ab dem 1. Januar 2002 mit den dazugehörigen Bahnhöfen und Haltepunkten ausgegliedert vom DB-Gesamtkonzern betrieben wurden. Kern der Neuerung sollte die Anwendung von Low-Cost-Techniken und Verfahren zur Kostenreduzierung durch einfache Organisationsformen sein. Dabei sollten Infrastruktur und Verkehrsbetrieb so eng wie möglich verzahnt sein, auch wenn die gesetzlichen Bestimmungen einer organisatorischen und buchhalterischen Trennung von Infrastruktur und Verkehr einzuhalten waren.

FÜNF REGIONALNETZE, FÜNF ERFOLGSGESCHICHTEN

So entstand die DB Regionetz Verkehrs- und Infrastruktur GmbH mit den in jedem Teilnetz getrennt anzutreffenden Abteilungen DB RegioNetz Infrastruktur GmbH (RNI) und DB RegioNetz Verkehrs GmbH (RNV). Beide Gesellschaften sind hundertprozentige Töchter der DB Netz AG beziehungsweise der DB Regio AG. Bundesweit bestehen seither fünf Regio-Netze: Erzgebirgsbahn (Sachsen), Oberweißbacher Berg- und Schwarzatalbahn (Thüringen), Kurhessenbahn (Hessen), Westfrankenbahn (Bayern, Baden-Württemberg) und die Südostbayernbahn (Bayern) sowie das Fahrzeug- und Technologiezentrum Chemnitz. Sie alle arbeiten als eigenständige Profitcenter mit weitgehenden Entscheidungskompetenzen vor Ort.

Zunächst gab es nicht wenige Skeptiker. Sollte das ein Zwischenschritt sein, um weitere ungeliebte Nebenbahnen abzuwickeln? Eine Art Bad Bank à la Deutsche Bahn? Keineswegs! lobte im August 2003 ausgerechnet die Kapitalismus-kritische Tageszeitung Neues Deutschland. Unter der Überschrift „Regional und beweglich - Mittelstandsoffensive der Deutschen Bahn rettet Strecken vor der Stilllegung“ schrieb damals Erich Preuß unter anderem: „Eine Infas-Untersuchung gab der DB-Spitze Gewissheit: Das Zusammenspiel zwischen den Führungsgesellschaften der zerrissenen DB funktionierte nur unzureichend, kaum jemand durfte entscheiden, die DB erschien als schwerfälliges Unternehmen. In dem Punkt habe man von den Privaten gelernt, versichert Dr. Jürgen Dornbach, der Geschäftsführer des DB-RegioNetzes. Dornbach sitzt mit einem ganz kleinen Stab in Frankfurt (Main). Auch in anderer Hinsicht wurde das Geschäftsgebaren der Konkurrenten kopiert - und siehe da, die RegioNetze sind erfolgreich. Dornbach selbst macht das an steigenden Fahrgastzahlen, verbesserter Wirtschaftlichkeit und hoher Zufriedenheit der Kunden fest.“

Jetzt also heißt es Abschied nehmen für Dr. Dornbach. Zwar wird er seinem „Bahn-Baby“ auf Wunsch der Geschäftsführung und des Aufsichtsrates noch bis Ende 2022 beratend zur Seite stehen und dabei unter anderem konkrete Projekte bei der Kurhessenbahn im Rahmen des aktuellen Verkehrsvertrages vorantreiben. Doch mit einer Tour d’Honneur stellt Dornbach jetzt bei allen regionalen Auftraggebern seinen Nachfolger als Geschäftsführer, Christoph Kraller, vor.

DANKBARE ABSCHIEDSWORTE AN DR. DORNBACH

Bei Krallers Antrittsbesuch beim Nordhessischen Verkehrsverbund NVV fielen über den scheidenden Chef viele herzliche Worte.

"Der NVV dankt Herrn Dr. Dornbach für die langjährige beste Zusammenarbeit. Gemeinsam konnten NVV und Kurhessenbahn für die Landkreise Kassel und Waldeck-Frankenberg eine einzigartige Erfolgsgeschichte im Bahnverkehr umsetzen“,

sagte NVV-Geschäftsführer Steffen Müller. „Wir wünschen Herrn Dr. Dornbach das Beste für die Zukunft und wollen mit seinem Nachfolger Christoph Kraller eine ebenso vertrauensvolle Weiterführung der Arbeit umsetzen.“ Solch schmeichelhafte Worte über die Deutsche Bahn und ihre Repräsentanten wünschte man sich öfter! Die Regio-Netze werden mit Christoph Kraller als Sprecher sowie mit Cornelia Würtz und Gudrun Elser auch künftig von einer Dreier-Geschäftsführung geleitet werden.

Tatsächlich kann Dr. Dornbach über das Erreichte mehr als zufrieden sein. Schon 2005 vermeldete der SPIEGEL: „Die Ausgliederung hat nach Angaben der Bahn aber eine Reihe positiver Effekte: Die Kunden seien zufriedener, der Krankenstand niedriger und die Züge pünktlicher als im Personenverkehr des Gesamtkonzerns. Insgesamt habe die Bahn durch die Ausgründungen vor drei Jahren 50 Millionen Euro gespart.“

Und es gibt noch mehr Erfreuliches. Seit ihrer Gründung konnten die Regio-Netze auf ihren Strecken einen deutlichen Fahrgastzuwachs von 30 Prozent verzeichnen, heißt es bei der DB. Gleichzeitig wurde die Verkehrsleistung um 45 Prozent gesteigert. Heute liegt die jährliche Verkehrsleistung auf Basis von Verkehrsverträgen bei rund 17 Millionen Zugkilometern. Rund 20 Millionen Fahrgäste sind jährlich innerhalb der Regio-Netze unterwegs.

Angesichts erheblicher Finanzlöcher fordern Politiker immer stärker Strukturreformen beim DB-Mutterkonzern. Vielleicht muss die DB dabei gar nicht erst neu erfunden werden – es reichte aus, die Mehdorn’schen Experimentalnetze zu kopieren? Die DB-Zentrale sollte sich Dr. Dornbachs Expertise sichern – und seinen Ratschlägen dann auch möglichst folgen…

Artikel Redaktion Eurailpress
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