Corona-Schutz: Der Bart bleibt dran, geänderte Mobilität

Foto: Deutsche Bahn

Aufatmen bei Deutschlands Bartträgern: Bund und Länder machen im öffentlichen Raum, somit auch im Personennahverkehr und bei Bahnfahrten, sogenannte medizinische Masken verpflichtend, was auch heißt: Der Bart muss nicht ab.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Als medizinische Maske wird ein Mund-Nasen-Schutz bezeichnet, der auch im medizinischen Bereich genutzt wird. Die niedrigste Schutzstufe bieten sogenannte OP-Masken, die zumeist aus Vlies-Material gewirkt werden und an ihrem charakteristischen Faltenwurf erkennbar sind. Es sind Einmal-Produkte, die heute schon DB-Personale und auch viele Reisende sowie Besucher*innen von Geschäften nutzen. Der Schutz besteht vor allem für Dritte beispielsweise gegen Hustentropfen der Träger*innen.

HANDELSÜBLICHER MUND-NASEN-SCHUTZ IST OK

Die teureren FFP2-Masken (siehe den getrennten bahn manager-Online-Bericht) filtern hingegen in beide Richtungen 94 Prozent Viren-getränkter Aerosole, müssen dazu jedoch absolut dicht am Gesicht getragen werden. Dann erfahren Träger*innen eine erschwerte Atmung. Um diesen sogenannten Atemwiderstand möglichst gering zu halten, muss das Filtermaterial einerseits luftdurchlässig sein, andererseits aber auch die Partikel filtern. Daher wird das Filtermaterial elektrostatisch geladen. Dann bleiben Partikel, die aufgrund ihrer kleinen Größe eigentlich das Filtermaterial passieren würden, am Material haften. Nach etwa acht Stunden Nutzung wird diese Wirkung so schwach, dass die Maske entsorgt und durch eine neue ersetzt werden muss.

Damit FFP2-Masken ihren erhöhten Schutz entfalten können, dürfen Träger keinen Bart haben. Da jetzt bei Zugfahrten und im ÖPNV auch einfache handelsübliche Vlies-Masken akzeptiert werden, heißt das: Der Bart bleibt dran. Bartträger haben dann aber einen schwächeren Eigenschutz als mit FFP2-Masken. Verbannt werden hingegen in Deutschland selbstgenähte einfache Stoffmasken, Schals und andere einfachste Formen des Mund-Nasen-Schutzes.

POP-UP-RADWEGE SIND LEGAL

Deutlich verändert haben sich die mobilen Verhaltensweisen während der Pandemie. Städte wie Berlin richteten kurzfristig zusätzliche städtische Fahrrad-Streifen ein, sogenannte Pop-Up-Radwege. Diese wurden gut angenommen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG 1 S 115/20) hob jetzt einen vorhergehenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin auf und erklärte: Die Pop-Up-Umwandlungen sind rechtmäßig. Darauf verweist die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und legt ein Gutachten zur schnellen und rechtssicheren Umwidmung von Verkehrsflächen in Pop-Up-Radwege vor, LINK: http://l.duh.de/p210107.

„Wir brauchen kurzfristig eine Verdopplung der Radwege und Halbierung der Pkw“,

erklärte  Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH. „Ausreichende sichere Radwege sind das zentrale Instrument für eine wirksame und schnelle Verkehrswende. In den kommenden Wochen werden wir in über 200 Städten neue formale Anträge stellen.“ In einer repräsentativen Umfrage des Bundesverkehrsministeriums von September 2020 bewerteten 70 Prozent der Menschen Pop-Up-Radwege als positiv.

WENIGER FLÜGE, MEHR AUTOFAHRTEN

Das Schweizer Unternehmen Teralytics stellte anonymisierte Mobilfunkdaten bereit, über deren Auswertung der Tagesspiegel berichtete. In welchen Zeiten und Bereichen verzeichneten die Mobilfunkmasten 2020 weniger Bewegungen als im Vorjahr, wann und wo war die Mobilität womöglich gleich oder noch größer? Ergebnis: Beim ersten Lockdown sanken die Bewegungen in Deutschland markant, doch im Herbst war die Mobilität fast auf Vorjahresniveau. Vor allem in deutschen Urlaubsregionen stieg die Betriebsamkeit teils über Vorjahresniveau – Urlaub im eigenen Land galt offenbar als sicherer, zumal in ländlichen Regionen.

Dabei gab es mehr Bewegungen innerhalb der Landkreise, also weniger Fernreisen, aber mehr Kurztrips. Ob das aus beruflichen Gründen, für Besorgungen oder als Freizeitbeschäftigung passiert, sagen die Daten nicht aus. Nach Angaben des statistischen Bundesamts hatten Campingplätze im August 2020 sogar 15 Prozent mehr Zulauf als im Jahr davor. An Großstädten ging hingegen der Trend zum Heimaturlaub weitgehend vorbei. Der Dachverband der Hotel- und Gastronomie-Branche DEHOGA stellte fest, dass in Berlin im September 2020 nur 40 Prozent der Zimmer belegt waren. 2019 hatte die Auslastung bei rund 90 Prozent gelegen.

Auch das Fortbewegungsmittel änderte sich durch die Pandemie. Die Mobilfunkdaten von Teralytics erlaubten es, Bewegungen über mehr als 30 Kilometer nach Verkehrsmittel aufzuschlüsseln. Erwartungsgemäß fliegen immer noch deutlich weniger Menschen als vorher. Die Zugnutzung ging stark zurück, pegelte sich aber bis zum zweiten Lockdown auf mittlerem Niveau wieder ein. Da die Zahl der Bewegungen insgesamt jedoch wieder fast auf Vorjahresniveau anstieg, kompensierte eine Zunahme im Individualverkehr offenbar die gesunkene Zahl der Zug- und Flugreisen. Das könnte auch den erhofften Einspareffekt bei Co2-Emissionen nivellieren. Dass die Mobilitätsdaten insgesamt noch etwas geringer als vorher sind, mag auch auf vermehrte Arbeit von zu Hause zurückzuführen sein.

MASKENPFLICHT FÜR DEUTSCHE PKW?

Entscheidungsträger in Deutschland sollten dieses Ergebnis zum Anlass nehmen, den Pkw-Verkehr stärker als Viren-Verbreiter wahrzunehmen. In Österreich sind die Regeln klar. Es gilt eine Pflicht zum Tragen von handelsüblichem Mund-Nasen-Schutz bei der gemeinsamen Benützung von Kraftfahrzeugen durch Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, sowie in Taxis und taxiähnlichen Betrieben. In Deutschland darf hingegen im Pkw auf die Maske verzichtet werden – egal, ob die Mitreisenden zum eigenen Haushalt gehören oder nicht. Das scheint angesichts der Schwere der Pandemie völlig unangemessen und bedeutet zudem eine Diskriminierung von Zug, Bus und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, in denen Reisenden ein solcher trügerischer „Komfort“ verwehrt ist.

Artikel Redaktion Eurailpress
Artikel Redaktion Eurailpress