Deutsch-Polnische Arbeitsgruppe Verkehr: Bundesverkehrsministerium verprellt Polen
Weitgehend enttäuschend verlief nach Informationen des bahn managers das jüngste Treffen der Arbeitsgruppe Verkehr der Deutsch-Polnischen Regierungskommission – auf deutscher Regierungsseite scheint nichts voran zu gehen.
Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager
Die Arbeitsgruppe Verkehr ist eine jener Institutionen, in denen Deutschland und Polen den Fortschritt der Zusammenarbeit in gemeinsam interessierenden Themenfeldern beraten wollen. Beim jüngsten Treffen am 20. Februar trat die polnische Regierungsseite nach Informationen aus gut unterrichteten deutschen Kreisen vorbereitet, konstruktiv und mit hochrangiger Delegation auf, zu welcher die Vizemarschälle der an Deutschland angrenzenden Wojewodschaften und Vertreter des Infrastrukturministeriums gehörten. Auf deutscher Seite leiteten die Versammlung der brandenburgische Staatssekretär für Europa und Beauftragter für Brandenburgisch-Polnische Beziehungen Jobst-Hinrich Ubbelohde sowie die Ansprechpartnerin für die Oder-Partnerschaft Ellen Kray, ebenfalls aus dem Brandenburger Ministerium der Finanzen und für Europa (MdFE).
Durch Abwesenheit brachte hingegen das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) einen undiplomatisch-unhöflichen Akzent in das Treffen. Zum Tagesordnungspunkt "Sonderprogramm Elektrifizierung" und "Elektrifizierung aus dem Kohlestrukturprogramm" hatte das BMVI der polnischen Seite berichten sollen, welche Fortschritte es beim Ausbau der Eisenbahnverbindungen im deutsch-polnischen Grenzgebiet gibt. Statt sich der polnischen Seite Auge in Auge zu stellen, verkündete offenbar die Verwaltung des Ministeriums schlicht vorab, es gäbe nichts zu berichten. Vertreten war der Bund nur durch das für Raumordnung zuständige Innenministerium, das aber in Bahnfragen nicht relevant ist.
Sieht so eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Polen aus? Polnische Gesetzgebung und Regierungspolitik kritisieren, gerne – aber die eigenen Hausaufgaben zu machen, ist nicht wichtig? Wo bleiben die öffentlichkeitswirksam verkündeten Milliarden-Investitionen in die deutsche Bahn-Infrastruktur, sollen sie entgegen den Zusicherungen den deutsch-polnischen Grenzraum umgehen? Und die Kritiken an langwierigen Planungsverfahren sind nur vorgeschoben, um eigenes Nichtstun zu kaschieren? Soll so erst ein betont nationaler polnischer Zorn gegen Deutschland geschürt werden, der sich dann wieder probat gegen das Land wenden lässt? Die auf der Konferenz anwesenden Vertreter der polnischen nationalen Ebene verdeutlichten jedenfalls, dass sie ihr Schienennetz auch in der nächsten EU-Förderperiode mit hoher Priorität ebenso Richtung Deutschland ausbauen würden.
Dabei machte der Verwalter der deutschen Bahn-Infrastruktur DB Netz deutlich, dass ein Handeln der zuständigen deutschen Regierungsseite dringend notwendig ist. Weder für die Elektrifizierung der 800 Meter langen Bahnstrecke von der deutsch-polnischen Staatsgrenze zum Hauptbahnhof Görlitz noch für die Elektrifizierung der Gesamtstrecke von Görlitz bis Dresden gäbe es eine Finanzierungsvereinbarung mit dem BMVI. Nur wenn es gelänge, in Kürze eine solche Vereinbarung mit dem Bund zu verabschieden, könnte DB Netz die Elektrifizierung von der Neiße-Brücke bis zum Bahnhof Görlitz bis 2026 und der Strecke Görlitz - Dresden bis 2029 umsetzen. Vorher könne man nicht einmal in die Vorplanungen einsteigen.
Das Verhalten zentraler deutscher staatlicher Stellen erstaunt auch deshalb, als die sie derzeit tragenden politischen Parteien laute Klagen über das Verhalten mitteldeutscher Wählerinnen und Wähler bei den Landtagswahlen anstimmen. Dabei wird durchaus eingestanden, dass sich Teile der Wählerschaft auch durch eigene Fehler von den alt eingesessenen Parteien weg bewegen, beispielsweise wegen der zu geringen Entwicklung des öffentlichen Verkehrswesens. Sollte das nicht erst recht dazu antreiben, nunmehr das gesamte Deutschland, also auch seine östlichen „Ränder“, im Bahnbereich zu entwickeln? Wenig hilfreich war da auch die Abwesenheit des Landes Mecklenburg-Vorpommern. So konnte nicht debattiert werden, ob endlich Vorplanungen zum Wiederaufbau der Bahnstrecke Ducherow – Swinoujście (Swinemünde) eingeleitet werden.
Die Vertreter von DB Netz betonten auch, sie seien entgegen dem BMVI der Auffassung, dass die Elektrifizierung und der zweigleisige Ausbau der „Ostbahn“ von Berlin nach Kietz-Küstrin/polnische Grenze hohe Priorität genießen sollten. Aber auch hier gelte: Ohne Finanzierungsvertrag sei nichts zu machen. Gleichzeitig mahnten, so die Informanden des bahn managers, die polnischen Vertreter bei der deutsch-polnischen Zusammenkunft weitere Aktivitäten zur Umsetzung des Memorandums zur Elektrifizierung und zum Ausbau der Ostbahn sowie zur Elektrifizierung des Abschnitts Guben - Staatsgrenze an. Die polnische Seite sei schon dabei, Vorplanungen für beide Strecken zu unternehmen – unter anderem aus dem Sonderprogramm "Kolej+" („Bahn +“). Sollte sich die deutsche Seite nicht schnell bewegen, riskiere man, dass es keine finanzielle Unterstützung durch die EU in der nächsten Förderperiode gibt.
DB Netz teilte weiterhin mit, dass die Streckensperrung der Ostbahn in Kietz wegen des Einbaus der neuen Brücke über die Oder zum Fahrplanwechsel im Dezember beginnt. Die Vorplanungen zum Ausbau der Bahnstrecke Angermünde – Szczecin (Stettin) seien gut vorangekommen und Ende März 2020 abgeschlossen. Dann könne mit dem Planfeststellungsverfahren begonnen werden. Positives gab es von einer unteren Ebene zu vermelden. So sind Kollegen der Deutsch-Polnischen Raumordnungskommission offenbar dabei, eine interaktive deutsch-polnische Eisenbahnkarte zu realisieren, in der alle möglichen technischen Parameter (Höchstgeschwindigkeit, Achslast, Signalsystem....) per Internet einsehbar sind. Damit können Zugfahrten demnächst besser geplant werden.