Frankreich: Stadtbahn „Grand Paris Express“ entsteht bis 2030

Bis 2030 soll die Südpariser Metrolinie 18 entstehen, doch der westliche Verlauf ist noch umstritten; Quelle SGP

Zur Sommerolympiade 2024 in Paris wird es nicht mehr klappen – als neues Datum für die Fertigstellung von 200 Kilometern Neubaustrecke der Express-Metro im Süden von Paris mit dem Namen Grand Paris Express (GPE) wird jetzt 2030 angegeben. Große Teile der Aufträge wurden bislang an Alstom vergeben, über den Westverlauf der Bahn wird noch gestritten.

Das neue, spätere Abschlussdatum für die Arbeiten ist teilweise durch die Pandemie bedingt, teilweise auch durch technische Probleme. Am weitesten fortgeschritten ist die zum Projekt gehörende Linie 14. Die Inbetriebnahme der Verlängerung der Linie 14 bis Mairie-de-Saint-Ouen im vergangenen Dezember verlief planmäßig. Die insgesamt 40 Kilometer lange Linie 14 soll ab Mitte 2024 eine direkte Verbindung vom multimodalen Bahnhof Pleyel zum Flughafen Orly anbieten. Dank der 120 Meter langen Triebzüge im 80-Sekunden-Takt soll hier schließlich eine Million Fahrgäste pro Tag befördert werden.

Bei den Bauarbeiten kommen mehr als zwanzig Tunnelbohrmaschinen zum Einsatz, davon zehn gleichzeitig. Am längsten wird der Bau der Linie 18 dauern. Sie ist die einzige des Projekts, die größtenteils oberirdisch und mit dem Lichtraumprofil der Pariser U-Bahn ausgeführt wird. Sie  verbindet Orly mit Versailles, soll aber auch das Saclay-Plateau erschließen. Der Gedanke, die vorhandene, ohne Fahrpersonal automatisch betriebene Stichlinie OrlyVal nach Massy und Sacley zu verlängern, wurde zugunsten der neuen Linie 18 verworfen. So erhält der Flughafenbahnhof eine Verbindung zwischen dem Flughafen Orly und Versailles-Chantiers, wobei die Züge der Linien 14 und 18 parallele Bahnsteige haben werden, um das Umsteigen zu erleichtern.

Metro-Linie 18 für den Süden von Paris

Die Linie 18 wird 35 km lang, soll zehn Stationen haben und wird 13 Gemeinden in drei Departements durchqueren. Ein Unikum: Die Linie legt 14 Kilometer oberirdisch zurück, zuerst auf einem Viadukt zwischen der Umgebung von Palaiseau und dem CEA Saint-Aubin, dann ebenerdig darüber hinaus in die Umgebung des Bahnhofs von Saint-Aubin Quentin Est. Für eine bessere Einbindung werden die Züge im schmalen Profil von 2,45 Metern der Pariser U-Bahn konstruiert und von einer 3. Elektroschiene mit der ungewöhnlichen Spannung von 1.500 Volt (gegenüber 750 Volt in der Hauptstadt) versorgt. Die Linie 18 soll täglich 110.000 Passagiere befördern und die beiden Terminals innerhalb von 30 Minuten verbinden.

Im Mai 2020 hatte die Hauherrin, die Société du Grand Paris (SGP), einem von Vinci Construction geführten Konsortium den Zuschlag für das Baupaket 1 der Linie 18 erteilt, das den ersten Abschnitt vom Flughafen Orly nach Massy-Palaiseau umfasst. Der Finanzrahmen beträgt 799 Millionen Euro. Insgesamt werden dabei mehr als eine Million Kubikmeter Material ausgehoben. 20 Prozent des Auftragswertes sind KMU vorbehalten. Die Bauarbeiten, unter anderem für die Bahnhöfe Antonypôle, Massy Opéra und Massy-Palaiseau, sollen innerhalb von 83 Monaten abgeschlossen sein. Das Konsortium besteht zu 75 Prozent aus Tochtergesellschaften von Vinci Construction und zu 25 Prozent aus Spie batignolles. Vinci arbeitet über seine Tochtergesellschaft Eurovia für den Gleisbau und Vinci Energies an anderen Grand Paris Express-Arbeitspaketen zusammen.

Einen großen Anteil an dem Projekt sichert sich derzeit auch Alstom. Alstom wurde bereits ausgewählt, das Rollmaterial für die zukünftigen Linien 15, 16 und 17 des Grand Paris Express zu liefern, und wurde von der SGP in Zusammenarbeit mit der Ile-de-France Mobilités (IDFM) auch für die Lieferung von Triebzügen und automatischen Fahrsystemen für die Linie 18 ausgewählt. Am 29. Oktober 2021 vermeldete jetzt Alstom, dass es von der SGP auch mit der Lieferung, Ausrüstung und Inbetriebnahme der Eisenbahnlinie, der dritten Stromversorgungsschiene und der Linearausrüstung für den östlichen Abschnitt und das Viadukt der Linie 18 beauftragt wurde.

Viel Arbeit für Alstom

Dieser Auftrag betrifft die Abschnitte zwischen Massy-Palaiseau und dem Bahnhof CEA / Saint-Aubin (Eröffnung 2026) sowie zwischen dem Flughafen Orly und Massy-Palaiseau (2027). Das heißt, beim Bau von 46 Kilometern eingleisiger Strecke, die sieben Stationen zwischen dem Flughafen Orly und dem Bahnhof CEA/Saint-Aubin bedient, wird Alstom für alle Studien, Lieferungen, Bauarbeiten und Tests für die Eisenbahn, die dritte Schiene und die Linearausrüstung für den betreffenden Abschnitt verantwortlich sein. Neben dem Gleis und der dritten Schiene umfasst der Auftrag die Installation von 35 Kilometern Fußwegen und 50 Kilometern Kabeltrassen. Auf dem Höhepunkt der Arbeiten wird Alstom rund 250 Mitarbeiter der Infrastructure France-Teams einsetzen.

„Ich bin sehr stolz, dass Alstom als Lieferant für einen der wichtigsten Bahnverträge mit dritter Schiene in Frankreich ausgewählt wurde“, erklärte dazu  Jean-Baptiste Eyméoud, Präsident von Alstom Frankreich. Alstom wird somit mit diesem Auftrag und dem zuvor erhaltenen Auftrag für das Rollmaterial und das automatische Pilotsystem zu einem wichtigen Akteur beim Bau der Linie 18 der zukünftigen U-Bahn-Station Ile-de-France. Alstom wird als sozial verantwortliches Unternehmen mindestens zehn Prozent seines Stundenvolumens mit beruflichen Wiedereinsteigern abwickeln und das Ökosystem kleiner und mittlerer Unternehmen für die Durchführung dieses Projekts mobilisieren.“

Westlicher Streckenverlauf ist umstritten

Wieder aufgeflammt sind derweil die Zweifel an dem geplanten Streckenverlauf der Linie 18 im westlichen Abschnitt. Medienwirksamer Anlass dazu war im September die Taufe der Tunnelbohrmaschine „Céline“, die maßgeblich den Bau der Linie 18 vorantreiben soll. Der Lokalpolitiker aus dem Département Essonne Cédric Villani forderte die Regierung auf, den westlichen Bahnabschnitt aufzugeben und durch einen Linienbus mit gehobenem Komfort zu ersetzen. Der erste Teil des westlichen Abschnitts zwischen Saclay und Magny-les-Hameaux durchquere hauptsächlich agrarische, dünn besiedelte Gebiete. Zusammen mit dem geplanten Ausbau der Straße D 36 würde „eine Narbe von mehr als 70 Metern entstehen, welche die Felder zerschneidet und die Tätigkeit der umliegenden Bauernhöfe erheblich erschwert."

Villanis Einwände haben durchaus Gewicht. Der exzentrische, sich romantisch mit halblangen Haaren kleidende ökologisch bewegte Politiker ist im Hauptberuf hochangesehener Physiker und Mathematiker. Er erstellte für die Regierung einen Bericht zur Künstlichen Intelligenz, der als französische KI-Strategie Anwendung fand. Villani vertrat eine Zeit lang die Partei des Staatspräsidenten Emmanuel Macron, wandte sich jedoch letztens französischen Ökologen-Gruppen zu. Auch Bauern und Bürgermeister mehrerer betroffener Kleinstädte befürchten, die geplante Metro-Linie 18 fördere eine „massive Urbanisierung des Agrarplateaus“. 250 Akademiker sagten im Sommer in einem Appell „erhebliche Lärmbelästigung“ voraus.

Die Verantwortlichen für den öffentlichen Personenverkehr im Großraum Paris weisen jedoch darauf hin, dass die Linie 18 ein strategisches Element von nationalem Interesse darstellt. Sie argumentieren, dass die zukünftige U-Bahn auf die Bedürfnisse neuer Bewohner, Studenten und Forscher zugeschnitten ist. Die SGP erinnert auch daran, dass mehr als 4.000 Hektar Naturflächen, davon fast 2.500 Hektar mit landwirtschaftlicher Nutzung, gegen Urbanisierung geschützt werden sollen. Caroline Doucerain, Bürgermeisterin von Loges-en-Josas, schlug einen Kompromiss vor: die U-Bahn „im offenen Graben“. In den umstrittenen Westsektoren könnte die Bahnstrecke in Gräben verlaufen statt in Tunneln oder auf flacher Ebene. Das sei kostengünstig und gestatte durch einfache Brücken den Übergang von Landmaschinen. (red./hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
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