Knorr-Bremse, Vossloh, Lufthansa: Großaktionär Heinz Hermann Thiele verstorben

Heinz Hermann Thiele
Foto: Knorr-Bremse

„Patriarch“,  „knorrig“, „Selfmade-Milliardär“ – an Heinz Hermann Thiele rieben sich die Kommentatoren. Der mit den Bahnunternehmen Knorr-Bremse, Vossloh und der Lufthansa verbundene Unternehmer verstarb am 23. Februar 2021 im Alter von 79 Jahren.

Tatsächlich erstaunte Thiele immer wieder durch Zielstrebigkeit und Tatkraft. 1941 in Mainz geboren, machte er 1961 in Minden sein Abitur. Zwei Jahre später verstarb sein Vater. Thiele wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf, konnte aber an der Universität München ein Jurastudium absolvieren. 1969 stieg er bei der Knorr-Bremse ein als juristischer Sachbearbeiter in der Patentabteilung, 1979 wurde er Vertriebschef. 1985 wollte der damalige Firmenerbe das angeschlagene Unternehmen verkaufen, Thiele übernahm die Knorr-Bremse kurzentschlossen auf Kredit. 1989 gehörten ihm alle Anteile. Entgegen dem Rat einer Unternehmensberatung, das Bremsengeschäft abzustoßen, baute er es international aus.

Zu Recht – die Knorr-Bremse wurde zu einem profitablen Weltmarktführer für Zug- und Lkw-Bremsen mit fast 30.000 Beschäftigten und rund sieben Milliarden Euro Umsatz. Bis 2007 war Thiele Vorstandsvorsitzender, dann leitete er den Aufsichtsrat. Der Erfolg stärkte in Thiele die Überzeugung, alle wichtigen Entscheidungen am besten selber zu steuern. Als Unternehmer alter Schule hielt er Gewerkschaften für überflüssig und wechselte Vorstandsmitglieder schnell aus, wenn diese sein Vertrauen verloren. Das zeigte sich auch beim Werdohler Vossloh-Konzern. 2011 verhandelte er über den Einstieg, 2013 übernahm er zur Überraschung der damaligen Führung den Aufsichtsrat und wechselte alle Leitungspersonen aus.

Der neue Vorstand kündigte eine komplette Restrukturierung des Konzerns an, die konsequent durchgezogen wurde. Thiele leitete den Aufsichtsrat bis 2017, baute seinen Aktienanteil noch 2019 auf 50,09 Prozent aus, sein Führungsanspruch war ungebrochen. Der damals schwächelnden Vossloh AG verordnete Thiele einen grundlegenden Umbau mit der Konzentrierung auf Gleisbau – Produktion von Schienen, Weichen, Komplementärmaschinen, Software und Service. Werke unter anderem für Lokomotivbau wurden verkauft. Wieder gab ihm der Erfolg Recht.

Im Manager Magazin erklärte Thiele 2017: „Ich bin Unternehmer und werde bis zum letzten Atemzug unternehmerisch tätig sein.“ Ein Antreiber und Getriebener. Die Nachrichtenagentur Bloomberg schätzte sein Familien-Vermögen zuletzt auf etwa 20 Milliarden Dollar. Damit gehörte Thiele zu den reichsten Deutschen. Dennoch stieg er im Juni 2020 noch einmal in den Aufsichtsrat der Knorr-Bremse ein, übernahm 2020 15 Prozent der Lufthansa-Aktien und wurde dadurch zum größten privaten Einzelaktionär.

Von der 2014 durch Thiele bei der Vossloh AG eingesetzten Vorstandsequipe ist heute nur noch Oliver Schuster übrig. Als jetziger Vossloh-Vorstandsvorsitzender erklärte Schuster: „Der plötzliche Tod von Heinz Hermann Thiele hat uns alle aufs Äußerste betroffen gemacht. Herr Thiele war ein enger Wegbegleiter für Vossloh, den wir für seine Geradlinigkeit, seinen unternehmerischen Mut, seine Entscheidungskraft und seine einzigartige Disziplin geschätzt haben. Er war für uns immer ein fairer und menschlich wie fachlich hoch geschätzter Partner. Wir werden ihm immer dankbar sein, für das, was er für Vossloh getan hat.“

Für die von Thiele bislang dominierten Konzerne bedeutet sein Ableben eine Zäsur. Denn plötzlich fehlt der unternehmerische Übervater. „Selbst wenn der Nachlass formell geregelt sein sollte, müsste es auch noch den Erben oder die Erbin geben, der oder die seinen Plan ideell fortführen. Danach sah es bislang nie aus“, schrieb das Wirtschaftsmagazin Capital. Heinz Hermann Thiele hinterlässt Ehefrau Nadia Thiele sowie seine Kinder Julia Thiele-Schürhoff und Henrik Thiele. Die Thiele-Tochter Julia Thiele-Schürhoff ist Mitglied des Aufsichtsrats von Knorr-Bremse. Der Internetdienst come-on.de berichtet, Sohn Henrik leitete das Asiengeschäft und sollte 2015 die Bahnsparte übernehmen – schied dann aber aus persönlichen Gründen komplett aus. Vater und Sohn hatten Differenzen.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Artikel Redaktion Eurailpress
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