Leo Express: In Deutschland insolvent, in Tschechien Verkauf an Renfe?

Foto: Leo Express

Die Pandemie fordert ein Opfer im Bereich der Privatbahnen: In Deutschland meldete die Tochter des tschechischen Leo Express Insolvenz an, das Mutterunternehmen verhandelt offenbar mit der spanischen Staatsbahn Renfe über eine strategische Investition oder sogar den Verkauf.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Auf der Webseite der Renfe findet sich unter „Ausschreibungen“ bis heute die Information, die Staatsbahn suche einen Gutachter, der ein Wertgutachten mit Due Dilligence über das tschechische Unternehmen erstelle, und zwar für 600.000 Euro: „Servicio de due diligence, evaluación de riesgos y valoración del grupo empresarial leo express global, a.s.“ Während Renfe die Informationen nicht kommentieren wollte, erklärte Leo Express-Pressesprecher Emil Sedlařík:

"Leo Express hat lange nach einem strategischen Partner gesucht, um ein erfolgreiches Projekt weiterzuentwickeln, und verhandelt jetzt mit mehreren interessierten Parteien. Wir können uns jedoch aufgrund unserer Verpflichtung zur Vertraulichkeit nicht zum näheren Verlauf der Verhandlungen äußern."

Interesse hatte die tschechische Staatsbahn ČD gezeigt, sich dann aber offenbar im Juni 2020 zurückgezogen. Seit August 2020 sucht Leo Express durch unkonventionelle Angebote zusätzliche Einnahmen für das durch die Pandemie gebeutelte Unternehmen. Für 5.000 tschechische Kronen, das sind etwa 183 Euro, dürfen Fahrgäste eine Stunde lang in der Fahrzeugkabine mitfahren. Die Summe muss auf das Firmenkonto überwiesen werden und wird zusätzlich zur Zugfahrkarte erhoben.

Das Angebot gilt auch für Kinder ab fünf Jahren, doch müssen Kinder unter zwölf Jahren von einem Erwachsenen begleitet werden. Leo Express hatte 2019 Gewinn erzielt, rutschte jedoch jetzt durch starke Rückgänge der Passagierzahlen wegen der Pandemie in eine finanzielle Problemlage. Die deutsche Filiale musste in Insolvenz gestellt werden, weil sie keine Einnahmen mehr generiert. Vergeblich hatte sie im Frühjahr 2020 den Partner FlixTrain aufgefordert, sie weiter als bestelltes Eisenbahnverkehrsunternehmen FlixTrain-Züge fahren zu lassen. Das hatte FlixTrain/FlixMobility abgelehnt, weil zu erwarten war, dass die dann eingefahrenen Verluste nicht durch die Staatskasse ausgeglichen werden würden.

Am 13. Oktober 2020 vermeldete dazu der Berliner Tagesspiegel: „Rosenkrieg zwischen zwei Privatbahnen: Bis März fuhr Leo Express zwischen Berlin und Stuttgart die grünen Züge für Flixtrain. Nun ist der deutsche Ableger pleite – und die Ex-Partner sind heftig zerstritten. Die Folge: Die Deutsche Bahn hat auf der wichtigen Strecke keine Billigkonkurrenz mehr.“ Dazu erklärte gegenüber dem bahn manager ein FlixTrain-Sprecher: „Es ist richtig, dass die Deutsche Bahn aktuell konkurrenzlos auf der Strecke Stuttgart-Berlin fährt. Die aktuelle Situation stellt eine große Herausforderung für die gesamte Mobilitätsbranche dar. Davon sind auch unsere Partnerunternehmen betroffen.

Die bislang von LEO Express betriebene Verbindung zwischen Berlin und Stuttgart werden wir unseren Fahrgästen mittelfristig wieder anbieten und somit den Wettbewerb auf der Strecke wieder herstellen. Aktuell befinden wir uns in Gesprächen mit möglichen Partnern. FlixTrain verkehrt bereits seit Juli wieder auf den Strecken Hamburg – Köln und Berlin – Köln.“

Weiter betonte das Unternehmen gegenüber dem bahn manager: „Klar ist für FlixTrain: Das deutsche Bahnsystem braucht Wettbewerb – dieser ist essenziell für die Zukunft einer nachhaltigen Verkehrswende in Europa. Die Bundesregierung zerstört diesen jedoch bewusst, wenn einseitige Milliardenhilfen allein für die Deutsche Bahn zur Verfügung stehen und der Wettbewerb komplett ignoriert wird. Deswegen fordern wir Auflagen, die mit den Hilfen für die Deutsche Bahn einhergehen und Wettbewerb zulassen.“

Die spanische Staatsbahn Renfe hat das Wachstum auf Auslandsmärkten als Ziel definiert, weil ihr durch die Öffnung des Inlandsmarktes gemäß den EU-Vorgaben auf dem eigenen Terrain Konkurrenz erwächst. Um die eigene Position nach Möglichkeit zu erhalten, wurde bereits 2018 die Hochgeschwindigkeitsmarke AVE um die günstigeren Versionen AvCity und EVA ergänzt. Letzterer wird als ein intelligenter Zug vermarktet, der auf neue Technologien und die Nachfrage desjenigen Teils der Bevölkerung ausgerichtet ist, der auch heute noch auf Autoreisen setzt: kleine Gruppen, Jugendliche und Familien. Die Preise sind zwischen 20 Prozent und 25 Prozent niedriger als die des Ave.

Artikel Redaktion Eurailpress
Artikel Redaktion Eurailpress