Warum der Investor EIT InnoEnergy kräftig Geld in den Hyperloop steckt

Das Hyperloop-Unternehmen Zeleros präsentierte sich auf der InnoTrans 2022 mit einem eigenen Stand. Er zog viele neugierige Besucher an - auch wenn die Technologie umstritten ist. Quelle: Georg Kern

Die Hyperloop-Technologie ist umstritten – das hindert den Klimatechnologie-Investor EIT Inno­Energy nicht daran, in entsprechende Startups zu investieren. Warum glaubt das Unternehmen an den Hyperloop? Ein Interview mit Lucienne Krosse von EIT InnoEnergy.

Dieser Artikel enstammt der bahn manager-Ausgabe 01/2023.

Zuletzt gab EIT InnoEnergy bekannt, Nevomo zu fördern, ein polnisch-schweizerisches Unternehmen, das für seine Magrail-Lösung teilweise Hyperloop-Technologie nutzt. Außerdem ist EIT Inno­Energy bereits in Hardt Hyperloop und Zeleros investiert. Warum genau ist der Investor so überzeugt von der Technologie? Darüber sprach der bahn manager mit Lucienne Krosse, die als Thematic Leader bei EIT InnoEnergy für das Thema Hyperloop zuständig ist.

Frau Krosse, gehen Sie davon aus, dass Sie selbst eines Tages per Hyperloop verreisen werden?

Definitiv – und zwar in gar nicht so langer Zeit. Mich überzeugt die Technologie. Und EIT InnoEnergy auch. Sonst hätten wir nicht investiert.

Wie hoch ist denn das Investment genau?

Im Detail darf ich das leider nicht sagen. Zur Partnerschaft mit Nevomo haben wir allerdings kommuniziert, dass wir – gemeinsam mit weiteren Partnern – 5 Mio. EUR investiert haben. Was ich außerdem sagen kann: Unser Engagement im Hyperloop-Sektor ist für uns schon erheblich. Das sind keine zu vernachlässigenden Summen, die wir mal eben ausgeben, so nach dem Motto: Wenn’s schiefgeht – auch nicht schlimm.

Ihr Engagement wirkt umso erstaunlicher, weil Kritiker bemängeln, es fehle jeglicher Proof of Concept für den Hyperloop.

Und das stimmt ja auch zunächst. Aber woher soll der Proof of Concept auch kommen? Der Markt für den Hyperloop entsteht ja gerade erst. Das Verkehrsmittel besteht bisher vor allem aus Konzepten. Die haben wir uns angesehen – und finden sie überzeugend.

Dabei ist technisch und wirtschaftlich vieles umstritten. Eine große Diskussion gibt es etwa um das Thema Sicherheit.

Sicherheit ist eines der wichtigsten Themen überhaupt, ganz klar. Aber da wären keine Herausforderungen, die sich nicht grundsätzlich bewältigen lassen. Bedenken Sie, welche Risiken Sie eingehen, wenn Sie in ein Passagierflugzeug einsteigen. Auch diese Herausforderungen hat man bewältigt. Ich will hier nichts kleinreden. Aber gerade in technischer Hinsicht können wir sagen, dass vieles am Hyperloop gar nicht so revolutionär ist, wie oft angenommen wird. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Kombination aus bekannten Lösungen, etwa aus dem Magnetschwebe-, aus dem Flugzeug- und dem Vakuumbereich.

Wie sehen Sie die Frage, ob sich Hyperloop-Strecken wirtschaftlich betreiben lassen – ebenfalls ein vieldiskutiertes Thema?

Auch hier sind Fragen offen. Aber es gilt bei dieser Diskussion etwas ganz Grundsätzliches im Blick zu haben: Hyperloop-Startups können sich nur bedingt vollständig öffentlich in die Karten gucken lassen. Sie können ihre Konzepte nicht bis ins Detail transparent machen. Dafür ist es derzeit einfach noch zu früh. Es gibt immerhin mehrere Unternehmen, vor allem in Europa und den USA, die an dem Thema arbeiten – und in einem harten Wettbewerb zueinander stehen. Jeder möchte natürlich derjenige sein, dessen Lösungen sich am Ende zum Marktstandard entwickeln.

Ist das nicht auch ein Problem: Dass jeder an seiner eigenen Lösung arbeitet, es aber keine Einigkeit bei wichtigen Standards gibt? So ist bis heute nicht einmal geklärt, welchen Durchmesser eine Hyperloop-Röhre haben soll – woran sich aber wesentlich die Kosten der Infrastruktur bemessen.

Das ist sogar ein Riesenproblem, zumal eine einheitliche Infrastruktur ja überhaupt erst erlauben würde, ein Hyperloop-Netz zu bauen – was wiederum die Wirtschaftlichkeit verbessern würde. Aber von den Unternehmen selbst können wir an dieser Stelle keine Lösung erwarten. Deshalb setzen wir uns bei EIT InnoEnergy auch dafür ein, dass die Politik entsprechend regulatorisch tätig wird. Ich sehe da Europa übrigens weiter vorangeschritten als die USA.

Erklärt das auch, warum Sie bisher nur in europäische Hyperloop-Startups investiert haben – und nicht etwa in die US-Firmen Virgin Hyperloop und Hyperloop TT?

Teilweise sicherlich schon. Aber da kommen wir auch wieder zum Thema Wirtschaftlichkeit zurück: Wir sehen den Business Case für den Hyperloop vor allem in dichtbesiedelten Gegenden wie Europa. Denn das Verkehrsmittel darf ja nicht isoliert betrachtet werden, sondern muss im Kontext mit vielen weiteren infrastrukturellen und gesellschaftlichen Herausforderungen gesehen werden.

Welche meinen Sie?

Zunächst haben wir es auch künftig mit einem wachsenden Wunsch nach Mobilität und Güterströmen zu tun. Gleichzeitig fehlt es an Lkw-Fahrern oder Triebfahrzeugführern, wobei Autobahnen und Schienennetze heute schon überlastet sind und diese Infrastruktur nicht einfach immer weiter ausgebaut werden kann. Hinzu kommen die Klimaschutzvorgaben der Politik.

Hyperloop-Strecken müssten doch aber auch erst einmal aufwendig gebaut werden.

Stimmt, aber auch hier gilt wieder: Möglicherweise ist der Bau nicht so aufwendig, wie oft behauptet wird. Die Röhren könnten zwischen Autobahnen verlaufen oder sogar eine Schallschutzfunktion übernehmen, wenn sie an die Ränder gebaut werden. Solche Möglichkeiten gilt es im Blick zu haben.

Dennoch: An den Herausforderungen für andere Verkehrsmittel, die Sie genannt haben, wird mit Hochdruck gearbeitet. Dass autonome Lkw kommen, gilt beispielsweise als sicher. Mit ihnen ließe sich das Fahrermangelproblem lösen.

Aber autonome Lkw lösen möglicherweise nicht das Problem, dass die Fahrzeuge am Ende wieder im Stau stehen. Ich sage nicht, dass solche Lösungen nicht sinnvoll sind. Ich sage aber, dass der Hyperloop, in einem größeren Kontext betrachtet, eine wichtige und sinnvolle Rolle übernehmen könnte. Als neues Verkehrsmittel wird er eine Lücke bei den Verkehrsträgern füllen, die absehbar ist.

Was muss noch passieren, um dem Hyperloop zum Durchbruch zu verhelfen? Sie sprachen ja bereits von verbesserter Regulierung.

Die Branche braucht definitiv die Unterstützung großer Konzerne. Ganz alleine oder nur mit Hilfe von Finanzinvestoren wird der Durchbruch nicht gelingen. Bei den Konzernen sitzt wichtiges Know-how und Einfluss, den die Branche gebrauchen kann. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier in naher Zukunft ein Umdenken von Großunternehmen erleben werden.

Dann verraten Sie uns zum Schluss: Von wo bis wo sehen Sie sich das erste Mal in einem Hyperloop verreisen? Und vor allem wann?

Wann? Ich sage mal, in den nächsten zehn Jahren. Wo? Irgendwo in Europa, da will ich mich gar nicht genau festlegen. Und wenn nicht dort, dann könnte es in Asien sein. (gk)

EIT InnoEnergy und Lucienne Krosse

EIT InnoEnergy ist ein Klimatechnologie-Investor mit Hauptsitz in den Niederlanden und Niederlassungen in weiteren europäischen Ländern, darunter Deutschland, Spanien und Frankreich sowie neuerdings auch in den USA (Boston). Ziel des Unternehmens ist es, vielversprechende, klimafreundliche Technologien – insbesondere von Start-ups – frühzeitig zu erkennen und diesen zum Marktdurchbruch zu verhelfen. Dabei unterstützt der Investor nicht nur mit Geld, sondern auch mit eigenem Know-how und Kontakten in Politik und Wirtschaft. Natürlich verfolgt EIT InnoEnergy auch ein gewinnbringendes Ziel. Zu den besonderen Erfolgsgeschichten zählt eine frühzeitige Beteiligung am schwedischen Batteriehersteller Northvolt.

Gegründet wurde EIT InnoEnergy 2010. Das Unternehmen geht zurück auf eine Initiative des ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso, der mit der Gründung des European Institute of Innovation & Technology (EIT) Innovation und Unternehmertum in Europa voranbringen wollte. Inzwischen wird InnoEnergy als eine von neun sogenannter Knowledge and Innovation Communities vom EIT unterstützt. Geld kommt aber auch von anderen Anteilseignern – insgesamt sind es 29, darunter namhafte Unternehmen wie Volkswagen und Siemens.

In Sachen Hyperloop gab EIT InnoEnergy zuletzt bekannt, gemeinsam mit weiteren Investoren 5 Mio. EUR in Nevomo zu investieren. Das Warschauer Start-up hat die Magrail-Technologie entwickelt, eine Mischung aus herkömmlicher Bahn- und Hyperloop-Technik. Außerdem ist EIT InnoEnergy in die Hyperloop-Start-ups Zeleros in Valencia und Hardt Hyperloop in Rotterdam investiert.

Lucienne Krosse arbeitet seit 2011 bei EIT InnoEnergy. Zuvor war sie beim Dutch Institute for Applied Scientific Research (TNO) tätig. In diese Zeit fällt auch ihre einjährige Arbeit für die Wirtschaftsabteilung der niederländischen Botschaft in Peking. Eine ihrer Aufgaben dort war die Gründung eines chinesisch-niederländischen Joint Ventures für nachhaltiges Energiemanagement. Studiert hat Lucienne Krosse Chemie­ingenieurwesen und Maschinenbau.

Artikel Redaktion Eurailpress
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