Interviews

Dr. Thomas Schaffer

Unser Ziel: Eine einfache Bahn

 

Thomas Schaffer weiß, wie komplex die Bahn ist. Als Vorstand Vertrieb und Fahrplan der DB Netz AG weiß er jedoch auch, dass seine Kunden einfache Bestell-Prozesse wollen. Deswegen arbeitet das Unternehmen an einem vollautomatisierten Fahrplan. Trassenpreise senken wird er jedoch nicht.

Mit „Einfach Bahn“ sollen die Prozesse vereinfacht und die Qualität verbessert werden. Sinken dadurch auch die Trassenpreise?
Hier muss ich etwas weiter ausholen. DB Netz ist ein Wirtschaftsunternehmen, das die Kosten des laufenden Betriebes aus den Einnahmen finanzieren muss. Der Bund finanziert, wie bei Straße und Wasserstraße auch, den Neu- und Ausbau sowie die Erneuerung der Infrastruktur. Für den laufenden Betrieb und die Instandhaltung der Infrastruktur sind die Trassen- und Stationspreise die einzigen Einnahmequellen, die wir haben. Und wir müssen auch Gewinn erzielen. Der Finanzierungskreislauf Schiene, den wir mit dem Bund vereinbart haben, funktioniert ohne Dividende der DB Netz AG nicht. Wenn also Trassenpreise gesenkt werden sollen, brauchen wir intelligente Lösungen, die die Kosten der Infrastruktur mindestens in gleichem Maße reduzieren. Wenn wir also Kosten sparen, und dies nicht zu Lasten der Qualität geht, dann entsteht Spielraum bei den Trassenpreisen. Einfach Bahn hat aber den primären Fokus das Produkt attraktiver zu machen. Oft hört man: Ihr seid doch ein Staatsunternehmen und bekommt jede Menge Förderung, da könnt ihr auch die Trassenpreise halbieren Aber bei gleichen Kosten die Einnahmen halbieren, das steht kein Unternehmen durch.

Mit dem Eisenbahnregulierungsgesetz wird für den Nahverkehr die Preissteigerung auf 1,8 % gedeckelt.
Das ist eine große Herausforderung für uns. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir bisher mit 2,4 % über die ganze Branche hinweg geplant haben. Die Deckelung auf der Erlösseite von 1,8 Prozent für den Nahverkehr müssen wir erst einmal durch eigene Anstrengungen refinanzieren. Es ist nicht unsere Absicht, die fehlenden Gelder auf andere Verkehre umzulegen, so dass in Zukunft der Fernverkehr oder der Schienengüterverkehr mehr bezahlen müssten. Das wäre der falsche Impuls für die Branche und den Wettbewerb. Deshalb stehen wir vor der Herausforderung, dem Regulierungsgesetz zu entsprechen und zugleich den Wunsch des Bundes zu erfüllen, nach wie vor unseren Beitrag zum Finanzierungskreislauf 2.0 zu leisten. Entscheidend ist dabei insbesondere, dass die im Rahmen der Revision der Regionalisierungsmittel zusätzlich bereitgestellten Gelder in Mehrverkehrsbestellungen der Länder und Aufgabenträger münden. Für die Finanzierung der aus Sicht der Länder notwendigen Mehrbestellungen haben die Länder schließlich lange und am Ende erfolgreich gekämpft.

Der Bund wird auf 350 Mio. EUR Dividende pro Jahr verzichten, es fließt also weniger Geld in den Finanzierungskreislauf. Weniger Geld für die Instandhaltung?
In der LuFV II ist konkret vereinbart, dass bis 2019 rund 28 Milliarden Euro in die Infrastruktur fließen – Geld vom Bund und Geld von uns. Für die Instandhaltung werden wir als Bahn sogar über 8 Milliarden Euro aus Eigenmitteln in die Hand nehmen. Daran machen wir keine Abstriche.

Eine Idee, die auch immer mal wieder zu hören ist, ist, ein Teil des Geldes, das die Länder über die Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonenverkehr bekommen, direkt an die DB zu geben, die dann wiederum die Trassenpreise senken könnte. Was halten Sie davon?
Das wäre eine mögliche Mechanik. Zumal augenblicklich ein großer Teil der Regionalisierungsmittel für die Trassen- und Stationspreise aufgewendet werden muss, wie die Länder immer beklagen. Allerdings verstehe ich diese Klagen der Aufgabenträger vom Grundsatz her nicht ganz. Wenn es Infrastruktur gibt, muss jemand sie bezahlen. Und eigentlich ist es richtig, wenn die Nutzer sie bezahlen. Das ist ja die Grundidee der „nutzerfinanzierten Infrastruktur“ – wer sie nutzt, bezahlt. Die dahinterstehende Grundphilosophie lautet: Wenn etwas nichts kostet, wird es nicht wertgeschätzt. Die Länder nutzen über ihre Bestellungen die Infrastruktur, da ist es auch vernünftig, dass sie die Infrastruktur mit finanzieren. Dafür bekommen sie vom Bund Geld. Von daher finde ich das System grundsätzlich in Ordnung. Natürlich kann man diesen Kreislauf unterbrechen: Dann gibt der Bund das Geld direkt an uns und nicht an die Aufgabenträger. Das wäre eine Variante, mit der man die Trassenpreise anteilig absenken könnte. Doch die Regionalisierungsmittel sind ja nur ein Teil der Finanzierung – der Fernverkehr wird nicht über die Regionalisierungsmittel finanziert und auch der Güterverkehr nicht. Wenn man also die gesamten Trassenpreise absenken wollte und würde dabei nur die Regionalisierungsmittel umleiten, fehlte wiederum Geld im Topf.

Der Wunsch nach Trassenpreissenkungen geht unter anderem auf den Wunsch zurück, die Attraktivität des Schienenverkehrs zu erhöhen. Das dürfte Ihnen als Vertriebschef doch auch die Arbeit erleichtern. Preissenkungen ohne Ertragseinbußen wären möglich, wenn die Produktivität verbessert wird. Wie sieht es damit aus?
Natürlich bin ich als Vertriebschef ein Fan davon, mit günstigen Preisen das Angebot attraktiv zu machen. Von daher würde ich es natürlich begrüßen, wenn wir signifikant die Trassenpreise senken könnten, gerade auch angesichts des Wettbewerbs von Fernbus im Fernverkehr und LKWs im Güterverkehr. Doch müssen wir darauf achten, dass das Gesamtsystem weiter funktioniert. Augenblicklich ist das System austariert. Es war ein langer Prozess, bis das Regionalisierungsmittel-Gesetz umgesetzt war – dieses wieder aufzuschnüren, würde viel Zeit und Energie kosten, geht es doch um die Abstimmung zwischen Länderinteressen, Interessen des Bundes und Interessen der Transporteure. Meine große Sorge wäre, dass dabei zu viel verloren geht, so dass für das System zu wenig übrig bleibt. Denn die Wettbewerbsfähigkeit des Systems Schiene hängt ja nicht nur von einem günstigen Preis ab, sondern auch von einer guten Qualität der Infrastruktur. Was nützen mir günstige Preise, wenn ich nicht die Kapazität habe, die Verkehre zu fahren und nicht die Qualität, um die gewünschte Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zu garantieren? Mit der LuFV II haben wir einen wichtigen Schritt getan, den Rückstand in der Infrastruktur abzubauen.

Mit der Folge, dass es noch mehr Baustellen gibt.
Das Schienennetz ist eine Dauerbaustelle, wie das Autobahnnetz auch. Bei der Schiene gibt es allerdings nicht so viele Ausweichstrecken wie im Straßennetz.

Spricht man mit Bauunternehmern, begrüßen sie natürlich, dass jetzt mehr Geld für die Infrastruktur da ist. Sie weisen jedoch gleichzeitig darauf hin, dass der Bereich für die Schiene lange Zeit so wenig profitabel war, dass nicht mehr investiert werden konnte, so dass heute die Kapazitäten fehlten. Außerdem wünsche sich DB Netz Innovationen, sei aber nicht bereit, dafür zu zahlen. Was sagen Sie hierzu?
Ich kann gut nachvollziehen, wenn man sagt, es gab in der Vergangenheit nicht genug Geld, um Innovationen voran zu treiben. Ich möchte jedoch einmal umgekehrt fragen: War der Markt für das Bauen ein gesunder Markt? Ein gesunder Markt produziert ja Innovationen aus sich selbst heraus. Ich würde behaupten, er war nicht gesund. Jetzt hat sich die Situation geändert. Der Bund stellt mehr Finanzmittel zur Verfügung. Wir beobachten in Folge heute schon, dass dadurch zunehmend Innovationen in den Markt kommen. Einige davon treiben wir als DB Netz selbst voran. Eine wirklich gelungene Innovation ist BIM, ein digitales Modell wie man baut. In Zukunft bilden wir unsere Bauprojekte nicht nur in 3-D-Modellen ab, sondern hinterlegen auch die Zeitplanung. Mit BIM kann man online verfolgen, wie sich die Baustelle entwickelt. Unsere Bauherren können mit uns zusammen den Baufortschritt verfolgen und prüfen, ob das, was bis zum heutigen Tag umgesetzt wurde, dem entspricht, was einmal vereinbart worden war. Das ist eine signifikante Verbesserung, aber auch eine große Aufgabe, weil die Daten erst einmal alle hinterlegt sein müssen. BIM hilft uns auch enorm bei der Information der Öffentlichkeit. Wir Menschen leben von dem, was wir sehen. Was wir nicht sehen, können wir uns nur ganz schlecht vorstellen. Daher ist es sehr schwer, komplexe Bauprojekte den Bürgern zu erklären. Mit BIM können wir das.

Noch einmal zur Produktivität – was wird getan?
Die Forderung ist berechtigt, dass wir als Deutsche Bahn dafür sorgen sollen, die Produktivität zu steigern, um die Kosten zu senken und damit auch Spielräume bei den Preisen zu schaffen. Wir strengen uns wirklich an und haben in den vergangenen Jahren einiges erreicht. Denn Produktivitätssteigerungen können entweder in Preissenkungen oder in eine Steigerung der Produktqualität umgesetzt werden. Da liegt zur Zeit unser Fokus. Ich weiß, dass wir unsere Qualitätsziele noch nicht erreicht haben. Die Kennzahlen der letzten Jahre – wie z. B. Entwicklung der Verspätungsminuten – zeigen jedoch ein positives Bild: Wir sind deutlich besser geworden. Dennoch: Eine ordentliche Produktivitätssteigerung bei gleichzeitiger Preissenkung ist beim augenblicklichen Zustand unserer Infrastruktur nicht darstellbar.

Maßnahmen, die mittel- bis langfristig die Qualität erhöhen, wirken sich kurzfristig durchaus negativ auf die Qualität aus. Was bedeuten die Baumaßnahmen für den Vertrieb und den Fahrplan?
Zwischen der Einhaltung des Fahrplans und der Verbesserung der Infrastruktur durch Baumaßnahmen besteht ein natürlicher Konflikt. Wenn wir jedoch heute nicht bauen, wird die Qualität in sechs, sieben Jahren schlechter sein. Gleichzeitig können wir unseren Kunden natürlich nicht sagen: Kommt in sieben Jahren wieder, dann ist alles gut. Der Dauerkonflikt wird noch schärfer werden, weil wir uns verpflichtet haben, die gestiegenen Mittel aus der LuFV II voll auszuschöpfen. Wir haben in den Hochphasen bis zu 850 Baustellen pro Tag, uns geht Kapazität verloren. Das ist eine große Herausforderung.

Wie gehen Sie mit der Herausforderung durch die Baustellen um?

Das Wichtigste für unsere Kunden ist Planbarkeit und Stabilität der Baustellen. Auf Baustellen können sie sich einstellen. Probleme entstehen durch Abweichungen vom Plan. Wir haben mehrere Maßnahmen ergriffen, um unsere Baustellen zu stabilisieren. So haben wir im Rahmen von „Zukunft Bahn“ Baufenster verkürzt und die Baulogistik optimiert. Unsere Zahlen zeigen, dass in diesem Jahr die Qualität auf Strecken mit Baustellen besser geworden ist. Wir haben mit unseren Kunden auch darüber gesprochen, wie viel Kapazität auf einer Strecke mit Baustelle noch bleibt, d.h. wie viele Züge tatsächlich noch fahren können. Denn es ist niemandem geholfen, wenn man einen Zug auf jeden Fall durch eine Baustelle quetschen will und es sich am Ende des Tages zeigt, dass definitiv kein Zug mehr durchpasst. Die Frage danach, wie wir trotz der notwendigen Baustellen unseren Kunden noch ausreichende Kapazität zur Verfügung stellen können, ist deshalb die dritte zentrale Herausforderung, die wir lösen müssen.

Ihre Konsequenzen für den Fahrplan?

Da Planbarkeit für unsere Kunden eine solch große Rolle spielt, arbeiten wir die Baustellen verstärkt und realistischer in den Fahrplan ein. Bei 850 Baustellen pro Tag kommen wir allerdings oft an unsere Kapazitätsgrenzen, was die Mitarbeiter betrifft. Denn die Fahrpläne werden heute noch zum Großteil manuell erstellt. Deshalb wird unsere nächste Maßnahme die Digitalisierung des Fahrplans sein: von der Manufaktur zu einem voll automatisierten Fahrplan. Das ist besonders für den Güterverkehr wichtig, bei dem Trassen sehr kurzfristig angefragt werden. Wenn wir diese Anfragen vollautomatisch im Fahrplan verarbeiten können, können wir unseren Kunden viel bessere Angebote machen. Wir konnten den Bund dafür gewinnen, dieses Programm mitzufinanzieren.

Kaum vorstellbar, dass ein so komplexes Gebilde wie der Fahrplan noch manuell erstellt wird. Welche Schritte sind notwendig, um zu der vollautomatisierten Version zu kommen?

Beim Projekt „Digitalisierung Fahrplan“ entwickeln wir als erstes die Algorithmen, das heißt die Logik, die beschreibt, wie wir Trassen konstruieren. Wir konstruieren dann im nächsten Schritt Trassen vor. Wir kennen ja die Anforderungen unserer Kunden und können typische Trassen vorkonstruieren. Diese legen wir bildlich gesprochen als Bausteine zukünftiger realer Trassen ins „Regal“. Bestellt ein Kunde eine Trasse, kann das System aus diesen Teilstücken sofort eine passende Trasse zusammenbauen. Wir erhoffen uns allein dadurch eine Erhöhung der Kapazität des Netzes um 3% - ohne eine einzige Baustelle mehr. Außerdem können dadurch die Verkehre besser harmonisiert werden, denn aus den unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Verkehre im Netz, Beispiel Güterverkehr und Hochgeschwindigkeitsverkehr, entstehen wie auf der Autobahn Staus und Verzögerungen. Dadurch wollen wir eine Erhöhung der Durchschnittsgeschwindigkeit im Schienengüterverkehr von 5 % erreichen.

Wann könnte der vollautomatisierte Fahrplan starten?

Erste Meilensteine wollen wir 2019 erreicht haben. Bis es jedoch tatsächlich per App möglich ist, innerhalb von Sekunden eine Trasse zu bestellen, wird es wohl noch bis 2021 dauern. Einen solch automatisierten Fahrplan gibt es noch nicht in der Bahnbranche, wir sind die Ersten.

Wird damit dann auch der Personenverkehr geplant?
Der Netzfahrplan für den Personenverkehr ist augenblicklich noch zu komplex für Algorithmen.

Diese vereinfachte Bestellung im Güterverkehr fällt auch unter das Programm „Einfach Bahn“?

Der Fahrplan ist der Kern, das, was die Kunden von uns haben wollen. Die Schienen, also der Stahl, sind nur Mittel zum Zweck. Doch wir wollten nicht bis 2021 warten, bis die große Fahrplanlösung fertig ist. Deshalb haben wir schon dieses Jahr begonnen, den Kunden einige Problemlösungen anzubieten. So gab es beispielsweise bisher noch kein dem Navigationssystem im Straßenverkehr vergleichbares Tool für die Schienen. Wir haben deshalb eine App konstruiert, den Strecken-Finder, anhand dessen der Kunde, der Güter auf die Schiene verladen will, sehen kann, wie die Routen verlaufen würden – mit allen relevanten Informationen wie Dauer, ungefährer Preis und Grenzlastanzeige. So kann der Kunde schon vorplanen. Zukünftig kann dann durch einen Knopfdruck die entsprechende Bestellung ausgelöst werden.

Stichwort Deutschlandtakt – ist das augenblicklich für Sie ein Thema?
Ja und nein. Die Idee des Deutschlandtaktes begrüße ich. Das Prinzip finde ich gut. Wichtig dabei ist für mich, den Takt von der Nachfrageseite her aufzubauen. Die Diskussion um den Deutschlandtakt war lange Zeit mit der Forderung nach bestelltem Fernverkehr verknüpft – das hat dem Deutschlandtakt nicht gut getan. Ein vertaktetes System für den Kunden zu haben, ist natürlich für den Vertrieb ideal. In der Schweiz funktioniert es gut. Ein Schweizer System können wir nicht 1:1 einführen, dafür fehlen die infrastrukturellen Voraussetzungen. Doch eine bessere Vertaktung zu erreichen ist eine lohnenswerte Aufgabe. Ich glaube, dass inzwischen in Deutschland der notwendige Realitätssinn herrscht und man einschätzen kann, was geht und welche Schritte notwendig sind. Notwendig wäre jetzt, den Deutschlandtakt mit dem Bundesverkehrswegeplan zu verknüpfen. Es gibt eine zweite Studie, die wir unterstützen, die die Umsetzung des Deutschlandtaktes weiter untersuchen soll.

Vor zwei Monaten sprach Kay Euler in der ETR über die Pünktlichkeitsoffensive – ein Vorhaben, das ohne das Netz nicht umsetzbar ist. Außerdem hilft Ihnen eine pünktliche Bahn im Vertrieb. Wie arbeiten Sie zusammen?
Wir haben uns bei DB Netz auf drei strategische Stoßrichtungen verpflichtet: Einfachheit, Qualität und Kapazität. Ich bin von ganzem Herzen davon überzeugt, dass dies die richtigen Stoßrichtungen sind, für die ganze Branche und für unser Unternehmen. Wenn ein Unternehmen die Schnittstelle zum Kunden nicht einfach gestaltet, hat der Kunde irgendwann keine Lust mehr, mit dem Unternehmen zusammen zu arbeiten. Eisenbahn ist kompliziert genug. Wir können uns glücklich schätzen, dass viele unserer Kunden tief in ihrem Herzen Eisenbahner sind und Verständnis für die Komplexität dieses Systems haben. Und dass sie bereit sind, gemeinsam mit uns in das System abzutauchen. Doch noch glücklicher sind die Kunden, wenn wir es ihnen noch einfacher machen. Deshalb ist Einfachheit die Voraussetzung dafür, das System Schiene wettbewerbsfähiger zu machen.

Und die Qualität?
Qualität ist unabdingbar. Wir machen unseren Mitarbeitern immer wieder bewusst, dass Infrastruktur mehr ist als verlegter Stahl. Infrastruktur nutzt nichts, wenn sie nicht genutzt wird. Wir stehen im Wettbewerb mit der Straße und mit dem Luftverkehr. Ohne Qualität verlieren wir. Deshalb ist die Qualität der Leitgedanke des Programms „Zukunft Bahn“ und die Basis, auf der wir Alle bei der Deutschen Bahn zusammenarbeiten. DB Netz ist bei diesem Programm der natürliche Hort für viele Projekte und damit viele Herausforderungen. Deswegen arbeiten wir dort ganz zentral mit. Dass dies an vielen Stellen eine Herausforderung ist, weil wir an vielen Stellen Dinge neu anpacken müssen, ist klar. Doch das liegt in der Natur der Sache. Es ist spannend, mitzuerleben, wie viele Themen wir mit Kollegen aus anderen Unternehmensbereichen gemeinsam vorantreiben können.

Von den Kapazitätsverbesserungen durch den automatisierten Fahrplan haben Sie schon gesprochen. Gibt es noch andere Projekte?
Unseren Kunden ein einfaches Produkt in der gewünschten Qualität zur Verfügung zu stellen wird unseren Kunden nur soweit nutzen, wenn es auch in ausreichender Quantität vorhanden ist – und zwar zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Jetzt könnte man denken, dass man bei der Eisenbahninfrastruktur hier keinen Spielraum hat, frei nach dem Gedanken: „Die Schiene liegt dort für die nächsten 50 – 100 Jahre“. Das mag zwar einerseits stimmen, aber andererseits kann man diese Schienen geschickt oder weniger geschickt für unsere Kunden nutzen, z. B. ob sie die Instandhaltung morgens in der Hauptverkehrszeit durchführen oder zu Zeiten, wo weniger Verkehr auf der Schiene unterwegs ist. Das klingt auf den ersten Blick als eine Banalität, angesichts unseres Rückstaus ist es das aber nicht. Deswegen arbeiten wir intensiv daran, einerseits die vorhandenen Netzkapazitäten noch besser auszulasten und andererseits unsere Netzkapazität dort auszuweiten, wo es erforderlich ist. So unternehmen wir wie gesagt große Anstrengungen, „kapazitätsschonender“ zu bauen, also die notwendigen Baumaßnahmen mit möglichst wenig Einschränkungen für unsere Kunden durchzuführen. Hier stoßen wir aber auch an budgetäre Grenzen, denn der Bedarf an Erneuerung ist – trotz der LuFV – größer als die zur Verfügung stehenden Mittel. Die bessere Ausnutzung der vorhandenen Kapazitäten alleine wird aber nicht ausreichen. Deswegen bauen wir das Netz an vielen Stellen aus und haben mit unserer Netzkonzeption 2030 wichtige Neu- und Ausbaumaßnahmen in den neuen Bundesverkehrswegeplan eingebracht, um auf die Verkehrssteigerungen von morgen und übermorgen vorbereitet zu sein.

Eine private Frage: Wie entspannen Sie sich?
Hier gäbe es jetzt zwei Antworten, entweder „Gar nicht“ oder „Ich bin entspannt“. Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem: Man lernt in seinem Berufsleben, mit dem Stress umzugehen. Meine Aufgabe als Chef und als Vorstand ist, mit den Themen und dem Team entspannt, aber nicht gleichgültig umzugehen. Ansonsten entspanne ich mich mit meiner Familie – eine andere Welt.

Das Gespräch führte Dagmar Rees.


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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 12/16
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 12/16