Deutsche Bahn legt bei Tarifverhandlungen mit GDL nach

DB-Lokführer im ICE; Quelle: Hermann Schmidtendorf

In den aktuellen Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer GDL führt diese derzeit eine Urabstimmung mit Auszählung am 9. August 2021 durch. Sie rechnet mit hoher Zustimmung zu einem Streik. Um diesen zu verhindern, hat die DB jetzt neue Vorschläge vorgelegt.

Zu den Forderungen der GDL gehören bislang Lohnerhöhungen wie im öffentlichen Dienst von rund 3,2 Prozent, in Kraft tretend in zwei Schritten – plus 1,4 Prozent in 2021 und plus 1,8 Prozent in 2022. Außerdem solle eine einmalige „Corona-Prämie“ von 600 Euro an die Beschäftigten gezahlt werden. Die DB forderte jetzt die GDL auf, die Tarifverhandlungen am 13., 14. und 15. Juli wiederaufzunehmen. Seitens der DB gäbe es „keine Gegenforderungen oder Vorbedingungen“.

Bei einem erneuten Treffen der Tarifpartner möchte die DB ihren konkretisierten Vorschlag eines „Lohnangebots analog des Flughafen-Abschlusses im Öffentlichen Dienst“ sowie zusätzliche Angebote besprechen. Diese beinhalten, so DB-Personalvorstand Martin Seiler, ein Vorziehen der angebotenen Lohnerhöhungen: „1,5 Prozent zum 1. Januar 2022 und 1,7 Prozent zum 1. März 2023 mit einer Laufzeit bis zum 30. Juni 2024. Die GDL war gemäß ihren eigenen Veröffentlichungen von einem 10 Monate späteren ersten Erhöhungsschritt ausgegangen. Auch der zweite Erhöhungsschritt findet bereits im März 2023 statt. Damit ist das Angebot für die GDL noch einmal deutlich attraktiver. Insgesamt treten die geforderten Erhöhungen nahezu ein Jahr früher ein und wirken sich deutlich schneller für die GDL-Mitglieder aus.“

Erbittert gestritten wird seit einiger Zeit bei allen Tarifverhandlungen verschiedener Gewerkschaften um außerfinanzielle Faktoren wie Flexibilisierung der Arbeitszeit und Freizeitmöglichkeiten. Für die Beschäftigten geht es um Lebensqualität und Life-Work-Balance, für Arbeitgeber*innen um schwer kalkulierbare Mehrkosten. Das zeigt auch diese Stellungnahme der GDL: „Die DB verlangte beispielsweise eine Erhöhung des Dispo-Anteils von 20 auf 40 Prozent der Schichten, damit das direkte Personal noch häufiger kurzfristiger eingesetzt werden kann, und die spätere Bekanntgabe von Planungsschritten. Alles, um die ohnehin vom unregelmäßigen Schichtdienst beanspruchten Beschäftigten noch mehr zu flexibilisieren und damit noch stärker zu belasten.“

Bei der Deutschen Bahn heißt es jetzt: „Als weitere Komponente beinhaltet das neue Angebot zusätzliche Mobilitätsleistungen für Mitarbeitende. Damit geht die DB auf das von der GDL vorgetragene Interesse nach Verbesserungen in diesem Bereich ein. Gleichzeitig wird dies mit einem Anreiz zur Nutzung ökologischer Angebote im Sinne der „Starken Schiene“ verbunden. Angeboten werden außerdem ein Arbeitgeberbeitrag in Höhe von 3,3 Prozent zur betrieblichen Altersvorsorge auf branchenführendem Niveau, die Sicherung der Anwartschaften aus dem Zusatzversorgungs-Tarifvertrag.“ Bei der GDL lautet bislang die Forderung: „Unabdingbar ist die Fortsetzung der betrieblichen Altersversorgung und damit der Erhalt der Kleinstrenten für alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner, denn im öffentlichen Dienst wurde die Zusatzversorgung auch niemandem weggenommen!“

Das klingt durchaus nach einer Annäherung der Positionen. Allerdings muss die DB aus eigener Sicht auch auf ein möglichst einheitliches Tarifbild im Gesamtkonzern achten, um die in der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG organisierten Belegschaftsmitglieder nicht zu verprellen. So betont das DB-Angebot an die GDL die Programmpunkte „erweiterter Kündigungsschutz und Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen und die Fortsetzung der Rekrutierungs- und Qualifizierungsoffensive“. Einen Kündigungsschutz hatte die DB bereits im letzten Jahr mit der EVG vereinbart, was von der GDL mit Sarkasmus kommentiert wurde – so sei es schwierig, geforderte Strukturreformen im DB-Konzern durchzuführen gegen einen jetzt unkündbaren, als unproduktiv empfundenen „Wasserkopf“ in den Büroetagen.

„Die DB bekräftigt ihre Bereitschaft, auch im Rahmen eines moderierten Prozesses oder einer Schlichtung mit der GDL zu sprechen“, heißt es weiter im neuen DB-Angebot. Genau das schlägt auch das wirtschaftsnahe Institut der deutschen Wirtschaft IW vor. „Der gordische Knoten wurde erst durchschlagen, nachdem in vertraulicher Runde mit einem unparteiischen Dritten der Verhandlungsprozess strukturiert wurde“, erinnert der Leiter des Kompetenzfelds Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen Dr. Hagen Lesch in den IW-Nachrichten an den letzten Generalstreik der GDL 2015. „Der Mediator schuf ein Klima der Verhandlungsbereitschaft, auf dem in einem zweiten Schritt eine Schlichtung folgen konnte, die konkrete Inhalte auf die Tagesordnung setzte.“

Die GDL forderte zunächst einen „Corona-Zuschlag“ für das Jahr 2020 von einmalig 1300 Euro, jetzt will sie noch 600 Euro – bei aller Kampfrhetorik scheint es bereits eine Suche nach Kompromissen zu geben. In #1/2021 hatte der bahn manager auf einen möglichen strategischen Fehler bei den letztjährigen Tarifverhandlungen DB-EVG in puncto Corona-Einmalzahlung hingewiesen: „Eine derartige Regelung nicht mit der DB verhandelt zu haben, scheint ein strategisches Versäumnis der EVG zu sein. Offenbar dämmerte dies auch der EVG-Führung – doch zu spät. Noch nach dem Abschluss der Verhandlungen forderte EVG-Vorstand Kristian Loroch von der DB einen Corona-Bonus ein. Der Arbeitgeber lehnte das ab – auch dies in diesem Gesamtzusammenhang wohl eine unkluge Festlegung.“

Der Tarifexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft schlägt jetzt in die gleiche Kerbe: „Möglicherweise muss das Unternehmen parallel dazu auch noch einmal mit der konkurrierenden EVG, die bereits 2020 einem Krisentarifabschluss zustimmte, in Gespräche treten. Das ist überaus unbequem.“ Mag sein. Doch die EVG-Führung hatte sich beim Abschluss eines Corona-Nottarifvertrags weit aus dem Fenster gehängt. Sollten die DB-Verhandler jetzt feststellen, dass sie der GDL weiter entgegen kommen müssen und können, so sollten sie auch mit der EVG Tarif-Adjustierungen durchführen. Eine Forderung liegt ja bereits vor – siehe oben. (red./hfs)

Artikel Redaktion Eurailpress
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