11. E-Bus-Konferenz in Berlin: Große Nachfrage nach Elektromobilität

E-Bus-Konferenz
Foto: VDV

E-Bus-Konferenz und Fachmesse ElekBu - unter diesem Motto trafen sich am 4. und 5. Februar 2020 in Berlin Hersteller und Nutzer städtischer batteriebetriebener Fahrzeuge zu einer zweitägigen Veranstaltung.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Die Konferenz wird zum elften Mal vom VDV gemeinsam mit dem Forum für Verkehr und Logistik ausgerichtet. Parallel zum Vortragsprogramm wurden neueste Busse, Nutzfahrzeuge, Dienstleistungen und Komponenten vorgestellt. Vertreten war natürlich auch der derzeitige europäische Branchenführer SOLARIS aus Polen.

„Die verkaufte Stückzahl wächst eindeutig“, berichtete dem bahn manager Adam Przyłębski, Vertriebsleiter Deutschland und Prokurist bei Solaris. „Das beste Beispiel ist Berlin, wo wir in diesem Jahr 107 Elektrobusse mit einer Länge von 12 und 18 Metern ausliefern werden. Auch in anderen Städten in Deutschland, zum Beispiel in Hamburg, werden große Ausschreibungen durchgeführt, bei denen es um 300 bis 400 Busse geht. Der Ausbau der Infrastruktur ist aber kein Thema, das in kurzer Zeit umgesetzt werden kann, das erfordert Investitionen, aber auch Zeit und Standardisierung. In den letzten Jahren gab es einen Standardisierungsprozess. Wir können jetzt sagen, dass praktisch alle Hersteller ihre Fahrzeuge in der gleichen Norm beladen.“

Die in Berlin ausgestellten Busse der verschiedenen Hersteller beeindruckten. Die Europäische Kommission gab 2014 die Entwicklung eines Standards für die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe in Auftrag. 2017 wurde vom Bundesumweltministerium eine wissenschaftliche Studie mit dem Titel "Ansätze zur Standardisierung und Zielkosten für Elektrobusse" kofinanziert. Dort liest man folgende Schlussfolgerungen:

  • Bei den meisten verwendeten Komponenten „handelt es sich bei der Mehrzahl der verbauten Komponenten um seit langem genutzte Technologien. Hiervon ausgenommen sind jedoch Energiespeicher und verschiedene elektrische Nebenaggregate, wie z. B. Luftpresser oder Lenkhilfpumpen.“
  • „Kurz- bis mittelfristig sind Fahrzeuge mit einer Reichweite von 200 – 250 km notwendig, um den Einstieg in eine breitere Batteriebusanwendung auch und vor allem in kleineren und mittleren Verkehrsunternehmen zu ermöglichen. Langfristig sind Reichweiten von 300 – 350 km notwendig, mit denen über 90 % aller Fahrleistungen abdeckbar wären. Die notwendigen Reichweiten bedingen für eine Übergangszeit Brennstoffheizungen in den Batteriebussen.“

Durch die Nutzung einer Kraftstoffheizung können die Batterien ihre Energie voll für die Fahrt abgeben, bis eine größere Batterie eingebaut wird. Dabei sollten die Batteriekapazität und die Ladeleistung in Standardbussen wie folgt bestimmt werden: 200 kWh und 250 kW (bei Kraftstoffheizung) oder 250 kWh und 300 kW (bei elektrischer Heizung). In Gelenkbussen muss die Ladeleistung für die elektrische Heizung größer sein - 450 kW. Es ist wichtig, dass die Batterien so langlebig sind, dass sie während der 14-jährigen Lebensdauer des Fahrzeugs nicht ausgetauscht werden müssen. Darüber hinaus wird zur Einführung der neuen Technologie eine mehrjährige finanzielle Unterstützung durch den Staat empfohlen. Das beschloss denn auch die Bundesregierung.

Ist die Herrichtung eines Busbetriebshofs für Elektrobusse eine einfache Angelegenheit nach dem Motto:  Ladestationen kaufen, an das Stadtnetz anschließen und dann Rabatt bekommen als Großverbraucher? Dietmar Bogerl vom Consultingunternehmen SPIE SAG GmbH erklärte dem bahn manager: „Das funktioniert nicht so, weil das städtische Netz speziell in dem Bezirk, in dem sich das Depot befindet, die erforderliche Strommenge bereitstellen muss. Es ist beim Energieversorger zu erfragen, ob die dortigen technischen Anlagen die Entnahme der erforderlichen Menge zulassen. Vielleicht müssen Sie zum Beispiel ein Umspannwerk bauen? Oder einen Energiespeicher? Dies erfordert Vorkehrungen, Planung und Prüfung, wie viel Strom das Netz liefern kann.“

Erst danach sollte der Umbau des Betriebshofs selbst geplant werden. Wo werden Stromstationen eingerichtet, wie viele und was, wo wird geheizt? Häufig verfügt der Depotbesitzer nicht über gültige Lagepläne. Es muss aber geprüft werden, wo sich unterirdische Abwasserrohre oder andere Stromkabel befinden können, damit kein Bagger etwas beschädigen kann.

Auch das Unternehmen Eko Energetyka aus dem polnischen Zielona Góra, auf Deutsch Grünberg, ist am Aufbau der erforderlichen Infrastruktur beteiligt. Mit dem Erfolg von Solaris in Deutschland stieg die Nachfrage nach E-Bus-Ladeinfrastruktur so stark an, dass die Firma eine eigene Deutschland-Vertretung in Berlin eröffnete. Mariusz Szymański, Head of Sales Office, zählte dem bahn manager jüngste Erfolge auf: „In Berlin sind wir in der Phase der Umsetzung eines Projekts, wir haben eine Ausschreibung in München gewonnen, wir führen weiter Etappen des Projekts in Hamburg durch, wir sind also auf dem deutschen Markt gut präsent. Das freut uns sehr, und wir hoffen, dass unsere Marke nicht nur in Deutschland mehr und mehr auf der Karte sichtbar wird.“ Die Firma sei, so Szymański,Hersteller von Ladegeräten, biete aber auch umfassende Unterstützung und Beratung: „Das erklärt unseren Vorsprung auf dem Markt.“

Manche städtische Busunternehmen schafften sich vor kurzem Dieselbusse an, die noch einen hohen Wert haben. Dennoch wollen sie auf Elektrobus-Betrieb umstellen. Auch dafür gibt es jetzt Lösungen – von den Firmen I See Electric Busses und e-trofit. „Wir bieten ein Elektrifizierungs-Kit an, bei dem wir im Prinzip die Karosserie behalten, den kompletten Antrieb und natürlich auch die Batterietechnik aber nachrüsten und aus dem Fahrzeug ein Elektrofahrzeug machen, das dann wieder eine ganz normale Lebensdauer hat von ungefähr zehn Jahren“, erläuterte dem bahn manager Christine Oertel von e-trofit. „Man kann mit dem ganz normalen CCS-Stecker an einer Ladesäule laden. Wir hätten theoretisch auch die Möglichkeit mit Ladung durch Pantograf, wenn der Kunde das wünscht, das ist halt ein bisschen aufwändiger, und es kommt natürlich auch darauf an, ob der Kunde diese Infrastruktur hat und auch investieren möchte.“

Der als Referenzobjekt für Landshut umgerüstete Citaro-Bus von der Daimler-Tochter Evobus hat eine Batteriekapazität von 240 Kilowattstunden, damit kommt er ungefähr 250 bis 300 Kilometer weit, und geladen wird er über Nacht, erklärte Christine Oertel. Chefentwickler Dr. Matthias Kerler ergänzte: „Das elektrische System läuft auf einer Spannungslage von 650 Volt nominell. Die orangefarbenen Hochvolt-Kabel sind sicher, wir haben eine Schutz-Ummantelung um diese Kabel, das heißt, es ist ein Gewebeschlauch, den man auch fast mit einem Messer nicht durchschnitten bekommt. Zusätzlich haben diese Kabel noch einmal eine Schirmung, es gibt weitere Sicherheitselemente.“ Die Batterieenergie wird über spezielle Motoren auf die Busachsen übertragen, die bei e-trofit-Set von der ZF Friedrichshafen AG stammen, dem Projektpartner, und ebenfalls beim Antriebswechsel eingebaut werden.

Bei einigen Lösungen installieren Busunternehmen große Container mit Batterien in ihrem Depot. Dann kommt von dort statt direkt aus dem Netz der Strom zur Ladestation. Container- und Busbatterien sind noch weitgehend asiatischer Produktion. Aber auch in der Türkei werden Batterien für E-Busse sowie komplette Busse hergestellt. Zu hören war, dass auch namhafte Hersteller, auch aus Deutschland, ihre Busse in der Türkei produzieren lassen. Ausgestellt war in Berlin ein elektrischer Kleinbus der Marke Karsan aus der Türkei, vertrieben durch den deutschen Partner Quantron.

2018 hatte die damalige Bundesumweltministerin Barbara Hendriks auf einer Pressekonferenz erklärt, als sie zusammen mit Kanzlerin Angela Merkel die frisch beschlossene staatliche Förderung für E-Busse vorstellte: „Das ist ein wichtiger und guter Anfang, weil er auch den deutschen Busherstellern signalisiert, dass sie jetzt endlich in die Pötte kommen sollen, denn im Moment, wenn alle Städte die Elektrobusse bestellen würden, die sie gerne hätten, hätten wir sofort einen riesigen Engpass.“ Sind die Hersteller inzwischen „in die Pötte“ gekommen? Der Fortschritt ist eine Schnecke, hörte bahn manager inoffiziell auf der Berliner Buskonferenz von MAN-Mitarbeitern. Eine „Kleinserie“ mit den neuesten technischen Verbesserungen würde wohl Mitte 2020 aufgelegt. Es verzögert sich eben doch so manches, hoffen wir, dass es danach rasant voran geht.

Derweil hat die französische Hauptstadt Paris ehrgeizige Pläne. Im täglichen Verkehr fahren dort 4700 Stadtbusse. Bis 2025 sollen sie alle gegen Elektrobusse oder solche mit Biogas-Antrieb ausgetauscht werden, erklärte dem bahn manager Agathe Bastit, Leiterin des Umbauprogramms beim Pariser Busbetreiber RATP: „Bis Anfang 2017 haben wir verschiedene Busse verschiedener Hersteller getestet. Dann bauten wir die erste 100-prozentige Standard-Elektrobuslinie auf und begannen mit dem Umbau unserer 25 Depots. Heute fahren bereits 115 Elektrobusse. Die Ausnutzung der Busflotte, die dann ganz ohne Dieselmotor fahren wird, soll ab 2025 beginnen. Es wird mehrere Ausschreibungen geben, wir wollen Busse verschiedener Hersteller kaufen.“

Artikel Redaktion Eurailpress
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