Baugrappe Max Bögl: Zum Flughafen München mit dem Transrapid 2.0?
Wer kennt sie nicht im deutschsprachigen Raum, die legendäre Rede des damaligen Bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber vom 21. Januar 2002: „Wenn Sie vom Hauptbahnhof in München mit 10 Minuten…, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen, am Hauptbahnhof,… Sie steigen in den Hauptbahnhof ein, Sie fahren mit dem Transrapid in 10 Minuten an den Flughafen…“
Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager
Sagen wollte Stoiber in seiner dem Humoristen Loriot ebenbürtigen, genial verhaspelten Rede, dass sich durch Benutzung einer Magnetschienenbahn Transrapid die Anreise vom Hauptbahnhof zum Flughafen München auf zehn Minuten verkürzt und durch Umstieg direkt in der Nähe der Startbahnen langwierige Gehwege im Flugterminal verkürzt werden können. Doch die Kosten des Projekts überstiegen deutlich die Planansätze, zusätzlich gab es Unsicherheiten betreffend des Sicherheitskonzepts, das Projekt wurde nie gebaut.
Zuvor war die Transrapid-Versuchsstrecke im Emsland nach einem tragischen Unfall, der nichts mit dem Konzept des Zuges an sich zu tun hatte, geschlossen worden. Nur im chinesischen Shanghai wurde die deutsche Technik unter dem Begriff Maglev kommerziell genutzt. Auch der Verfasser dieser Zeilen schwankte beim Hören der Stoiber-Transrapid-Rede seinerzeit zwischen Kopfschütteln und Amüsiertheit, war aber zuvor, im April 2001, von der Persönlichkeit Stoibers beeindruckt.
MIT DEM TRANSRAPID VON PORTUGAL BIS MOSKAU?
Damals ergab sich die Gelegenheit, als Reporter für den Deutschlandfunk Stoiber eine Stunde lang aus nächster Nähe bei einem Messebesuch im polnischen Poznań/Posen zu beobachten. Der Ministerpräsident strotzte damals vor Energie, war ganz offensichtlich beseelt vom Gedanken, auch im Ausland ein zugleich traditionsreiches und modernes Bayern zu befördern. Deshalb half der Autor dieser Zeilen damals gerne der Stoiber begleitenden Chefreporterin des Bayerischen Rundfunks, die „Stimme des Herrn“, also eine Reportage von Stoibers Polen-Besuch mit O-Tönen, im staatlichen Posener Radio Merkury zu produzieren und zum BR nach München zu senden. Im Übrigen war nicht nur CSU-Chef Edmund Stoiber Verfechter des Transrapids - auch SPD-Verkehrsminister von Georg Leber bis Franz Müntefering förderten die Technologie. Es gab Träume von einem Portugal mit Moskau verbindenden Transrapid, später von einer mit Tempo 450 km/ befahrenen Strecke zwischen Deutschland und Polen.
Nach dem Transrapid ist vor dem Transrapid, hieß es im Juni 2009, gleich nach dem endgültigen Aus der Technologie in Deutschland. Geprüft wurden Kaufanfragen aus dem Ausland, unter anderem aus Brasilien. Das Magazin Die Wirtschaftswoche berichtete damals, der oberpfälzische Baukonzern Max Bögl, der den auf Betonsäulen lagernden Fahrweg konstruierte, habe ein billigeres Verfahren zur Herstellung der Trasse entwickelt. Dadurch würde die Magnetschwebebahn um bis zu 30 Prozent billiger als in Shanghai. Doch das Thema verschwand aus dem öffentlichen Fokus. Derweil testete der Baukonzern seit 2012 auf einer Strecke im heimischen Sengenthal seine Fortentwicklung. Anfang 2020 ging auch eine Demonstrationsstrecke im chinesischen Chengdu in Betrieb.
TRANSRAPID 2.0: JETZT DOCH ZUM FLUGHAFEN MÜNCHEN?
Jetzt, so scheint es, ist wieder die Öffentliche Hand am Zuge. Man wolle prüfen, welches technische, wirtschaftliche und ökologische Potenzial die Technologie auch im Vergleich zu anderen Transportmitteln wie U-Bahn, Regionalbahn oder Straßenbahn habe, erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am 24. Februar 2020 in München. Das Bundesverkehrsministerium will mit einer Machbarkeitsstudie den Einsatz von Magnetschwebebahnen im Nahverkehr untersuchen lassen – nämlich das "völlig neue Magnetschwebesystem Made in Germany" der Firma Max Bögl. Diese erläutert dazu, sie wolle „das Thema Magnetschweben gesamtheitlich in die Hand zu nehmen und ein neues System für den Personennahverkehr entwickeln. Die Vision: Ein zukunftsorientiertes Transportsystem aus einer Hand von den Fahrwegtrassen aus Stahlbeton über das Fahrzeug sowie der Betriebsleittechnik anzubieten, um damit die Städte von morgen zu mobilisieren.“
Die Firma Max Bögl verspricht mit ihrer Version der Magnetschwebebahn ein schnelles und wartungsarmes Fortbewegungsmittel. Beim Transrapid war Anziehung durch den unten umgriffenen Fahrweg zentrales Antriebskonzept. Die Bögl-Bahnen werden hingegen vom Fahrzeug aus angetrieben. Dabei umgibt der Fahrweg, in dem die Bahnen schweben, das Fahrwerk. Im Fahrwerk der per Linearmotor angetriebenen Bahnen sind dazu Magnete eingebaut, die das Fahrzeug in einem konstanten Schwebezustand in der Schiene halten. Die fahrerlosen Züge sind derzeit für eine Länge von zwölf Metern konzipiert und sollen mit einer Geschwindigkeit bis zu 150 km/h 127 Passagiere befördern.
Zum Einsatz kommen könnte die Technologie wo? … Natürlich am Flughafen München! Ein fulminantes Déjà vu bahnt sich an – fährt demnächst doch ein Transrapid vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen Franz Josef Strauß, mit Edmund Stoiber an Bord, der während der Fahrt Kaffee braut? Schließlich hatte Stoiber in einer Fernsehsatire vom Januar 2012 sich selbst parodiert, indem er dem TV-Büroschreck „Stromberg“ erklärte, man könne in zehn Minuten mit einer neuen Kaffeemaschine auch einen leckeren Braunen kochen! Doch die Realität ist besser als alle Drehbücher. Die Flughafen-Betreiber in München rechnen in den kommenden Jahren mit einer Zunahme der Verkehrsströme auf dem Areal des Airports, hieß es bei der Zusammenkunft mit Verkehrsminister Scheuer. Daher wolle man die Mobilität auf dem Gelände verbessern, so Flughafen-Vorstandsvorsitzender Jost Lammers: "Die jetzt auf den Weg gebrachte Untersuchung kann hier wichtige Erkenntnisse und Entscheidungshilfen liefern."