Bombardier Bautzen: Modernstes Prüfcenter für die Bahnzukunft

Radsatz 1 – 2,4 Prozent, links 58,04 kN, rechts 55,48 kN, Radsatz zieht nach links, Radsatz 2 hingegen zieht leicht nach rechts. Problemlos lassen sich die Prüfergebnisse auf dem Laptop ablesen.

Ecklastvermessung mit kombinierter vierachsiger Radlastwaage“ heißt die Prüfetappe, die hier der Mitarbeiter den geladenen Gästen vorführte. Das geprüfte Fahrzeug war einer von insgesamt 72 Zügen der Baureihe ET 490 für die S-Bahn Hamburg. Das neue Prüfzentrum am Bombardier-Standort Bautzen ist ein Ort der kurzen Wege. Hinter einer hochziehbaren Rollwand steht am Steuerpult mit Computer ein anderer Techniker.

„Berieselungsanlage“ lautet die Überschrift der Bildschirmanzeige. Gerade wird ein Doppelstock-IC für die Deutsche Bahn auf Dichtheit der Fenster geprüft.

Gleich daneben befindet sich ein zweigeteilter Hallenbereich, dessen Oberleitungen Bahnstrom führen. Hier können fertig montierte Elektrozüge zum ersten Mal einer vollen Funktionsprüfung unterzogen werden. Links in der Untersuchung: ein Talent 3 für die SWEG in Freiburg, rechts ein Talent 2 für Abellio in Stuttgart. Das ist eine wichtige Neuerung – denn jetzt können erste Prüfprozeduren bereits in bequemer Hallenumgebung durchgeführt werden, bevor die Züge dann auf einem im Außenbereich neu entstandenen Prüfgleis weiteren Tests unterzogen werden.

In blauer Farbgebung präsentierte sich ein Talent 3 für das Bahnunternehmen vlexx im Saarland. Bevor die Fahrzeuge auf die eigenen Drehgestelle gesetzt werden, werden sie im Werk auf eigens von Bombardier konstruierten ferngesteuerten Hilfs-Drehgestellen bewegt. Auch das ist eine beachtliche Neuerung – so müssen die halb fertigen Fahrzeuge nicht durch weitere Rangiermaschinen gezogen oder geschoben werden, um an ihren jeweiligen Arbeitsplatz zu gelangen.

Extra aus der kanadischen Bombardier-Zentrale war Chief Operating Officer Jim Vounassis nach Bautzen gekommen, um der Einweihung der neuen Halle beizuwohnen. Ein starkes Zeichen des Konzerns: Die deutschen Werke sind uns wichtig. Bei der Erläuterung derneuen Werkshalle wurde klar: Olaf Schmiedel, der Werkleiter in Bautzen, brennt ganz offensichtlich für „sein“ Werk. Auch andere Teilnehmer der Festveranstaltung wie der Betriebsratsvorsitzende Gerd Kaczmarek, Dr. Michael Güntner, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, Bombardier-Deutschland-Chef Michael Fohrer und der sächsische Ministerpräsident brachten aufmunternde Worte mit. „Ich bin stolz darauf, Ihnen sagen zu können: Die Hütte ist voll!“ strahlte Fohrer. „Wir haben Auslastung für nächstes Jahr, wir freuen uns, in Serie aus Bautzen viele schöne Produkte aus Sachsen in die Welt liefern zu können.“

Dem bahn manager erklärte Fohrer: „Wir haben hier ganz konsequent unsere Investitionen in Höhe von 30 Millionen Euro durchgeführt. Wir können hier hochmodern innovativ prüfen.“ Fohrer sprach sich auch dafür aus, mit den Zulassungsbehörden über die „Elektronische Akte“ in den Dialog zu treten. Bombardier und andere Hersteller dokumentieren immer mehr Prüfschritte an ihren neuen Fahrzeugen digital. Wenn solche Unterlagen ohne den Umweg über Papierdokumente für Zulassungsverfahren verwandt werden könnten, sollte der Weg zur betriebsfertigen Zulassung schneller gehen.

Begeistert über den neuen Hallenkomplex in Bautzen zeigte sich gegenüber dem bahn manager auch der Botschafter Kanadas in Berlin, Stéphane Dion: „Das ist sehr wichtig. Ich liebe Deutschland, und ich bin Kanadier. Dass Bombardier in Deutschland investiert, ist eine sehr gute Nachricht, zumal ich Abgeordneter von Saint-Lorent bin, und das seit 22 Jahren, wo sich das Hauptquartier von Bombardier befindet. Ich setze meine
Beschäftigung fort, wenn ich jetzt in Deutschland bin, das ist fabelhaft. Ich liebe sehr die Züge, die Bombardier produziert, die hervorragenden Mitarbeiter von Bombardier hier in Deutschland. Und es ist toll, dass Bombardier hier investiert.“

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer erklärte dem bahn manager eine konkrete Hilfe von Land und Stadt für das Werk: „Das Werk hatte nur einen einzigen Zugang. Das war immer die Sorge, wenn wirklich mal ein Unfall passiert, dass es dann nicht weitergeht. Deshalb haben wir uns entschieden gemeinsam mit der Stadt Bautzen, einen zweiten Zugang zu bauen über die Spree, eine Brücke, und das ist jetzt gerade in der Realisierung.“ Die Investition in Bautzen lobte Kretschmer mit den Worten: „Ich freue mich sehr, dass es hier bei Bombardier in Bautzen weitergeht. Man braucht ja Innovation, Digitalisierung, um wettbewerbsfähig zu sein gegenüber anderen Unternehmen. Das ist genau die richtige Zukunftsentscheidung, die Bombardier hier getroffen hat.“

Das VIDEO zur Einweihungsfeier findet sich unter dem LINK: https://youtu.be/NqJw_HXt4jk . Das Interview mit Sachsens Ministerpräsident Kretschmer ist zu sehen unter dem LINK: https://youtu.be/Rq2bvzOiBQI , das Gespräch mit Bombardier-Deutschland-Chef Fohrer unter dem LINK: https://youtu.be/ZHPAVtNRp_M .

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Artikel Redaktion Eurailpress
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