Brandschutz – Entscheidend für sicheren Zugverkehr
Am 25. und 26. Februar 2020 fand in Berlin die 16. Konferenz „Fire Protection in Rolling Stock“ statt, bahn manager ist Medienpartner.
Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager
Was ist zu tun, damit ein Zug erst gar nicht brennt? Und wie reagieren, wenn es doch zum Ernstfall kommt? Dieser Frage widmet sich jährlich in Berlin eine Fachveranstaltung, deren Organisator das britische Event-Unternehmen Arena International ist. Es ist erfreulich festzustellen: Auch in Zeiten des Brexit haben britische Unternehmen dem kontinentalen Europa viel zu geben und zu sagen.
„Wir sind sehr stolz festzustellen, dass wir diese Veranstaltung jetzt schon im 16. Jahr durchführen“, sagte dem bahn manager Veranstaltungs-Manager Colin Mentis. „Wir wollen die verschiedenen Beteiligten zusammenführen, die für den Brandschutz beim Eisenbahn-Rollmaterial eine entscheidende Rolle spielen. Wir wollen den Ingenieuren, den Fachleuten eine Gelegenheit geben, um sich in angenehmer Atmosphäre über neue Technologien, über neue Vorgehensweisen auszutauschen.“
Maßgeblich für den Brandschutz im Bahnwesen ist die EU-Norm 45 545 mit ihren verschiedenen Unterkapiteln. Doch die polnische Brandschutzexpertin Dr. Radziszewska- Wolińska stellte in ihrem Vortrag klar: Es gibt noch mehr Normen, die einzuhalten sind!
„Die Normen RAMS, das ist eine englische Abkürzung von Reliability, Availability, Maintainability, Safety, also Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit, Instandhaltbarkeit und Sicherheit. Das bedeutet unter Anwendung der Norm EN 50 126, dass eine Risikoanalyse durchgeführt werden muss – wir sollen mögliche Bedrohungen einschätzen, um die Sicherheit zu gewährleisten.“
Die Expertin erläuterte, die Normen RAMS würden jetzt erst eingeführt, auch für die Infrastruktur. „Sie sind noch nicht so populär. Dagegen forderten schon die am 16. Mai 2019 geänderten ‚Technischen Spezifikationen der Interoperabilität‘ die Anwendung der gemeinsamen Methoden der Bewertung des Risikos im gesamten Bereich, in allen Strukturen. Deshalb beginnen wir in unserem Warschauer Prüfinstitut, nicht nur die Materialien unter Brandschutz-Gesichtspunkten zu prüfen.“
Eine Hilfsnorm dabei ist auch die EN 50 553 mit Anforderungen für den Fall, dass ein Zug schon Feuer gefangen hat. Es muss sichergestellt werden, dass auch ein Zug mit Feuer an Bord noch bis zu einem sicheren Punkt gelangt, wo man die Reisenden evakuieren kann.
„Als ich die Prüfschritte nach dieser Norm festlegte, kam dabei eine Tabelle mit neun Seiten A 4 heraus – so viele Einzelpositionen sind zu prüfen!“ berichtete Dr. Radziszewska, die selber überrascht war, was das neue Regelwerk im Einzelnen bedeutet. Auf jeden Fall haben so die zugelassenen Prüfexperten noch mehr Arbeit als bisher schon. Die Wissenschaftlerin berichtete dem bahn manager auch von ihrem Kollegen, der einen Bahntunnel-Neubau bei Gdańsk/Danzig nach den neuen Brandschutz- und Sicherheitsnormen untersuchte. Er stellte 130 potentielle Gefahrenquellen fest!
Beruhigend: Selbst dieses Riesenproblem ließ sich beheben, der Tunnel wurde schlussendlich zugelassen…
Und was hat der Weltkonzern Henkel mit dem Bahnwesen zu tun? Auf der mit dem Berliner Kongress verbundenen Produktausstellung hörte der bahn manager von Peter Renger, Account Manager Engineering Adhesives bei der Henkel AG: „Henkel ist der größte Klebstoff-Hersteller der Welt, und eine ganz bedeutende Marke ist Loctite. Wobei Loctite im Fahrzeugbau heißt, Schrauben zu sichern, Flächen dichten und Sofortkleben. Da spielt der Brandschutz keine Rolle, weil diese Produkte in so kleinen Mengen eingesetzt werden, dass sie vernachlässigt werden können unter Brandschutz-Gesichtspunkten. Aber wir haben ja noch andere Marken, und da ist im Schienenfahrzeugbau ganz wichtig die Marke Teroson - für elastisches Kleben. Manche Schienenfahrzeug-Hersteller reden von Dickschicht-Kleben. Da wird dann der Brandschutz wichtig. Und da versuchen wir, unsere Palette entsprechend den Anforderungen auszurichten und zu erweitern.“
Weiter berichtete der Henkel-Klebstoffexperte: „Wir haben für den Schallschutz Produkte unter der speziellen Marke Teroson WT, die erfüllen die Norm HL 3. Und ein Produkt, das man sowohl zum Kleben als auch zum Dichten einsetzen kann, ist Teroson MF 909 FR, das die HL 2 erreicht.“
HL 2 und 3, das ist die Abkürzung für Hazard Level, also Gefahrenniveau – für Tunneldurchfahrten dürfen in Zügen nur Produkte verbaut werden, welche für diese Gefahrenstufen zugelassen sind. Auch die Schutzschlauchsysteme der Firma Anamet gehören dazu. Wichtige Partner des Kongresses waren auch die Markenproduzenten Milwaukee Composites, SMT, Consilium, Silicone, aero-x, Fogtec, Wagner, Hexion und Mäder. Referate betrafen dieses Mal besonders Tunneldurchfahrten und Evakuierungen von Zügen im Notfall.
Der nächste Kongress „Fire Protection in Rolling Stock“ wird am 24. und 25. Februar 2021 stattfinden - wieder in Berlin. Auf der Bewegtbild-Plattform des bahn managers ist ein VIDEOBERICHT vom Kongress eingestellt unter dem Link: https://youtu.be/52bumsfpiz8
Das Video mit dem Colin Mentis-Interview ist zu finden unter dem LINK: https://youtu.be/ckCifrrVBdg