Fusion Alstom-Bombardier: EU-Entscheidung am 31.07.2020, Bund und Länder: Bürgschaf
Die Entscheidung der EU-Wettbewerbshüter über den Fusionsantrag der Bahnkonzerne Alstom und Bombardier wurde auf den 31. Juli verschoben, Bund und Länder wollen offenbar Bombardier Deutschland mit einer Bürgschaft helfen.
Das neue Datum der „provisorischen Deadline“ wird auf der Webseite der EU-Wettbewerbsbehörde unter der Fallnummer M (Merger = Fusion) 9779 angegeben. Damit hat die Kommission zwei weitere Wochen Zeit, um die Konzessionen der Fusionäre zu prüfen sowie Stellungnahmen von Mitbewerbern und Kunden der Konzerne einzuholen. Zuletzt hatte sich Alstom bereiterklärt, als Gegenleistung für die Fusionsgenehmigung auch seinen bei vielen Kunden geschätzten Regionalzug Coradia Polyvalent zu verkaufen, der mit Hybrid- oder Elektromotoren angeboten wird.
Zu Flugblattaktionen sowie einer „aktiven Frühstückspause“ vor den Werktoren der Bombardier-Werke Hennigsdorf, Bautzen und Görlitz sowie bei Alstom Salzgitter waren dem Ruf der Gewerkschaft IG Metall am 16. Juli jeweils mehrere hundert Mitarbeiter der Werke gefolgt. In Hennigsdorf hörte sich der neue kommissarische Deutschlandchef von Bombardier Marco Michel die Sorgen der Beschäftigten um ihren Arbeitsplatz an und drückte Verständnis aus. Argumentativ zu Hilfe kam Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD):
"Wir als Landesregierung sehen es ganz deutlich so, dass der Standort Hennigsdorf nur langfristig gesichert werden kann, wenn dieser Verkauf an Alstom gelingt." Es gebe klare Zusagen von Alstom, "dass sie die zusätzliche Produktionskapazität dringend benötigen und damit auch den großen Teil der Beschäftigten in Hennigsdorf erhalten werden".
Offenbar ist, bedingt durch Probleme beim Mutterkonzern und Strafzahlungen wegen Lieferverzögerungen im Bahnbereich, die finanzielle Lage bei Bombardier Transportation nicht rosig, obwohl die Auftragsbücher gut gefüllt sind. Bereits im Juni hatte die Belegschaft der französischen Bombardier-Produktionsstätte in Crespin den Standort mit einer Blockade überzogen. Anlass war die Ankündigung des Managements gewesen, den Jahresurlaub um eine Woche zu kürzen, um die Corona-Produktionsausfälle auszugleichen. Der angebotene Finanzausgleich hätte den Lohnausfall von 16 Prozent wegen Kurzarbeit über zwei Monate Corona-Stopp bei weitem nicht ausgeglichen. "Wir können nicht zustimmen, der soziale Dialog ist kompliziert oder gar nicht vorhanden", hatte sich im Namen des Gewerkschafts-Zusammenschlusses Intersyndicale der Gewerkschaftssekretär der Süd-Sektion bei Bombardier Karim Kathabi empört und mit Bezug auf die Fusionspläne geäußert: „Warum sollen wir Anstrengungen unternehmen, um die Konten eines zukünftigen Ex-Arbeitgebers zu retten?“
Für die deutschen Bombardier-Werke hatte der scheidende Präsident Michael Fohrer nach Sanierungsplänen 2015 und 2018 noch Wochen vor seinem Abgang ein weiteres Sparprogramm vorgelegt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ FAZ berichtet, die deutsche Bombardier-Gesellschaft sei Teil eines konzernweiten Cash-Pooling-Systems und könnte so theoretisch auf internationale Kreditlinien zurückgreifen. Allerdings gäbe es offenbar keine Reserven. Daher versuche Bombardier wegen des hohen Bedarfs, international Avallinien über 2,7 Milliarden Euro abzusichern. Teilweise würden jetzt Bund und diejenigen Bundesländer als Bürgen einspringen, in welchen sich Produktionsstandorte von Bombardier befinden. Denn derartige Avallinien würden von einem Bankenkonsortium aus Commerzbank, Deutscher Bank und der staatlichen Förderbank KfW unter der Voraussetzung gewährt, dass es Bürgschaften der öffentlichen Hand gibt.
Die Rede ist von Bürgschaften über 750 Millionen Euro. Damit können Anzahlungen von Bombardier-Kunden auf laufende Bestellungen abgesichert werden. „Die Höhe der Bürgschaften, mit denen Bombardier rechnen kann, werden nach Größe der Standorte auf die Länder verteilt“, meldet die FAZ. „Den höchsten Anteil soll Brandenburg mit knapp 117 Millionen Euro übernehmen, Sachsen hat fast 108 Millionen Euro zugesagt, auf Nordrhein-Westfalen entfallen 37 Millionen Euro und auf Hessen 34 Millionen Euro. Baden-Württemberg hat 41 Millionen Euro zugesagt, aber die Gewährung der Bürgschaft ausdrücklich vom Erhalt der rund 850 Arbeitsplätze in Mannheim, einem wichtigen Entwicklungsstandort für Antriebs- und Steuerungstechnik, abhängig gemacht.“
Für Bombardier scheint die Fusion mit dem stabiler aufgestellten Alstom-Konzern also Sinn zu machen. Ob Alstom genauso gewinnt? Ziel soll eine schlagkräftige Aufstellung in Europa und der Welt sein, um der Konkurrenz aus Fernost wie CRRC (China) und Hitachi (Japan) besser Paroli bieten zu können. Doch wenn als Bedingung der EU für die Genehmigung der Fusion bewährte Produkte wie die Züge Coradia und Talent 3 auf dem freien Markt verkauft werden sollen, darf man doch die Frage stellen, welche Mitbewerber denn als Käufer des Zug-Know How mitsamt Produktionsstätten überhaupt in Frage kämen. Vielleicht ausgerechnet… nur CRRC und Hitachi…?
Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager