Öko-Label als moderne Lösung für mehr Nachhaltigkeit im Güterverkehr

FOTO: DEUTSCHE BAHN AG / WOLFGANG KLEE

Der Personen- und Gütertransport verursacht einen erheblichen Anteil klimarelevanter Emissionen. Wie können diese Emissionen für ­Verbraucher und Logistikunternehmen transparent dargestellt werden? Eine mögliche Lösung bietet ein neues Labelsystem, wovon insbesondere der Schienensektor profitieren könnte.

Dieser Artikel enstammt der bahn manager-Ausgabe 02/2023.

Landgebundene Verkehrsmittel, also vorrangig Lkw und Züge, sind für den Güterverkehr in Europa von besonderer Bedeutung. Hierfür eine umweltorientierte Lösung zu finden hat unmittelbare Auswirkungen auf die Erreichung der Klimaziele. Um eine Reduktion von Emissionen zu erzielen, wurden von der Europäischen Union bereits in den vergangenen Jahren Maßnahmen ergriffen: So wurde der EU-weite Emissionshandel bereits im Jahr 2005 in Kraft gesetzt, für den Transportsektor kam 2021 der nationale Emissionshandel dazu. Dieser macht den Erwerb von Zertifikaten für das Inverkehrbringen von fossilen Treibstoffen verbindlich – ihre Preise hängen von der Höhe der Emissionen beim späteren Verbrennen ab. So werden die Unternehmen in die Verantwortung genommen, nicht aber die Konsumenten. Auch andere regulatorische Maßnahmen haben einen direkten Einfluss auf die Unternehmen der Verkehrswirtschaft, wie beispielsweise veränderte Tourenpläne aufgrund von Dieselfahrverbotszonen. Zusätzlich ist zu beobachten, dass auch Konsumenten und die verladende Wirtschaft zunehmend emissionsarme Transportdienstleistungen einfordern.

Öko-Label als moderne Lösung
Diesen Forderungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft könnte die Logistikbranche mithilfe der Einführung von Öko-Labeln gerecht werden. Öko-Label haben sich in anderen Bereichen bereits etabliert, um Produkte und Dienstleistungen basierend auf ihrem Umwelteinfluss zu kennzeichnen. Dabei werden Öko-Label anhand einer standardisierten Skala vergeben, aus welcher sich die Güte intuitiv durch Farben ablesen lässt: Grün für gut, über Gelb und Orange bis Rot für schlecht. Für den Transport von Sendungen könnten Öko-Label genutzt werden, um Umweltpräferenzen von Kunden zu berücksichtigen oder um einen Wettbewerbsvorteil durch das Ausweisen besonders emissionsarmer Transportwege zu erlangen. Allerdings ist die Ermittlung eines Öko-Labels für Güterverkehre nicht einfach, da Transportemissionen von einer Vielzahl von Faktoren und Entscheidungen der Logistikunternehmen abhängen.

Berechnung von Öko-Labeln
Die Berechnung eines Öko-Labels für Transporte bedarf einer verlässlichen Abschätzung der von einem Transportprozess verursachten Emissionen. Dies ist jedoch ein komplexes Unterfangen, da die verursachten Emissionen von einer Vielzahl operativer Faktoren und Entscheidungen der Logistikunternehmen abhängen, wie die Disposition von Fahrzeugen und Konsolidierungsentscheidungen. Generell sind zwei Aspekte relevant: die Ermittlung von Emissionen eines einzelnen Verkehrsmittels und die Umlegung der Emissionen auf die Einzelsendungen, die von diesem gemeinsam transportiert werden.
Um bereits vor dem Transport die entstehenden Emissionen bestimmen zu können, bedarf es Modellen zur Schätzung der benötigten Energie eines Verkehrsmittels. Von diesem Energieverbrauch lässt sich die Höhe der Emissionen ableiten. Hierbei spielen unterschiedliche Faktoren, wie z. B. Geschwindigkeit, Gewicht und die zurückzulegende Strecke, eine wichtige Rolle. Darüber hinaus sind auch die Emissionen in der Energiegewinnung zu berücksichtigen, wie beispielsweise Emissionen aus der Erzeugung des für den Antrieb von Zügen notwendigen Stroms. Ein in der Praxis weit verbreitetes und DIN-zertifiziertes Modell ist „EcoTransIT World“.
Nach der Ermittlung der Emissionen eines Verkehrsträgers sind diese auf die einzelnen Sendungen umzulegen, also aufzuteilen. Dieser Schritt ist besonders relevant, wenn mit einem Verkehrsmittel mehrere Sendungen gemeinsam transportiert werden. Dies ist im Bahnverkehr oft der Fall, beispielsweise, wenn im Sammelgutverkehr Sendungen zwischen unterschiedlichen Sendern und Empfängern in einer Tour bewegt werden.
Das Umlegen von Emissionen auf Sendungen erfolgt unabhängig von der Methode der Ermittlung der Emissionen des Verkehrsträgers. Generell können Umrechnungsansätze aus dem Kostencontrolling übertragen werden, welche beispielsweise bei Kooperationen zwischen Unternehmen zur Anwendung kommen. Nicht alle dieser Methoden sind für die Umrechnung von Emissionen geeignet, und nicht alle sind erlaubt. Die DIN 16258 beschreibt unterschiedliche Methoden, wobei im Grundsatz die Emissionen relativ zu den Tonnen-Kilometern, also dem Produkt aus der Frachtmenge (Tonnen) und der zurückgelegten Entfernung (Kilometer) zu verteilen sind. Anstelle von Tonnen kann die Frachtmenge auch durch andere Einheiten ausgedrückt werden, wie beispielsweise durch ihr Volumen oder eine Palettenmenge. Unternehmen können die Methoden in gewissem Rahmen frei wählen, was einen erheblichen Einfluss auf die Emissionsmenge haben kann, die einer Sendung schlussendlich zugewiesen wird. Experimente mit realistischen multimodalen Transporten haben gezeigt, dass ein bestimmter Wert von Emissionen pro Sendung allein durch die „optimale“ Wahl der Umlegungsmethode erreicht werden kann, ohne dazu den Tourenplan zu verändern.

Öko-Label für Sendungen
Das Öko-Label einer Sendung kann durch die Betrachtung aller Teilstrecken des Transports ermittelt werden. Die ermittelten Gesamtemissionen werden dann mit einer Skala verglichen, welche die Emissionen der Sendung im Vergleich zu anderen Sendungen darstellt. Diese Skala wurde im Rahmen eines ­DFG-Projektes an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel und der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg entwickelt und basiert auf einer Simulation von Gütersendungen im realen Schienen- und Straßennetz in Europa. In der Skala werden Öko-Label vom Verhältnis aus Emissionen, gemessen als Gramm CO2 Äquivalente (gCO2e), und der Verkehrsleistung, gemessen pro Tonnen-­Kilometer (ton•km) bzw. pro Paletten-Kilometer (pal•km), abgeleitet. Beispielsweise wird das Label „A“ an Sendungen verliehen, deren Transport weniger als 10 Gramm CO2 Äquivalente pro Tonne und pro Kilometer verursacht, während das Label „E“ an Sendungen verliehen wird, deren Transport mehr als 52 Gramm CO2 Äquivalente pro Tonne und pro Kilometer verursacht. An dieser Skala können sich Forschung und Praxis orientieren.

Einsatzfelder von Öko-Labeln
Für die Transportlogistik ergeben sich derzeit zwei konkrete Anwendungsfelder für Öko-Label. Erstens könnte das Öko-Label einer Sendung ermittelt und an den Kunden der Sendung kommuniziert werden. Dies kann im Vorfeld durch die Schätzung von Emissionen oder im Nachgang durch die Ermittlung der tatsächlichen Emissionen erfolgen. Zur Bestimmung des Öko-Labels kann beispielsweise die bereits genannte Skala verwendet werden. Diese innovative Form der Kommunikation gegenüber umweltorientierten Kunden kann Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil bringen.
Zweitens könnte dem Kunden die Möglichkeit gegeben werden, bereits beim Aufgeben eines Transportauftrags ein gewünschtes Öko-Label auszuwählen und somit seine Präferenz dem Unternehmen direkt mitzuteilen. Für Unternehmen ergibt sich damit die Herausforderung, diese zusätzliche Entscheidungsebene in die Transportplanung zu integrieren. Mithilfe von Öko-Labeln könnten auch Zielkonflikte gegenüber dem Kunden transparent gemacht werden. Beispielsweise müssen unter Umständen höhere Transportzeiten in Kauf genommen werden, wenn eine Sendung ein grünes Label erhalten soll, da der Transport ggf. mit einem langsameren Verkehrsmittel mit besserer Emissionsbilanz erfolgen muss.

Chancen und Risiken der Öko-Label
Öko-Label bieten somit die Möglichkeit, den ökologischen Fußabdruck von Sendungen standardisiert abzubilden. Kunden können ihre ökologische Präferenz und Logistikunternehmen ihre ökologischen Fähigkeiten kommunizieren. Da der Transport von Gütern mit der Bahn oft weniger Emissionen verursacht als der Transport auf der Straße, könnte dies positive Auswirkungen auf den Schienensektor haben. Öko-Label geben damit nicht nur Orientierung, sondern haben auch eine Lenkungswirkung in einem komplexen Umfeld. Diese Form der Transparenz kann so insgesamt zu nachhaltigeren Logistiklösungen führen.
Neben Emissionen ließen sich auch weitere ökologische Kennzahlen in Skalen für Öko-Label integrieren, beispielsweise könnte zusätzlich der Ausstoß von Feinstaub abgebildet werden oder die zurückgelegten Gesamtkilometer. Eine Skala mit mehreren Kennzahlen ist in der Lage, Schwachstellen einzelner Kennzahlen auszugleichen.
Jedoch bergen Öko-Label auch Risiken. Derzeit gibt es keine allgemeingültige Skala für die ökologische Wirkung einer Sendung, an welcher sich Kunden oder Unternehmen der Logistikwirtschaft orientieren könnten. Es besteht die Gefahr, dass sich im Markt mehrere Label, basierend auf unterschiedlichen Methoden und mit unterschiedlichen Kennzahlen, etablieren, was die Orientierung für Kunden deutlich erschweren würde. Regulatorische Instanzen könnten hier unterstützen. Die Skala von Öko-Labeln bezieht sich außerdem auf den derzeitigen Stand der Technologie und muss kontinuierlich angepasst werden. Erfolgt die Anpassung zu spät, können Öko-Label die erhoffte Lenkungswirkung nicht erzielen. Dies ist gerade wichtig, da der Logistiksektor großen technologischen Veränderungen gegenübersteht, wie beispielsweise dem Umstieg auf die E-Mobilität. Ein weiteres Risiko für Unternehmen ist die bereits heute hohe Komplexität in der Ermittlung von optimalen Transportplänen. Diese Entscheidungsebene würde zusätzlich um die Präferenzen hinsichtlich des Öko-Labels von Sendungen erweitert werden. Dies erfordert den Einsatz von noch leistungsfähigeren Algorithmen.
Trotz der genannten Risiken ist die Einführung eines Öko-Labels eine moderne Lösung für die Herausforderungen der Logistikbranche, die im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie steht.

Autor: Dr. Arne Heinold ist Wissenschaftler an der Professur für Supply Chain Management der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und wurde unter anderem mit dem Wissenschaftspreis Logistik 2022 von der Bundesvereinigung Logistik e. V. für seine Dissertation zum Thema „Emissionsorientiertes Management landgebundener Güterverkehre“ ausgezeichnet.

Artikel Redaktion Eurailpress
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