Tornesch: Tödlicher Unfall durch Sogwirkung eines passierenden Zuges

Vorbeifahrender Zug Tornesch
Foto: pixabay

Im schleswig-holsteinischen Tornesch starb ein Reisender am Bahnsteig an den Folgen der Sogwirkung eines vorbeifahrenden Regionalzugs. Warnschilder waren ausgehängt, aber offenbar viel zu hoch.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Der Unfall ereignete sich am 17. Januar 2020 gegen 10 Uhr. Vorläufige Untersuchungen ergaben, dass der Reisende innerhalb des markierten Abstandsbereichs am Bahnsteig stand. Der vorbeifahrende Zug erfasste den Mann durch seinen Sog, er wurde zunächst gegen den Zug geschleudert und fiel dann abgestoßen auf den Bahnsteig, wo er seinen Verletzungen erlag.

Bereits 2011 meldete das ARD-Magazin „Kontraste“, dass laut Eisenbahnbundesamt zwischen 2006 und 2010 18 Menschen durch Unfälle an Bahnsteigen gestorben seien. Teilweise war wohl Eigenverschulden mit im Spiel, etwa Sitzen an der Kante des Bahnsteigs. Doch teilweise wurden die Reisenden offenbar einfach überrascht durch die Zug-Durchfahrt. Einer Mutter wurde beispielsweise der Kinderwagen aus der Hand gerissen – sie hatte keine Bremse eingeschaltet – Wagen und Kleinkind wurden durch die Luft geschleudert, das Baby erlag seinen Verletzungen. Ähnliche Ereignisse werden immer wieder einmal gemeldet.

Nach dem öffentlichen Schock durch den genannten Fernsehbericht stellte die Deutsche Bahn an zahlreichen Bahnhöfen dreieckige Warnschilder auf. Diese zeigen eine Person, die innerhalb des markierten Sicherheitsabstands am Bahnsteig steht und auf eine Lokomotive kippt. Der Verfasser dieser Zeilen machte seinerzeit mit dem Ehrenvorsitzenden von Pro Bahn, Klaus-Peter Neumann, eine Umfrage auf Berliner Bahnsteigen. Dabei waren viele Befragte nicht in der Lage, das Warnschild korrekt zu erklären. Es gab zum Beispiel Erläuterungen wie „Bitte nicht in die Gleise springen!“ oder „Nicht ins Gleis fallen!“

Inzwischen gibt es auf vielen DB-Bahnhöfen zusätzlich zu dem offenbar interpretierungsbedürftigen Schild die schriftliche Erklärung: „Vorsicht schnelle Vorbeifahrten! Gekennzeichneten Bereich erst betreten wenn Zug hält!“ Doch auf einem so großen Bahnhof wie Hamm in Westfalen war noch zum Wochenende nur das Warnschild ohne die Erklärung ausgehängt.
Deshalb empfiehlt bahn manager: Überall sollten die schriftlichen Erklärungen zusammen mit dem Warnschild hängen. Zusätzlich sollte klar das Wort „Sogwirkung!“ eingefügt werden. Ferner müssen die Schilder auf Kopfhöhe hängen und nicht, wie in Tornesch, in über drei Metern Höhe, wo sie dann kaum wahrgenommen werden und auch schlicht zu klein sind.

Entscheidend scheint, dass sich Reisende über den Grund der Warnungen bewusst werden. Am Anfang wie am Ende eines vorbeifahrenden Zuges entsteht eine starke Sogwirkung, die umso gefährlicher ist, je schneller der Zug fährt und je näher der Reisende zur Bahnsteigkante steht. Besonders tückisch sind gemischte Güterzüge. Erst ein Container, dann ein leerer Transportwagen – das garantiert einen plötzlichen heftigen Sog, genau so, wenn nach dem Flachwagen wieder ein hoher Güterwagen passiert. Offenbar ist es Zügen derzeit erlaubt, Bahnhöfe mit bis zu 160 Stundenkilometern zu passieren – Grund genug, um auch in den Schulen auf die damit verbundene Gefahr hinzuweisen.

Eine generelle Pflicht zum langsamen Fahren in Bahnhöfen hält Pro Bahn-Ehrenvorsitzender Klaus-Peter Neumann für unrealistisch, das würde die Züge insgesamt ausbremsen und weniger konkurrenzfähig gegenüber der Straße machen. Erwarten könnte man jedoch eine akustische Ansage „Vorsicht am Gleis X – Zugdurchfahrt!“ Derzeit ist dieses offenbar nicht Pflicht.

Artikel Redaktion Eurailpress
Artikel Redaktion Eurailpress