Interviews

Dr. Rüdiger Grube

"Das Image des Konzerns ist mir nicht gut genug."


Die Deutsche Bahn erlebt spannende Zeiten: Auf der Schiene staut sich der Verkehr, die EU will die Kapitalströme zwischen Infrastruktur- und Holdinggesellschaften kappen. Bei Fahrzeugen gibt es Kompatibilitätsprobleme. In der ETR-Ausgabe vom Dezember 2011 sprach Dr. Rüdiger Grube über seine Ziele, Netz und Netzgewinn, Dividende, Börsenpläne und Lärmprobleme.

 

Herr Dr. Grube, Sie sind angetreten, mit dem Anspruch, das Brot und Buttergeschäft der Deutschen Bahn wieder in Ordnung zu bringen. Inwieweit ist Ihnen das in der Zwischenzeit  gelungen und wie zufrieden sind insbesondere Ihre Kunden im Güterverkehr? 

Mein übergeordnetes Ziel lautet: Kunde, Kunde und nochmals Kunde. Als ich 2009 bei der Deutschen Bahn angetreten bin, befanden wir uns in einer Weltwirtschaftskrise. Der DB drohte der freie Fall: Wir verloren über 4 Mrd. EUR Umsatz; zwar nicht im Personenverkehr, aber 1 Mrd. EUR im Schienengüterverkehr und 3 Mrd. EUR in der Logistik. Inzwischen haben wir nicht nur die 4 Mrd. EUR zurückgeholt, wir haben den Umsatz sogar noch um 5 Mrd. EUR gesteigert. 2009 waren wir auf 29,3 Mrd. EUR zurückgefallen, jetzt erwarten wir für 2011 über 38 Mrd. EUR. Das ist ganz besonders der Erfolg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wissen, wir können nur existieren, wenn wir zufriedene Kunden haben und dies wiederum setzt begeisterte Mitarbeiter voraus. 

 

Sie schließen also aus dem wirtschaftlichen Erfolg, dass die Kunden mit den Leistungen der Deutschen Bahn zufrieden sind?

Natürlich gibt es Dinge, die man besser machen kann. Bei der Pünktlichkeit, gerade auch im Schienengüterverkehr, lässt sich noch einiges verbessern. Pünktlichkeit ist letztendlich das Produkt aus vielen Faktoren. Sie kennen unsere Themen: Fahrzeugverfügbarkeit, Infrastruktur, IT-Systeme, Reiseinformation. Da gibt es noch vieles zu tun. Deswegen beschäftige ich mich vor allem mit unserem Brot- und Buttergeschäft und nicht mit Börsenplänen. Erst kommt die Pflicht, dann die Kür. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel.

 

Sie erwähnten das Stichwort Preiserhöhungen. Sind Sie der Meinung, dass im Güterverkehr die Bahn die Möglichkeit hat, eine eigene Preispolitik zu machen oder muss sie sich nach der Straße richten? 

Ich meine, ja, die Preise lassen sich erhöhen. Wichtig ist nur, dies gilt aber für alles, was wir machen: Wir müssen dabei maßvoll sein – im Fernverkehr haben wir zum Beispiel im vergangenen Jahr die Preise gar nicht erhöht. Zugleich ist die Kostenentwicklung wirklich signifikant. Durch die Umstellung des Energiebezugs von Kernkraft auf andere Energieträger haben wir allein in diesem Jahr eine Mehrbelastung von 100 Mio. EUR zu tragen; über die nächsten fünf Jahre sind es sogar 250 Mio. EUR. Oder nehmen Sie die Personalkosten, oder die Kosten infolge höherer Sicherheitsauflagen nach dem Unfall von Viareggio. Seitdem brauchen wir über 10.000 Achsen im Jahr mehr als früher. Auf diese Kostenentwicklungen müssen wir reagieren. Wir machen einiges zwar durch Effizienzsteigerungen wett, aber damit allein lassen sich die Kostensteigerungen nicht kompensieren.

 

Ist es dann nicht riskant, mit der Politik vorab über Jahre hinweg Vereinbarungen über Dividendenzahlungen zu treffen, die noch gar nicht verdient sind?

Es wird Sie überraschen, aber ich bezahle gern eine Dividende. Denn eine Dividende können wir nur zahlen, wenn wir Geld verdienen. Natürlich habe ich am Anfang darauf aufmerksam gemacht, dass ich das Verfahren nicht gut finde. In einem guten DAX-Unternehmen wird jedes Jahr das Ergebnis abgewartet und dann über die Dividende entschieden, je nach Politik des Hauses ist das eine Ausschüttungsquote zwischen 30 und 40 Prozent. Das ist ein Verfahren, wie ich es mir wünsche. Denn wir legen sehr viel Wert darauf, dass wir ein normales Unternehmen sind. Doch in diesem Fall ist die Entscheidung anders gelaufen. Um das zu verstehen, muss man die Abläufe in der Politik kennen. Der Bund macht einen Vierjahresplan für seinen Haushalt. Darin muss er Annahmen einsetzen; dies waren im Falle der DB-Dividende viermal 500 Mio. EUR. Ich bin aber froh, dass wir aus der Not eine Jugend machen konnten. Die Hälfte geht ab 2014 in den Bedarfsplan Schiene. Der Bedarfsplan Schiene ist ja der Topf, aus dem neue Projekte bezahlt werden. Die Vorgänger von Herrn Ramsauer hatten viel Tinte in ihrem Füllhalter und viele Verträge unterzeichnet, die überwiegend nicht finanziert sind. Darum fehlen auf lange Sicht zweistellige Milliardenbeträge. 

 

Aber unglücklich werden die Eisenbahnen über diese Vorhaben nicht sein. Welche Mittel wären denn pro Jahr erforderlich, um die Projekte abzuarbeiten? 

Wenn ich alle Projekte aufaddiere, die heute im vordringlichen Bedarf stehen, komme ich auf 30 Mrd. EUR, die sich auf 15 Jahre verteilen. Das heißt, wir brauchen jedes Jahr 2 Mrd. EUR. Wir haben aber nur 1,4 Mrd. EUR jährlich, und darin sind schon 200 Mio. EUR an Eigenmitteln der DB enthalten. Bis 2015 stellt uns die Bundesregierung jährlich im Durchschnitt 250 Mio. EUR mehr für den Bedarfsplan aus dem „Finanzierungskreislauf Schiene“ zur Verfügung. Damit können wir die laufenden Projekte weiterbauen. Wir haben dazu ein zinsloses Darlehen in Höhe von 583 Mio. EUR vorzeitig an den Bund zurückgezahlt. Dieser wiederum stellt uns davon jährlich Investitionsmittel zur Verfügung, ganz nach dem Motto: Schiene finanziert Schiene.

 

Wie beurteilen Sie die Fortschritte im Infrastrukturausbau in Deutschland?

Mich rufen viele Spediteure an und sagen: „Wir möchten viel mehr mit euch machen. Auf der Straße kommen wir einfach nicht mehr durch.“ Aber das Problem haben wir auf der Schiene auch. Nehmen Sie den Knoten Hannover, nehmen Sie Fulda, nehmen Sie Nürnberg: Da stehen die Züge heute ähnlich wie die Flugzeuge auf den Flughäfen und warten auf ihren Slot. Deshalb werbe ich ja sehr für den Ausbau der Schiene. Alles, was wir im Bereich Infrastruktur machen, muss aber vier Zielen dienen. Das eine ist, wir müssen die Infrastruktur für höhere Geschwindigkeiten ausbauen – nicht 330 oder 350 km/h, 230 oder 250 km/h sind ausreichend. Das zweite Thema ist, wir müssen die schnellen und langsamen Verkehre voneinander trennen. Und das dritte ist, wir müssen die Verkehrsträger stärker miteinander verbinden. Die großen Flughäfen brauchen einen Schienenanschluss an den Fernverkehr. Diese Situation haben wir heute aber nur in Frankfurt, in Köln, in Düsseldorf, Leipzig und ab nächstem Sommer in Berlin. Danach ist Stuttgart an der Reihe (lächelt vielsagend). Und last, but not least: Die Auflösung der bestehenden Bahnknoten. 

 

 Sie sprechen davon, von der stärkeren Integration der Verkehrsträger. Haben Sie weiterhin Berührungsängste beim Thema Lang-Lkw?

Nein, wir sind keine Blockierer, wir haben auch keine Berührungsängste. Darum haben wir es auch für sinnvoller gehalten, uns an der Ausgestaltung der Bedingungen für den Feldversuch zu beteiligen als das Feld anderen zu überlassen. Wir haben uns mit dem Verband der  Automobilindustrie darauf verständigt, dass die Einheiten kranbar sein müssen und auf unsere Wagen passen. Wir sind für alles, was die Co-Modalität der Verkehrsträger fördert und gegen alles, was ihr schadet. Integration der Verkehrsträger ist, wie Sie sagen, ein Weg aus dem Finanzierungsengpass beim Infrastrukturausbau. 

 

Könnten Sie dem Bund nicht aus der finanziellen Klemme helfen, indem Sie die Börsenpläne wiederaufleben lassen?

Ich bin nicht generell gegen einen Börsengang, aber ein Börsengang darf kein Selbstzweck sein. Man geht an die Börse, wenn man Liquidität benötigt oder Schulden abzahlen will. Wir sind in der glücklichen Situation, dass wir unseren Betrieb und alle notwendigen Investitionen aus den Einnahmen finanzieren können. Wir wären doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir jetzt an die Börse gehen und Teile des Unternehmens unter Wert verkaufen würden. Deshalb sage ich: „Jetzt lasst uns erst einmal unsere Hausaufgabenmachen.“ Und wenn wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, dann schauen wir weiter. Aber nicht andersherum. Gleichzeitig sage ich auch, wir führen die Deutsche Bahn schon heute wie ein DAX-Unternehmen. Da gibt es keinen Unterschied, zum Beispiel zu Daimler.

 

Planen Sie einen weiteren Ausbau der DB-Aktivitäten auf dem internationalen Markt?

Unser Interesse ist je nach Markt ganz unterschiedlich. Im Personenverkehr beabsichtigen wir zum Beispiel nicht, nach China zu fahren. Fernverkehr, Regionalverkehr und Busverkehr – das, was wir als Personenverkehr bezeichnen – ist ein europäisches Geschäft. Da öffnen sich die Märkte und daran wollen wir aktiv teilhaben. Der Schienengüterverkehr ist ebenfalls ein europäisches Geschäft, mit Ausnahme unserer China-Züge. Im Landverkehr wollen wir ebenfalls das europäische Geschäft betreiben, darauf konzentrieren wir uns. Luftfracht ist dagegen ein weltweites Geschäft, das Gleiche gilt für die Seefracht. Kontraktlogistik ist ebenfalls ein globales Business. Dieses Gesamtkonzept hat sich übrigens in der Wirtschaftskrise sehr bewährt. Dank hoher Flexibilität sind wir gut durch die Krise gekommen. Wir sind sogar besser nach der Krise als vorher.

 

Wie hat sich die Übernahme von Arriva entwickelt? Profi tiert die DB davon?

Unsere Erwartungen an die Akquisition von Arriva haben sich voll erfüllt: Wir sind im Umsatz gewachsen, ebenfalls beim Ergebnis. Es lief sogar besser, als ich es mir vorgestellt habe, dies gilt auch für den persönlichen Umgang. Ich kenne bekanntlich aus meinem Berufsleben einige Integrationsprozesse – es gelingt nicht immer alles. Aber mit Arriva verlief die Integration ausgesprochen positiv. Darüber sind wir gemeinsam sehr froh. Auf europäischer Ebene gibt es Bestrebungen, Kapitalströme zwischen den Infrastrukturunternehmen und den Holdinggesellschaften zu kappen. Die Deutsche Bahn wehrt sich gegen solche Vorgaben. Ist der Gesamtkonzern ohne die Finanzströme aus der Infrastruktur nicht existenzfähig? Die Annahme, dass die Deutsche Bahn aus dem Netz die großen Kapitalströme zieht, ist mit Verlaub völliger Blödsinn. Ich würde umgekehrt sagen: Trotz des Netzes und nicht wegen des Netzes war die Deutsche Bahn in der Vergangenheit erfolgreich. Eines darf man nicht vergessen: Bis 2007 hat die Deutsche Bahn nur Geld in die DB Netz AG gesteckt. Unter dem Strich hat die DB kumuliert nur Verluste gemacht. 

 

Aber in letzter Zeit weist das Netz doch ansehnliche Gewinne aus, und nach der Finanzplanung sollen diese Gewinne in den kommenden Jahren noch kräftig steigen. 

Wissen Sie, was bei einem EBIT von 860 Mio.EUR als „net operating profit“ herauskommt, „after tax“? Sehen Sie einmal den Kapitalfluss an: 2010 hatte die DB Netz AG einen handelsrechtlichen Verlust von 43 Mio. EUR. Da soll mir doch einer mal erklären, dass wir mit dem Netz große Gewinne machen. Ganz im Gegenteil. Wir stecken aus unserem Eigenkapital jedes Jahr 1 Mrd. EUR in das Netz hinein. Wenn morgen der Ergebnisabführungsvertrag zwischen der DB Netz AG und der DB AG gekündigt würde, sähe die DB keinen Anlass, 1 Mrd. EUR in das Netz zu stecken. Es stimmt, dass wir mittlerweile das Netz so managen, dass es sich trägt. Aber wir sind noch weit davon entfernt, dass die Kapitalkosten verdient werden. Wir haben einen Return on capital employed (ROCE) von gerade einmal rund 3 Prozent. Jeder Investor würde mindestens 7 bzw. 8 Prozent erwarten. 

 

Aber es ist doch sicher interessant, die Fäden in der Hand zu haben und auf diese Weise Einfluss auf die Produktivität nehmen zu können.

Wir dürfen doch den Kern der Diskussion nicht vergessen: Man möchte mehr Wettbewerb auf der Schiene haben, und der Wettbewerb soll natürlich diskriminierungsfrei sein. Fakt ist: Auf dem deutschen Netz fahren so viele Betreiber wie auf keinem anderen Netz der Welt. Der Grund dafür ist, dass der Markt seit der Bahnreform 1994 offen ist und dass es in Deutschland eine Regulierung gibt, die so stark ist wie in keinem anderen Land sonst. Deshalb drängen ja auch weiter Wettbewerber auf den deutschen Markt. So viele, wie nirgends auf der Welt. Das muss einen guten Grund haben!

 

Wie unabhängig ist DB Netz denn von der Holding? 

Die DB Netz AG hat einen eigenen Rechtsmantel. Es gibt ein unabhängiges Buchungssystem für die Trassen. Ein Unabhängigkeitsbeauftragter wacht über die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und schreibt jedes Jahr einen entsprechenden Report für das Eisenbahn-Bundesamt. Die Arbeitsverträge des Managements sind mittlerweile keine Konzernarbeitsverträge mehr, sondern Arbeitsverträge der DB Netz AG. Auch Trassenpreiserhöhungen müssen von der Bundesnetzagentur freigegeben werden. Das alles sollen doch unsere Wettbewerber im europäischen Ausland erst einmal organisieren. 

 

Wie stehen Sie zu den europäischen Vorgaben auf dem Gebiet Infrastruktur und Betrieb, die auch Deutschland betreffen? Versprechen Sie sich von Frachtkorridoren, der Ausrüstung von Strecken mit der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ERTMS/ETCS und der Definition der Transeuropäischen Verkehrsnetz-Strecken insgesamt einen Schub für den Güterverkehr?

Zunächst war das Vorrangnetz für den Schienengüterverkehr so gedacht, dass Güterzüge gegenüber dem Personenverkehr bevorzugt werden. Das ist aus Sicht der DB erfreulicherweise relativiert worden. Diese Diskussion hat sich ganz konstruktiv entwickelt. Zum zweiten Punkt: Interoperabilität ist ein ganz wichtiges Thema. Es kann nicht sein, dass an den Grenzen die Züge immer wieder neu bespannt werden müssen, weil es unterschiedliche Signal- und Elektrifizierungssysteme gibt. Wenn wir durchgehend mit dem ICE nach London fahren wollen, benötigen wir mehrere Bordsysteme: das für Deutschland, eines für Frankreich, eines für die Niederlande, eines für Belgien, eines für England. Ein normaler ICE kostet 30 Mio. EUR, diese Systeme verursachen noch einmal Mehrkosten in Millionenhöhe. ETCS, das European Train Control System, ist darum eine wichtige, gleichzeitig aber sehr teure Investition. Das muss man wissen. Viele Probleme insbesondere bei der Fahrzeugzulassung bereiten unterschiedliche nationale Anforderungen an Fahrzeuge und die Zulassungsverfahren.

 

Sind Sie der Meinung, dass eine einheitliche europäische Eisenbahnaufsicht und eine europäische Regulierungsbehörde Erleichterungen bringen würden? 

Ich bin ja sehr kritisch, was die Hersteller betrifft, weil wir häufig nicht die Qualität erhalten, die wir bestellt haben. Aber hier muss ich wirklich eine Lanze für die Hersteller brechen: Sie müssen ein immenses Investment stemmen, um einen Zug in unterschiedlichen europäischen Ländern zuzulassen. Deswegen bin ich der Meinung, es müsste eine Cross-Border-Certification geben: Wenn ein Zug in Frankreich zugelassen ist, muss er automatisch in Deutschland zugelassen sein oder umgekehrt. Ansonsten verteuern sich die Produkte. Teilweise handelt es sich auch um Schikane. Es geht gar nicht um technische Lösungen, sondern darum, jemanden zu behindern, der auf dem anderen Netz fahren will. Darum bin ich ganz klar für eine stärkere europäische Vereinheitlichung und für Wettbewerb. Wettbewerb hilft uns. 

 

Haben Sie den Eindruck, dass auch die Deutsche Bahn im Ausland schon behindert worden ist? 

Ein Beispiel: Frankreich erhebt beispielsweise für eine Lokomotive eine jährliche Abgabe von bis zu 35 000 EUR. Das bevorteilt die SNCF gegenüber ausländischen Bahnen, die das französische Netz im Verhältnis natürlich weniger nutzen. Oder nehmen Sie den Eisenbahnunfall von Viareggio: Es kann nicht sein, dass zum Beispiel in Deutschland sehr strenge Instandhaltungsvorschriften erlassen werden, während andere Länder das ganz anders handhaben. Ich bin übrigens nicht der Meinung, dass ein lockerer Umgang mit Sicherheitsaspekten richtig ist. Im Gegenteil, ich bin ein Sicherheitsfanatiker. Aber wenn schärfere Sicherheitsbestimmungen erlassen werden, müssen sie für alle gelten, weil andernfalls der Wettbewerb verzerrt wird. 

 

Die Eisenbahn hat bisher noch den Ruf als besonders umwelt- und klimafreundliches Verkehrsmittel. Lärmemissionen gefährden diese Stellung. Kann es sich der Verkehrsträger Schiene leisten, acht Jahre ins Land gehen zu lassen, bevor es erste hörbare Erfolge gibt?

Ich bin genau wie viele Bürger der Ansicht, dass wir das Thema „Lärm“ proaktiv anpacken müssen. Mehr Verkehr auf der Schiene wird es nicht geben, wenn wir keine Antworten auf die Belastungen durch Feinstaub oder CO2, oder eben den Lärm finden. Deshalb haben Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und ich in einem Eckpunktepapier vereinbart, dass wir innerhalb von acht Jahren ein Programm zur Lärmbekämpfung umsetzen. Aber der Schienengüterverkehr ist ein europäisches Thema, das können wir nicht alleine lösen: In Europa fahren insgesamt 600 000 Waggons. In Deutschland sind es 135 000. Diese Wagen werden in Europa ständig durchmischt. Von den 600 000 Wagen sind 200 000 an der Grenze ihrer Nutzungsdauer, aber bei 400 000 würde es sich noch lohnen, die Flüsterbremse einzubauen. Der Einbau kostet pro Wagen etwa 2000 EUR. 400 000 Wagen mal 2000 EUR ergäben ein Programm von 800 Mio. EUR. Dieses Programm könnte man ganz schnell europäisch umsetzen. Dann hätte man das Thema Lärm in Europa schlagartig im Griff. Denn die Flüsterbremse reduziert den Lärm auf die Hälfte; das Ding ist wirklich deutlich leiser. 

 

Und auf den anderen Gebieten – was unternimmt die DB da? 

Wir kaufen keine neuen Wagen ohne Flüsterbremse mehr, genau wie wir auch keine Dieselloks ohne Partikelfilter mehr beschaffen. Was auch wichtig ist: Wir haben uns als Vorstand verpflichtet, bis 2020 35 Prozent erneuerbare Energien einzusetzen; bisher lag das Ziel bei 30 Prozent. Und bis 2050 wollen wir vollständig CO2-frei fahren. Dann wären wir weltweit der Benchmark, und daran arbeiten wir ganz aktiv. 

 

Was ist für Sie das wichtigste Projekt, das Sie in Ihrer Amtszeit zum Erfolg führen möchten?

Das Image des Konzerns ist mir nicht gut genug. Ich muss sagen, ich habe einen riesigen Respekt vor den Leistungen unserer Mitarbeiter. Das Image des Unternehmens entspricht nicht dieser Leistungsbereitschaft. Wie verbessere ich also das Image? Indem wir uns hart eine höhere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit erarbeiten, indem wir ein sympathisches Unternehmen werden, indem wir das Thema Nachhaltigkeit und Umwelt stärker in den Mittelpunkt stellen. Die Bahn ist schließlich nicht nur das transporteffizienteste und sicherste Verkehrsmittel, sondern auch das umweltfreundlichste. Und last, but not least: Wir wollen weiterhin wirtschaftlich erfolgreich sein. Das ist – ganz einfach – meine Strategie.

 

Vielen Dank, Herr Dr. Grube, für das Gespräch.

 

Hier können Sie sich das ganze Interview als pdf herunterladen.

Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 12/2011
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 12/2011