Interviews

Peter Buchner

"Die 'S-Bahn-Berlin' ist wiederauferstanden"

 

Die S-Bahn Berlin feiert ihren 90jährigen Geburtstag. Ihre Geschichte ist so bewegt wie die Geschichte Berlins. ETR sprach mit S-Bahn Berlin-Geschäftsführer Peter Buchner über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

1. Die S-Bahn Berlin ist 90 Jahre alt. Was sind aus Ihrer Sicht die markantesten Ereignisse in ihrer Geschichte?

Als die S-Bahn Berlin am 8. August 1924 in Betrieb ging, hat sie mit ihrer Stromversorgung mit Stromschiene und der für sie entwickelten Zugsicherung den modernen elektrifizierten Regionalverkehr eingeläutet. Das System war damals das fortschrittlichste der Welt. Die S-Bahn hat an vielen Stellen das
Gesicht Berlins entscheidend mit geprägt. Tiefpunkte waren natürlich der Zweite Weltkrieg mit seinen Zerstörungen und die Teilung des Netzes nach dem Mauerbau im August 1961. Das war die Zeit des totalen Niedergangs der Berliner S-Bahn im Westen. Dadurch wurde die S-Bahn in Westberlin zu
einem Verkehrsmittel, das sich zunehmend nur noch selbst beförderte. 1984 kam die S-Bahn in Westberlin zur Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) und wurde modernisiert. Dennoch fristete sie bis zur Wiedervereinigung Deutschlands und damit auch des Berliner S-Bahnnetzes ein Mauerblümchendasein.


2. Nach dem Mauerbau 1961 war das Netz geteilt. Was bedeutete das in der täglichen Praxis?

Die Stadtbahn und der Ring wurden geteilt. Das Netz in Westberlin wurde in den Folgejahren zu großen Teilen stillgelegt. Im Nord-Süd-Tunnel wurden nur noch Bahnhöfe bedient, die vom Westen zugänglich waren. Dazwischen gab es Geisterbahnhöfe, durch die die Züge ohne Halt durchfuhren. Die Zugänge zu den Bahnhöfen waren zugemauert.


3. Nach der Wiedervereinigung begann das große Graben. Max der Maulwurf wurde 1994 für den Umbau der Berliner Stadtbahn erfunden. Wie konnten die Netze wieder zusammengeführt werden und wie viel kostete das?

Die S-Bahn Berlin mit ihrem Wiedererstarken steht wie kein anderes Unternehmen für die Wiedervereinigung. Die Aufgabe, die Netze wieder zu verknüpfen, war immens. Die Bahnhöfe im Nord-Süd-Tunnel mussten wiedereröffnet und instandgesetzt, das Durchfahren auf der Stadtbahn wieder ermöglicht werden. Der Ring und viele Strecken in das Umland wie nach Potsdam mussten wieder aufgebaut werden. Innerhalb von 20 Jahren ist die S-Bahn Berlin wiederauferstanden und hat heute ähnliche Fahrgastzahlen wie das U-Bahn-System in Berlin. Dafür wurden über 2 Mrd. EUR in die S-Bahninfrastruktur investiert.


4. Auch die jüngere Vergangenheit war nicht ungetrübt. Über Jahre hinweg machte die S-Bahn Berlin Negativschlagzeilen wegen technischer Probleme, Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit.

Unsere Fahrgäste und wir haben fünf schwierige Jahre hinter uns: Neben Managementfehlern unserer Vorgänger haben in erster Linie technische Mängel an unserer wichtigsten Fahrzeugbaureihe 481 zu den Betriebseinschränkungen
geführt. Wir mussten die nicht dauerfesten Radscheiben bei der BR 481 auf um die Hälfte dickere Radscheiben umrüsten. Wegen zu langer Bremswege bei nassen Schienen musste das Bremssystem überarbeitet werden. Der Gleitschutz funktioniert jetzt je Achse und nicht nur je Drehgestell. Im Zusammenhang mit diesen Umrüstungsprozessen haben wir viele weitere Themen gefunden, die auch gelöst werden mussten. Doch damit sind wir jetzt durch und gehen aus diesen Jahren gestärkt hervor, denn wir haben durch das genaue Hinschauen unsere Prozesse verbessert und kennen unsere Fahrzeuge heute besser denn je. Die Fahrgastzahlen steigen und liegen erheblich über denen vor der Krise.


5. Was würden Sie der S-Bahn Berlin für die Zukunft wünschen?

Verlässlichere Fahrzeuge und dass die Fahrgastzahlen weiterhin so steigen. Ich wünsche mir für ganz Berlin, dass es sich weiter so positiv entwickelt und so attraktiv für Bewohner, Beschäftigte und Touristen bleibt. Wir stehen bereit, wenn es um weitere Verlagerungen von Verkehr vom Auto auf den öffentlichen Verkehr geht.

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 9/2014
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 9/2014