Interviews

Ralf Beyer

Ziel ist die durchgängige digitale Prozesskette"

Ralf Beyer, Systemarchitekt bei der Siemens Division Mobility, hat einen
webbasierten Service für Schienenfahrzeuge entwickelt. Dafür wurde er von Siemens als Erfinder des Jahres ausgezeichnet.

1. Sie haben ein webbasiertes Sevicesystem für Schienenfahrzeuge entwickelt. Warum?

Verkabelung in Schienenfahrzeugen braucht Platz. Gleichzeitig wachsen die Ballungsgebiete immer weiter, was heißt, dass immer mehr Fahrgäste in einer bestehenden Umgebung transportiert werden müssen. Gleise werden nicht breiter, Tunnel nicht größer. Wir bei Siemens arbeiten deshalb daran, dass für Fahrgäste der maximal mögliche Innenraum zur Verfügung steht. So gibt es im aktuellen Fahrzeug für Großbritannien keine Schaltschränke mehr. Technik wird so für den Fahrgast unsichtbar, gleichzeitig für den Techniker aber unzugänglicher. Die Diskussionen um Condition-based Maintenance beziehungsweise um „Big Data“ verringern nicht automatisch die Anzahl der Steuergeräte, sondern führen erst einmal zu immer mehr Technik im Fahrzeug und der anspruchsvollen Forderung nach breiterer und schnellerer Dateninfrastruktur. So erwartet man heute generell von Geräten, dass sie ihren Zustand z. B. in Form einer „Ampel“ sichtbar machen (siehe z. B. VDMA 24582). Auf der anderen Seite werden auch weiterhin Menschen gebraucht, die intelligente Schlussfolgerungen aus den Daten ziehen können. Sobald Dinge ausfallen, müssen Techniker beauftragt werden, diese zu reparieren. Dies wird in Zukunft nicht mehr auf dem Papier erfolgen, sondern der Techniker wird den Arbeitsauftrag digital auf seinem Smartphone oder Tablet erhalten. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, dass der Techniker mit diesen Geräten auch den Service am Fahrzeug durchführen kann. Was allerdings nur funktioniert, wenn wir unsere Fahrzeuge für die sich geänderte Arbeitsweise vorbereiten. Ziel ist die durchgängig digitale Prozesskette im Service.

2. Wie funktioniert das System genau?

Fahrzeuge bestehen aktuell aus einer Vielzahl von dezentral verteilten Steuergeräten unterschiedlicher Hersteller. Beispielsweise sind in einem Fahrzeug für UK rund 200 Steuergeräte über diverse Netzwerke miteinander verbunden, wie z. B. Antrieb, Bremse, Klimaanlagen, Türen oder Infotainment. Wir haben die Servicesoftware auf den Steuergeräten in Form von Webseiten integriert, so dass Webbrowser mobiler Endgeräte genutzt werden können.
Die Nutzung von Webseiten hat den Vorteil, dass die Anwendung unabhängig von der Smartphone- oder Tablet-Entwicklung funktioniert. Auf der anderen Seite ist durch die Integration der Servicesoftware in das Steuergerät sichergestellt, dass bei Softwareupdate oder Refurbishing des Steuergerätes oder sogar des gesamten Sub-Systems die Servicestrategie des Fahrzeugs weiter funktioniert und wir dadurch eine Nutzung der Strategie über viele Jahre sicherstellen können.

3. Funktioniert das System herstellerübergreifend?

Ja, sofern die Hersteller bzw. die Lieferanten ihre Steuergeräte für den Anschluss an das jeweilige Ethernet-basierte Fahrzeugnetzwerk ertüchtigt haben. Dies ist die Basis, dass wir als Systemintegrator unseren Kunden Mehrwerte in Form von digitalen Services anbieten können. Webbasierte Servicesoftware wird einen gemeinsamen Nenner bei der Diversität an Steuergeräten darstellen. Gemeinsam genutzte Services, wie Single Sign-on, etc. werden zentral bereitgestellt.

4. Wird das System schon eingesetzt?

Die neue Generation der Fahrzeuge für UK befindet sich aktuell im Testbetrieb im Prüfund Validationscenter Wegberg Wildenrath. Die Servicestrategie für die aktuelle Fahrzeuggeneration des britischen Marktes haben wir 2008 in UK vorgestellt.

5. Wie ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis?

Fortschritt bedeutet Innovation, in unserem Fall Technologie. Das heißt, wir müssen unsere Zukunft, unsere Fahrzeuge, immer wieder neu erfinden und auf eine sich ändernde Umgebungsbedingung anpassen. Es macht von diesem Standpunkt aus keinen Sinn, Dinge zu Vervielfältigen; indem man kopiert, lernt man nichts. Innovation kostet zu Beginn Geld, rechnet sich aber langfristig im Erfolg.


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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 1+2/2015
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 1+2/2015