Interviews

Susanne Henckel

"Wettbewerb auch bei SPNV-genutzten Stationen"

Susanne Henckel, Hauptgeschäftsführerin des Aufgabenträgerverbandes BAG-SPNV, leitet aus dem aktuellen „Marktreport 2013“ des Verbandes großen Handlungsbedarf für die Infrastruktur ab.

1. Die BAG-SPNV fordert auch bei Infrastruktur und Vertrieb eine Marktbelebung durch mehr Wettbewerb. Was genau sollte passieren?
Die bestehende Monopolsituation von Trassen und Stationen hat in den letzten Jahren zu erheblichen Verschiebungen in den Kostenstrukturen geführt: Mehr als die Hälfte des Leistungsentgeltes fließt in Form von Gebühren für Trassen und Stationen wieder zurück an die Deutsche Bahn. Wir schlagen vor, das Prinzip des Wettbewerbs auf ausschließlich vom SPNV genutzte Infrastrukturanlagen, wie z. B. kleine Stationen zu übertragen, um hier mögliche Effizienzen zu heben. Die Aufgabenträger des SPNV können sich günstigere Betreibermodelle z. B. in Landes- oder Regionalverwaltung vorstellen und haben dazu aus der Konsequenz des Prüfauftrags der Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung dem BMVBS vor drei Jahren konkrete Modellprojekte vorgelegt. Im Bereich des Vertriebs haben die ersten Aufgabenträger Vertriebsleistungen bereits ausgeschrieben, und alle Kollegen verfolgen diese jetzt gestarteten Pilotprojekte mit großem Interesse.

2. Zunehmend werden in Ausschreibungen Finanzierungsmodelle angeboten. Werden Sie diese Instrumente weiter forcieren?
Eindeutig ja. Die sich derzeit in Anwendung befindenden verschiedenen Finanzierungsmodelle und Risikoübernahmen der BAGSPNV- Mitglieder werden intensiv erprobt und weiter optimiert. Die Kollegen tauschen sich zu den regional angepassten, zum Teil sehr spezifischen Ansätzen regelmäßig aus. Durch die zunehmende Anzahl der Zulassung von Gebrauchtfahrzeugen ist zukünftig aber auch ein kritisches Augenmerk auf die Auswirkungen dieser Instrumente auf den Gebrauchtfahrzeugmarkt zu legen, da die Fahrzeuge
oftmals über die gesamte Lebensdauer im ursprünglichen Ausschreibungsnetz verbleiben.

3. Die Sicherung der Bereitstellung der Infrastruktur durch die DB ist nicht erst seit den Einschränkungen durch Hochwasser oder durch das Stellwerk Mainz ein wichtiges Thema. Welche Forderungen haben Ihre Mitglieder in diesem Zusammenhang an den Eigentümer der Schiene?
Die SPNV-Besteller vereinbaren mit den Verkehrsunternehmen langlaufende Verkehrsverträge, die die Grundlage für den Abschluss der dann weitergehenden Nutzungsverträge für die Infrastruktur sind; das Angebotskonzept ist damit fixiert. Die aktuellen Einschränkungen der Verfügbarkeit werden sicher Gegenstand von Schadensersatzforderungen der Verkehrsunternehmen an den Infrastrukturbetreiber werden. Wir appellieren allerdings an dieser Stelle an den Bund als Eigentümer, den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der DB über mittel- und langfristige Mittelzusagen und konzeptionelle Rahmenvorgaben neue und wirksamere Möglichkeiten zu bieten, Qualitätsvorgaben für die Leistungsfähigkeit der Schiene zu schaffen und zu erhalten.

4. Gemeinsam mit dem VDB fordern Sie eine Dynamisierung der Regionalisierungsmittel um zukünftig 2,5 % statt bisher 1,5 %. Welche negativen Folgen erwarten Sie, falls Ihre Forderung nicht umgesetzt wird?
Im SPNV gibt es mehrere Kostentreiber, die die SPNV-Besteller überhaupt nicht beeinflussen können, insbesondere Energie, Personal und die Infrastruktur. Die Kostensteigerungen liegen in diesen Bereichen seit Jahren deutlich über 1,5 %. Teilweise konnten die Mehrkosten bisher durch Wettbewerbseffekte
bei Ausschreibungen aufgefangen werden. Das wird in Zukunft aber immer weniger der Fall sein. Sollte es nicht zu einer ausreichenden Dynamisierung der Regionalisierungsmittel im Rahmen der anstehenden Revision 2014 kommen, werden konkrete Leistungsreduzierungen vor Ort in Form von Abbestellungen im großen Maße folgen müssen.

5. Die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und DB wurde aber doch gerade verlängert – reicht das nicht aus?
Nein, ab jetzt ist die Entwicklung weiterer Finanzierungsinstrumente und nachhaltiger Finanzierungszusagen gefordert. Ein klares Bekenntnis zum Infrastrukturfaktor Schiene bedeutet aber auch, Ziele für morgen vorzugeben und Erfolge von heute zu überprüfen. Diese Aufgabe kann nicht den Medien überlassen werden, sondern gehört in die Verantwortung der Eigentümer.

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 9/2013
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 9/2013