Interviews

Wei Wang

CRRC hat Expansionspläne

Wei Wang ist Director und China-Experte bei KPMG. Er rechnet damit, dass der neu fusionierte chinesische Großkonzern China Railway Rolling Stock (CRRC) in Nebenmärkten aktiv seine Kostenvorteile ausspielen wird.

1. Die beiden chinesischen Bahnindustrieunternehmen China South Locomotive and Rolling Stock Industry (CSR) und China North Locomotive and Rolling Stock (CNR) haben zu Jahresbeginn zu China Railway Rolling Stock (CRRC) fusioniert. Was sind die Hintergründe dieses Zusammenschlusses?

Erklärtes Ziel der chinesischen Zentralregierung ist, die Auslandsmärkte besser bearbeiten zu können. Die Erfahrung mit der Aufspaltung in zwei Konzerne war, dass sich die beiden Unternehmen im Export oft gegenseitig das Wasser abgraben. Die Regierung braucht einen starken chinesischen Global Player in der Bahntechnik und hat das Thema daher massiv vorangetrieben. In den vergangenen fünf Jahren hat sich CSR deutlich besser entwickelt als CNR. Somit war die Frage, wer im Falle einer Fusion wen übernimmt, vom Tisch: CSR übernimmt als stärkeres der beiden Staatsunternehmen die Führungsrolle.

2. Läuft die europäische und deutsche Bahnindustrie Gefahr, ihre Märkte zu verlieren?

Es wird noch eine gute Weile dauern, bis der erste chinesische Zug durch Deutschland fahren wird. Die Konkurrenz wird die Auswirkungen der Fusion nicht über Nacht zu spüren bekommen. Der Durchbruch beim Export von Highspeed-Zügen ist den Chinesen noch nicht gelungen. Der Vorteil der Konkurrenz: Sie ist in ausländischen Märkten etablierter und erfahrener. Ein internationales Netzwerk und die Erfahrung mit großen internationalen Ausschreibungen vor allem in entwickelten Ländern hat CRRC noch nicht. Dennoch: Im Vergleich zur internationalen Konkurrenz hatten schon CSR und CNR Kostenvorteile von 30 % oder mehr. Trotz Bedenken wegen industriepolitischer Eingriffe der Regierung könnte der konsolidierte Konzern in Entwicklung und Produktion weitere Kosten sparen und noch effizienter arbeiten. Das macht CRRC besonders konkurrenzfähig.

3. Gefährdet die Fusion die Existenz des Wettbewerbs?

Augenblicklich nicht. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Fusion sich nicht auf die Märkte auswirkt. Mit CRRC entsteht ein großer konsolidierter Player, der Expansionspläne hat und sie zügig umsetzen wird. Chinesische Großunternehmen, die aus Fusionen entstanden sind, hatten ihre Expansionspläne in der Vergangenheit häufig erst einmal auf Eis gelegt. Dies ist bei CRRC nicht zu erwarten. Das Unternehmen strukturiert um und konzentriert sich eindeutig auf die Bahnindustrie, während in den letzten Jahren oft Ausflüge in andere Segmente gemacht wurden, wie z. B. die Übernahme von ZF BOGE in 2013/14. Die Expansionspläne werden mit noch mehr Nachdruck als vor der Fusion fortgesetzt werden. In Märkten wie Nahverkehr/Metro, Güterwaggons und Rangierloks wird CRRC aktiver in den europäischen Markt gehen als zuvor.

4. Wo liegen die Wettbewerbsvorteile von CRRC bei Nahverkehr/Metro, Güterwaggons und Rangierloks?

Bei Fahrzeugen mit komplexen elektrischen Komponenten ist der Wettbewerbsvorteil Chinas vergleichsweise gering. Bei der Elektronik haben sich die Weltmarktpreise schonsehr angeglichen. Bei rein mechanischen Teilen ist China wesentlich konkurrenzfähiger. Selbst nach Abzug der Transportkosten nach Deutschland sind manche mechanische Teile noch 30 % günstiger. Dies ist ja auch der Grund, warum viele deutsche Unternehmen Teile in China fertigen lassen. CRRC wird diesen Wettbewerbsvorteil für sich einzusetzen wissen. Schon 2008 wollte CSR einen insolventen Güterwaggonhersteller in Niedersachsen übernehmen. Der Kauf kam zwar damals nicht zustande, weil er wegen des Börsengangs des CSR-Konzerns in Hong Kong zurückgestellt wurde. Doch zeigt er das Vorgehen der jetzt bei CRRC federführenden CSR.

5. China baut HGV-Strecken in Südamerika und finanziert Infrastrukturbau in Osteuropa mit. Steht zu erwarten, dass dies als Strategie eingesetzt wird, Märkte zu erobern?

Klar, der Kapitalexport soll aus der Sicht der Regierung auch den Export der Maschinenund Anlagenbauindustrie fördern. Wenn die chinesischen Policy-Banken wie die China Development Bank oder die Export-Import Bank von China ein Infrastrukturprojekt finanziert, ist die Finanzierung oft an die Bedingung geknüpft, dass beim Projekt vorzüglich chinesische Maschinen oder Anlagen zum Zug kommen.

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Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 3/2015
Artikel von Interview aus der ETR Ausgabe 3/2015