Axel Schuppe

Exportstärke der Bahnindustrie ­beginnt zu Hause

Die Bahnindustrie in Deutschland ist ein Global Player. Rund die Hälfte ihres Umsatzes erzielt die über 50 000 Beschäftigte zählende Branche im Ausland. Beim weltweiten Technologieführer ist das gesamte Portfolio nachgefragt: Züge, Lokomotiven und deren Komponenten, Infrastrukturausrüstungen für digitale Signaltechnik und Oberbau sowie umfassende Serviceleistungen. Die Branche verfügt über eine einzigartige Struktur aus Systemhäusern und einem breit aufgestellten Mittelstand, die exzellent miteinander kooperieren.

Der sich schnell ändernde Weltmarkt verschärft indes den Wettbewerb auch für die Bahnindustrie in Deutschland. Das zeigt insbesondere auch der Blick nach China: Mit der Bildung des Branchenriesens CRRC – anderthalb mal so groß wie die großen europäischen Hersteller zusammen – ist ein ernst zu nehmender Marktakteur entstanden. China betrachtet seine Bahnindustrie als Schlüsselindustrie, mit höchster staatlicher Flankierung. Die Strategie: mehr Export. Die Ausstattung: schier unerschöpfliche Mittel für attraktive Finanzierungspakete weltweit. Was bedeutet das für die Bahnindustrie in Deutschland und die Rahmenbedingungen auf dem heimischen Markt?

Erstens: Die deutsche Bahnindustrie stellt sich dem Wettbewerb und den neuen Herausforderungen, die einmal mehr an die Stärken der Bahnindustrie in Deutschland appellieren – Technologieführerschaft, Qualitätsbewusstsein und Kooperationsstärke.

Der kürzlich vorgestellte und im Rahmen einer Qualitätspartnerschaft von Bahnindustrie und Deutscher Bahn entwickelte Qualitätsleitfaden ist ein Beispiel dafür. Mit dem neuen Reifegradmodell wird branchenübergreifend erstmalig ein vor allem standardisiertes Verständnis für die Technologie­einschätzung geschaffen. Durch die mit der Anwendung der Reifegrade einhergehende Transparenz werden heute zuweilen bestehende Hürden für neue Technologien abgebaut.

Zweitens: Der Schienenverkehr in Deutschland ist das weltweit beachtete Schaufenster für Verkehrsleistungen und Bahntechnologie, darunter auch mit der Weltleitmesse InnoTrans in diesem Jahr in Berlin. Der Schienenverkehr muss kontinuierlich ausgebaut werden und seine Attraktivität immer neu unter Beweis stellen. Das geht nicht ohne die Politik.

Die Politik kann die Digitalisierung vorantreiben. Beispiel Stellwerke: Die stammen teils aus Kaisers Zeiten. „Schiene 4.0“ sieht anders aus. Deshalb sollte die Bundesregierung durch das aktuelle Investitionspaket auch digitale elektronische Stellwerke und Bahnübergänge fördern. Weltweit entstehen beispielsweise automatisierte schienengebundene Nahverkehrssysteme. In Deutschland bleibt die Nürnberger U-Bahn bislang das einzige Praxisbeispiel. Nötig sind Folgeprojekte mit  Leuchtturmcharakter. Dafür braucht es politischen Willen und ein Bekenntnis zu einem innovativen  Schienenverkehr. Nicht zuletzt kann Politik mit einer ressortübergreifenden Forschungsagenda dem Bahnsektor den Rücken stärken.

Drittens: Einstweilen bleibt Europa der größte Markt für Bahntechnik. Der einheitliche europäische Eisenbahnraum muss schnell verwirklicht werden. Das vom Europaparlament zu verabschiedende 4. Eisenbahnpaket ist eine wichtige Grundlage zum Vorteil des ganzen Eisenbahnsektors. Dessen Erwartungen an die Europäische Eisenbahnagentur mit ihrer künftigen zentralen Rolle sind in Bezug auf eine weitere ­Straffung von Zulassungsprozessen für Schienenfahrzeuge und Bahntechnik groß. Die Bahnindustrie in Deutschland steht dafür als Diskussionspartner zur Verfügung.

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Artikel von Standpunkt aus dem EI, Ausgabe 3/16
Artikel von Standpunkt aus dem EI, Ausgabe 3/16