Dr.-Ing. Joachim Warlitz

"Stillstand bedeutet Rückschritt"

Unser Alltag ist für die meisten von uns, im privaten wie im geschäftlichen Leben, ohne die kleinen Helfer wie Notebook oder Smartphone kaum noch vorstellbar. War vor wenigen Jahren ein Telefon noch ein Telefon, so ist es heute ein Computer mit Telefonfunktion.

Von 2001 bis heute ist der Anteil der Internetnutzer (ab 14 Jahre) in Deutschland von 37 % auf über 75 % angestiegen (Quelle Initiative D21).

Jeder Versuch, sich diesem globalen Trend und damit dem Internet ernsthaft zu entziehen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Im Zeitalter der Globalisierung ist selbst oder gerade auf Reisen diese Technik Schnittstelle zu unserer Umwelt. Wir lesen und beantworten nicht nur unsere E-Mails zu Geschäftspartnern und Freunden, wir buchen nicht nur unsere Hotels, Bahn- oder Flugtickets über das „Netz“, wir kaufen mittlerweile auch einen Gutteil aller Waren darüber ein.

Die Automobilindustrie hat bei der Gestaltung neuer Fahrzeuge das Internet als Schlüsseltechnologie in ihre Betrachtungen integriert. So wird das Internet heute bei jedem modernen Neufahrzeug in den Werkstätten zur Verbindung mit den Servern der Hersteller zur Fahrzeugdiagnose und zum Software-Update wichtiger elektronischer Komponenten direkt genutzt. Etwaige Sicherheitsprobleme sind dabei unter Verwendung von Algorithmen gelöst, wie wir sie täglich beim Online-Banking verwenden. Das Auto von morgen wird die Server des Automobilherstellers online, d.h. aus dem alltäglichen Betrieb im Feld, mit allen relevanten Fahrzeugparametern versorgen und im Bedarfsfall den Werkstatttermin direkt mit dem Kunden vereinbaren. Dass die benötigten Ersatzteile nach Terminbestätigung durch den Kunden automatisch bestellt werden und in der Werkstatt zum Termin vorrätig sind, klingt da beinahe schon banal.

Betrachten wir im Gegenzug unser Gesamtsystem Eisenbahn zum Thema Nutzung des Internets im Bahnalltag, so ist hier sehr viel Potenzial bislang ungenutzt. Natürlich wird jeder auf den ersten Blick entgegnen, „surfen kann ich heute schon während der Bahnfahrt, meine Fahrkarte habe ich über eine App auf meinem Smartphone gekauft, wie viel Verspätung mein Zug hat, sagt mir eine weitere App und den Mietwagen am Zielbahnhof hat meine Sekretärin ebenfalls via PC übers Internet gebucht“. Blicken wir jedoch ein wenig genauer hin, so bemerken wir rasch, dass all diese Dienste mehr oder minder direkt auf uns als Fahrgast zugeschnitten sind. Mit Ausnahme der Telekommunikationstechnik und bei Teilen der Leittechnik bedient sich heute selbst die modernste Sicherungstechnik erst in ganz zaghaften Schritten, beispielsweise beim Aufspielen neuer Software-Releases bei Außenanlagen, der Möglichkeiten des Internets. Vom „intelligenten Zug“, der beim Befahren des Netzes den Wartungsserver direkt über den Zustand des Oberbaus informiert, oder dem Einsatz „intelligenter Sensoren“, die via Internet die baulichen Zustände von Brücken, Schallschutzwänden, Fahrleitungen etc. an eine Wartungszentrale melden, sind wir noch weit entfernt. Hier liegt ein erhebliches Potenzial brach, welches es zu erschließen gilt. Die Bahningenieure in der Industrie, in den Forschungseinrichtungen und bei den Bahnen selbst sind bereit, sich dieser großen Herausforderung zu stellen. Die real existierenden Risiken, wie z. B. das Fehlen der erforderlichen Infrastruktur vor Ort, Probleme mit der gezielten Verarbeitung und Auswertung der „Datenflut“ oder auch die orge, geeignete Sensoren zur Messwertaufnahme für den rauen Eisenbahnalltag zu finden, sind beherrschbar. Ob aus der Chance ein Risiko wird, liegt ganz in unseren Händen.

Stillstand bedeutet Rückschritt, also lassen Sie uns beginnen.

 

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Artikel von Statement aus dem EI, Ausgabe 10/2012
Artikel von Statement aus dem EI, Ausgabe 10/2012