Karl-Peter Naumann

"Gleiche Fahrgastrechte bei Fernbus und Bahn"

Auf den ersten Blick sieht die Bilanz des liberalisierten Fernbusmarktes  durchaus positiv aus: Die Zahl der Angebote und Strecken ist seit dem Start am 1. Januar 2012 stark gestiegen, zahlreiche neue Anbieter sind hinzugekommen. Zunächst ist es zu begrüßen, dass es eine zusätzliche Alternative zum Auto gibt und dadurch der öffentliche Verkehr insgesamt ergänzt und gestärkt wird: Fernbusse sind eine gute Reisemöglichkeit für Menschen, die bisher mit dem eigenen Auto gefahren sind oder das Angebot einer Mitfahrzentrale genutzt haben.
Das gilt insbesondere dort, wo die Eisenbahn auf schnellen und gut ausgebauten Bahnstrecken mit dem Fernbus konkurriert. Das kann man sehr schön auf der Strecke zwischen Hamburg und Berlin sehen. Zwischen beiden Metropolen gibt es inzwischen ein vielfältiges Fernbusangebot, das sich großer Beliebtheit erfreut. Und dennoch sind die Züge der Deutschen Bahn gut gefüllt. Hier blicken wir auch auf lange Erfahrungen zurück, denn schon vor der Liberalisierung gab es ein dichtes Fernbusangebot mit bis zu zehn Fahrtenpaaren pro Tag. Ähnliches gilt für viele weitere wichtige Strecken in Deutschland. Es gibt aber auch andere: Auf der Strecke zwischen Nürnberg und Dresden zum Beispiel, wo eine Zugreise mit der Bahn aufgrund eines schlechten Ausbaustands recht lange dauert, ist der Bus im Punkt-Punktverkehr Nürnberg – Dresden direkt eine attraktive Alternative und geht zu Lasten der Bahn. Ähnliches gilt für die Strecken, auf denen es durch das System Bahn kein attraktives Angebot gibt, so z. B. aus dem Schwarzwald nach München: Hier ist die Bahnfahrt umständlich mit vielfachem Umsteigen und dadurch zeitaufwendig. Dagegen ist eine Busfahrt hier bequemer, direkter und einfach schneller.
Und dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein. Mich ärgert der Rahmen, in dem die Liberalisierung des Fernbusverkehrs in Deutschland stattfindet. Da hat die Politik das entsprechende Gesetz mit zu heißer Nadel gestrickt. Genauer gesagt: Es gibt vieles, was einfach gar nicht oder nicht genau genug geregelt ist. In der Konsequenz gelten für Bahnen und Busse nicht die gleichen Wettbewerbsbedingungen. Das ist unfair und muss sich dringend ändern. Ein Beispiel: Bahnreisende können sich ja inzwischen auf umfangreiche Fahrgastrechte berufen. Für den Busverkehr gibt es dagegen nur sehr laue Regeln. Wer etwa beim Zug ab einer Verspätung von einer Stunde 25 % des Fahrpreises erstattet bekommt, kann bei gleicher Verspätung mit dem Bus höchstens auf Kulanz des Betreibers hoffen, einen rechtsverbindlichen Anspruch hat er nicht. Das gilt vor allem auch für den Fall, dass der Reisende am Reisetag sein Ziel nicht mehr erreichen kann und beim System Bahn Anspruch auf Hotel oder Taxi hat. Oder auch das Thema Barrierefreiheit: Hier gibt es für die Fernbusgesellschaften bislang keine Verpflichtung, entsprechende Fahrzeuge einzusetzen. Zudem existieren keine Vorgaben, dass etwa an den Busbahnhöfen dynamische Schriftanzeiger installiert werden müssen. Anders im Bahnverkehr, wo die DB nach einem Gerichtsurteil verpflichtet wurde, selbst kleine Bahnhöfe entsprechend nachzurüsten. Überhaupt die Busbahnhöfe: Offensichtlich hat sich niemand so recht Gedanken darüber gemacht, dass wachsende Reisendenzahlen für die Infrastruktur zu einem Problem werden könnten. Es zeigt sich jedenfalls, dass die Busbahnhöfe in vielen Städten überlastet sind und dringend ausgebaut und modernisiert werden müssten. Doch wer finanziert das?
Es bleibt also noch viel zu tun. Insgesamt wünsche ich mir, dass wir in Deutschland zu einem gut integrierten Gesamtystem des öffentlichen Verkehrs kommen, die Reiseketten geschlossen werden. Fernbusse und Bahnen müssen zum Wohl der Passagiere miteinander vernetzt werden – so wie dies in der Schweiz bereits gut funktioniert. Es wäre toll, wenn der Fahrgast mit einer Fahrkarte und gleichen Rechten die verschiedenen Systeme nutzen kann. Der IC-Bus ist ein vorsichtiger Schritt in diese Richtung.

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Artikel von Statement aus dem EI, Ausgabe 3/2014
Artikel von Statement aus dem EI, Ausgabe 3/2014