Katharina Klemt-Albert

Komplexe Großprojekte – hilft die Digitalisierung?

Großprojekte der Infrastruktur werden in der Öffentlichkeit vielfach sehr kritisch wahrgenommen – sie sind in ihrer multidimensionalen Komplexität eine echte Herausforderung für die beteiligten Ingenieure. Gleichwohl ist die Planung und Realisierung wohl eine der spannendsten Aufgaben im Bereich der Eisenbahn. Welche Faktoren führen zu dieser multidimensionalen Komplexität, die sich mit der Größe des Projektes noch potenziert?
Systematisch analysiert, lassen sich die Herausforderungen in vier Cluster aufteilen: Technik und Projektmanagement sowie – gleichermaßen erfolgsentscheidend – Kommunikation und Kultur.
Eine Vielzahl an beteiligten Fachdisziplinen und lange Projektlaufzeiten machen eine konsistente Planung mit dem erforderlichen Austausch an Informationen während der Planung und Realisierung sehr komplex. Darüber hinaus sind aufgrund des Unikatcharakters oftmals technische Lösungen individuell zu entwickeln.
Gleichzeitig ergibt sich aufgrund der verschiedenen Projektbeteiligten in unterschiedlichen vertraglichen Konstellationen eine schwer überblickbare Projektstruktur. Aufgrund oft wechselnder Ansprechpartner über die langen Laufzeiten wird ein gutes vertragliches Miteinander erschwert. Hinzu kommen kulturelle Herausforderungen. Die Erwartungsmaßstäbe der Gesellschaft und Entscheiderebene sind bei Mega-Projekten hoch gesteckt und das bei gleichzeitigen Zwangspunkten in Budget und Zeitrahmen. Um diese erfüllen zu können, werden bei der Realisierung Termin- und Kostenplanungen oft viel zu optimistisch angesetzt. Steigender Leistungsdruck und eine mangelnde Fehlerkultur resultieren viel zu oft in einem unbefriedigenden Ergebnis.
Last but not least birgt der Bereich der Kommunikation Hürden bei der reibungslosen Projektabwicklung. Hierzu zählen sämtliche Kommunikationswege zwischen den direkten Projektbeteiligten sowie zu Entscheidungsträgern
und der Öffentlichkeit.
Wir sollten die Frage aufwerfen, bis zu welchem Punkt diese steigende Komplexität beherrschbar bleibt. Oder ist sie das angesichts jüngster Bauprojekte schon nicht mehr?
Digitale Methoden wie Building Information Modeling (BIM) bieten die Chance steigende Komplexität zu beherrschen. Zusammenarbeit und Prozesse basieren mit BIM auf einem objektorientierten, digitalen Bauwerksmodell, das alle relevanten Daten zu Geometrie, Kosten, Terminen etc. beinhaltet. Dieses fungiert als zentrale Datendrehscheibe für alle Projektbeteiligten und ermöglicht eine kollaborative und transparente Arbeitsweise mit einer konsistenten Datenhaltung über den gesamten Lebenszyklus der Infrastrukturinvestition. Die integrative Arbeitsweise kann die Planungsqualität erhöhen, Planungsfehler verringern und die Prozesssicherheit deutlich steigern. Die Visualisierungsmöglichkeiten verbessern zusätzlich das Verständnis zur geplanten Infrastruktur der Experten untereinander und befördern damit entscheidend die Einbindung einer breiten Öffentlichkeit und die Kommunikation mit Entscheidungsträgern.
Die digitale Methode zahlt auf viele der Herausforderungen bei der Projektrealisierung ein. BIM ist aber kein Selbstläufer. Wir müssen es richtig ausgestalten und implementieren und dabei den Eisenbahnspezifika Rechnung tragen. Wenn wir dies tun, erzielen wir bei Infrastrukturprojekten eine Steigerung von Qualität und Stabilität und damit auch gesellschaftliche Akzeptanz. Davon bin ich überzeugt.


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Artikel von Standpunkt aus dem EI, Ausgabe 9/16
Artikel von Standpunkt aus dem EI, Ausgabe 9/16