Markus Hecht

"Schienenverkehr quo vadis?"

Die markante Überschrift der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 29. August 2014 auf Seite 22: „Die Bahn hat die Luftfahrt beim Lärm überholt“ spiegelt eine Erkenntnis wieder, die Fachleute schon lange haben und die sich nun allmählich in der breiten Öffentlichkeit durchsetzt. Sie stellt so gar nicht die Art von Meldungen dar, die die Schienenverkehrsbranche braucht und hören will. Zudem ist zu konstatieren, dass der Beitrag der Schiene zu großen gesellschaftlichen Fragestellungen wie Energiewende, Verringerung der Treibhausgasemission, Erhöhung der Lebensqualität in Ballungsräumen durch Raumeffizienz zumindest in Deutschland viel zu gering ist. Die Marktanteile im Personenfernverkehr und im Güterverkehr wachsen seit Jahren trotz erfolgter hoher Infrastrukturinvestitionen nur unwesentlich. Die positive Dynamik des stark bezuschussten Regionalverkehrs ist ein schwacher Lichtblick. Völlige Mautfreiheit und damit keinerlei Trassengebühren für Fernbusse, Elektromobilitätsförderung nur für die Straße und ernsthafte Diskussion über die Abschaffung der Luftverkehrssteuer sind politische Randbedingungen, die die Zukunftsperspektive des Schienenverkehrs stark trüben. Die Öffentlichkeit ist zunehmend genervt, wenn das Thema auf Schienenverkehr fällt, sei es durch die mangelnde Pünktlichkeit (schlechter als der Luftverkehr), defekte Klimaanlagen, Stuttgart 21 oder die Dauerkrisen in einzelnen Nahverkehrssystemen. Die positiven Initiativen, die dagegen halten sollen, sind stets von Partikularinteressen innerhalb der Schienenverkehrsbranche geprägt, sei es nun die DB, die Bahnindustrie, die Wagenhalter oder die Gewerkschaften, um nur einige zu nennen. Eine klare übergeordnete Zielrichtung wäre folgende: „schnell und zuverlässig fahren“! D. h. gleichzeitig die Pünktlichkeit und die Reisegeschwindigkeit im Personen- und im Güterverkehr erhöhen. Das reduziert den Aufwand für den Betreiber und steigert die Attraktivität für den Nutzer. Die Kosten von Personal, Fahrzeugen, Infrastruktur hängen fast ausschließlich von der Zeit ab, die Erträge von der Entfernung. „Schnell und zuverlässig fahren“ erhöht den Ertrag und ist Teil des Erfolgskonzepts des Regionalverkehrs der letzten 20 Jahren. Dieses Ziel setzt einen integralen Taktfahrplan (in Deutschland oft auch „Deutschlandtakt“ genannt) mit Ausbau der Infrastruktur in den Knoten zur Konfliktreduktion voraus. Dies bringt in der Taktfrequenz mehrfach Nutzen durch Effizienzund Pünktlichkeitserhöhung.

Weiter sind

>> Ausbau der Strecken, um Geschwindigkeitseinbrüche zu eliminieren,
>> rasche Einführung zeitgemäßer Leit- und Sicherungstechnik, insbesondere um Signalhalte zu vermeiden und Nutzbremsung als alleinige Betriebsbremse zu ermöglichen,
>> ausschließliche Nutzung grünen Stroms und vermehrte Streckenelektrifizierung zur Verbesserung der Energieeffizienz nach Vorbild Breisgau S-Bahn

konkrete Maßnahmen, die das übergeordnete Ziel „schnell und zuverlässig fahren“ unterstützen und die systemimmanenten Vorteile des Schienenverkehrs deutlich zur Geltung bringen. Um zum obigen Zitat zurückzukehren, so mutet „schneller Fahren“ zunächst schädigend für den Lärm an. Bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass der Immissionspegel bei 25 % Geschwindigkeitserhöhung gerade mal um 2 dB(A) ansteigt, während die Überschreitung des zumutbaren Pegels an Brennpunkten in Deutschland heute bis zu 25 dB(A) beträgt. Es sind also eh andere Maßnahmen zu ergreifen, die dann den sehr geringen Einfluss durch die höhere Fahrgeschwindigkeit leicht mitkompensieren können. Da Änderungen im Schienenverkehr und somit auch Verbesserungen nur sehr langsam greifen, ist es höchste Zeit, das übergeordnete Ziel für den Schienenverkehr zum gesamtgesellschaftlichen Nutzen rasch in Angriff zu nehmen.

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Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 10/2014
Artikel von Interview aus der ETR, Ausgabe 10/2014