Prof. Dr. Jürgen Siegmann
"Auch die Instandhaltung von Schienennetzen benötigt Luft zum Atmen"
Der Instandhaltungsprozess von Schienennetzen gliedert sich in die Teilprozesse Inspizieren, Auswerten, Baubetriebsplanung, Instandhalten/Bauen im Bestand, Abnehmen, Erfahrungen dokumentieren und Lernen. Jeder Teilprozess hat sich in den letzten Jahren gewandelt durch vermehrten Einsatz von Büro- und Kommunikationstechnik sowie durch den Einsatz von modernen voll mechanisierten und z. T. automatischen Maschinen.
Die Fortschritte in diesem Sektor zeigt uns wieder einmal die iaf 2013 in Münster anschaulich. Ziele dieser Entwicklungen in der Instandhaltung des Schienennetzes sind und sollten bleiben:
- Schnelle und nachhaltige Wiederherstellung einer anforderungsgerechten Fahrbahn
- Minimale Betriebseinschränkungen, hohe Sicherheit
- Minimale Gesamtkosten nach LCC-Aspekten
- Optimierung der langfristigen nicht monetär bewertbaren Effekte der notwendigen Maßnahmen.
Zum Erreichen dieser Ziele ist es kontraproduktiv, allein die Angaben des günstigsten Angebotes entscheiden zu lassen. Die Kompetenz des Anbieters und damit die Wahrscheinlichkeit für einen reibungslosen Bauablauf sind mindestens ebenso wichtig.
Knappe Kassen und enge Baufenster können zu suboptimalen Lösungen führen. Es gilt immer noch der Leitsatz ,Der arme Mann lebt teuer‘, weil er bei größeren Budgets Lösungen wählen würde, die erst wesentlich später einen erneuten Eingriff verlangen würden. Das betrifft z. B. den Teiletausch, die Unterbausanierungen oder den frühzeitigen Ersatz von alten Brücken. Der Netzbetrieb ist daher nicht das Feld der rigorosen Kosteneinsparungen, er benötigt Luft zum Atmen, langfristiges Denken und Augenmaß.
Die Bahnnetze können sich wohl auch langfristig nicht allein durch Nutzungsentgelte finanzieren. Der Staat hat im Rahmen der Daseinsvorsorge die Pflicht, seine Netze nachhaltig zu pflegen. In Deutschland steht u. a. in diesem Bereich die Fortschreibung der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) an. Es ist zu hoffen, dass hierbei den Politikern die Bedeutung der Erhaltung der noch relativ guten Qualität des Schienennetzes bewusst ist. Auch hier ist aber eine Überalterung von Brücken und Nachholbedarf in den Stationen und an den Strecken festzustellen. Wahrscheinlich reicht der derzeit geplante Kostenrahmen aus dem Bundeshaushalt noch nicht einmal. Um konsequent die Anforderungen aus neuen Regelungen wie den TSI in absehbarer Zeit umzusetzen.
Beispiele für diese notwendigen Maßnahmen sind die Lärmsanierung, ETCS an TEN-Strecken oder die Tunnelanpassungen usw. Wünschenswert wären auch Profilengpassbeseitigungen oder eine Erhöhung der zul. Achslasten oder Geschwindigkeiten sowie Elektrifizierungen auf mancher Strecke.
Noch ist das deutsche Schienennetz so gut, leistungsfähig und engmaschig, dass die notwendigen Baumaßnahmen ohne größere Umleitungen oder Totalsperrungen abgewickelt werden können. Deshalb müssen jetzt die Erhaltungsmaßnahmen Priorität haben. Wenn diese sauber durchgeplant, effektiv gebaut und finanziert werden, können wir in nicht allzu langer Zeit wieder ein gepflegtes Schienennetz haben und uns wieder Netzergänzungen zuwenden.
<link file:1575 download>Hier können Sie sich den Beitrag als pdf herunterladen.