Univ.-Prof. Dr.-Ing. Andreas Oetting

"Bahnbetrieb: Innovationen sind Erfolgsfaktoren"

Veränderte Anforderungen und neue technische Möglichkeiten sorgen selbst nach mehr als 175 Jahren Bahnbetrieb für hohen Veränderungsbedarf. Sowohl das Verkehrswachstum der vergangenen Jahre als auch die prognostizierten Mengensteigerungen führen zu einer höheren Auslastung des Systems. Bei gleichzeitig wachsenden Pünktlichkeitserwartungen entsteht ein ohne Veränderungen nicht zu lösender Zielkonflikt.

Als Chancen bieten sich die schnell wachsenden IT-Möglichkeiten wie Industrie 4.0 mit umfassender Datenerhebung und -verarbeitung sowie der Nutzung von Sensorik, welche immer mehr Anwendung im Alltag finden. Sie können weitere Automatisierungen wie automatisches Fahren und die Reduktion von Personalen für den Betrieb der Infrastruktur ermöglichen. Gerade wegen der Nutzung von vielerlei IT-Anwendungen im Alltag erwarten die Kunden weitere und bessere Informationsangebote der Verkehrsanbieter. Für einen erfolgreichen intermodalen Wettbewerb sind somit Innovationen erforderlich.

Oberstes Ziel im Bahnbetrieb ist die Sicherheit, gefolgt von hoher Pünktlichkeit, Kundenzufriedenheit und Kapazitätsnutzung. Gerade die ersten beiden Ziele können im Widerspruch zu Innovationen stehen: Innovationen durchleben einen iterativen Prozess von der Idee bis zur finalen Marktreife und werden somit auch mit einer gewissen Unbeständigkeit verbunden. Bedeutet dies nun einen unlösbaren Zielkonflikt? Keineswegs, allerdings erfordern Veränderungen in einem sicherheitskritischen System besonders hohe Aufmerksamkeit und intensive Begleitung. Ferner müssen Innovationen schrittweise – sowohl hinsichtlich der Entwicklungsstufen als auch hinsichtlich ihres Einsatzgebietes – in die Praxis gebracht werden.

Innovationen können sowohl die Prozesse als auch die IT umfassen. Für eine (Teil-)Automatisierung von Prozessen ist eine (Teil-)Automatisierung der Kompetenz der Prozessbeteiligten erforderlich. Somit existiert eine dritte Art von Innovationen: Unter anderem die formale Beschreibung der Kompetenz der Mitarbeiter im Betrieb; diese ist äußerst wichtig für erfolgreiche und nachhaltige Innovationen. Einerseits bietet die (Teil-)Automatisierung von Fachlichkeit höhere Potentiale als eine reine 1:1-Umsetzung manueller Prozessschritte in IT. Andererseits ist sie – aufgrund der meist folgenden technologischen Umsetzung – nachhaltiger als reine Prozessveränderungen. Zusätzlich zur Automatisierung und Digitalisierung der Betriebsdurchführung sind Innovationen in der betrieblichen Planung ebenfalls von hoher Bedeutung, da der Fahrplan die Führungsgröße für den Betrieb darstellt.

Innovationen gestalten den Betrieb effizienter, richten ihn auf künftige Herausforderungen aus und schaffen neue Angebote für einen zufriedenen Fahrgast und Versender. Sie sind wichtig, denn der Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern wird im Betrieb gewonnen.

Die Zeit ist reif – lassen Sie uns die Herausforderungen gemeinsam angehen.

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Artikel von Standpunkt aus dem EI Ausgabe 9/2015
Artikel von Standpunkt aus dem EI Ausgabe 9/2015