Deutsche Bahn: Investitionen, Arbeitsplätze, neue Vorständin Nikutta

Foto: Hermann Schmidtendorf / bahn manager Magazin

Turbulente Zeiten bei der Deutschen Bahn: Der Verkauf der Auslandstochter ARRIVA wird vorerst gestoppt, im Güterverkehr soll es die Berlinerin Dr. Sigrid Nikutta richten.

Von Hermann Schmidtendorf, Chefredakteur bahn manager

Bis zum 14.November hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer Deutsche Bahn-Chef Dr. Richard Lutz Zeit gegeben, ein schlüssiges Konzept für Verbesserungen etwa bei Pünktlichkeit und Service und vor allem beim Güterverkehr vorzulegen. Zu wenig Zeit für Lutz, der öffentlich mit der Antwort zitiert wird: "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ Teil der finanziellen Sanierung des bundeseigenen Konzerns sollte der Verkauf der 2010 erworbenen Auslands-Personenverkehrstochter Arriva sein. Aus unerfindlichen Gründen hatten sich alle für die DB Verantwortlichen von vorn herein nur für einen Komplettverkauf der Gewinne einfahrenden Tochter interessiert.

Wirtschaftsmedien, darunter auch der bahn manager, hatten frühzeitig vermeldet, dass dies ein sinnloses Unterfangen sei. In der aktuellen Lage könne Arriva nur um etwa eine Milliarde Euro unter Buchwert verkauft werden. Genau das trat jetzt ein, die Aufsichtsratssitzung der DB vom 7.11.2019 stoppte vorerst die Verkaufspläne. Eine logische Entscheidung, doch wieso erst jetzt, und wieso schienen einige Entscheidungsträger überrascht zu sein? Dem Vernehmen nach wollten Aufsichtsratsvorsitzender Michael Odenwald und Verkehrsminister Scheuer den DB-Finanzvorstand Alexander Doll als Bauernopfer absetzen, da er sie schlecht informiert habe. Doch dieser wehrte sich, unterstützt unter anderem vom Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat.

Gut so. Quer durch alle Parteien sind inzwischen Stimmen zu hören, dass die überaus komplexen Organisationsstrukturen des DB-Konzerns Teil des Problems seien, auch des finanziellen. Da würde der Pauschalverkauf von Firmenteilen wenig helfen und auch nicht die Absetzung eines Finanzchefs, der versucht, gesetzte Vorgaben umzusetzen. Kaum zu verstehen ist auch, wieso die Güterverkehrstochter DB Cargo dem Vernehmen nach diesjährig etwa 300 Millionen Euro Verlust generieren wird, während trotz harten Wettbewerbs private Mitbewerber schwarze Zahlen einfahren. DB Cargo kann mit technischen Innovationen und verschiedenen gewonnenen Verkehrsleistungen auftrumpfen, warum fügt sich das nicht zu einem positiven Ganzen?

Diese Front soll ab Januar 2020 die derzeitige Chefin der Berliner Verkehrsbetriebe BVG Dr. Sigrid Nikutta begradigen. Wie es heißt, gegen den Willen von DB-Chef Lutz und Vorstand Ronald Pofalla, sprach sich der Aufsichtsrat jetzt für Nikutta aus. Sie übernimmt ab 1. Januar 2020 den neugeschaffenen Vorstandsposten Güterverkehr sowie den Vorstandsvorsitz der DB Cargo AG in Mainz. Die Berlinerin arbeitete bereits von 2001 bis 2010 für die damals als unter DB Schenker Rail Deutschland AG firmierende heutige DB Cargo, war auch Vorstandsmitglied der DB Schenker Rail Polska.

Interessantes Detail: Auch der jetzige DB Cargo-Vorstand Produktion Marek Staszek stammt von der polnischen Tochter, ist selber Pole. Offenbar wird bei der polnischen DB Cargo noch normaler organischer Güterverkehr praktiziert, statt sich in organisatorischen Hürdenläufen zu erschöpfen. Ein gutes Omen auch für Frau Nikutta, der DB-Aufsichtsratsvorsitzender Michael Odenwald auf den Weg gab: „Im Güterverkehr gibt es sehr viel zu tun, um die ehrgeizigen Ziele des Unternehmens zu erreichen. Frau Nikutta hat durch die organisatorische Neuordnung den notwendigen Entscheidungsspielraum.“ Und auch DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Richard Lutz erklärte harmonisierend: „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Sigrid Nikutta und packen jetzt mit vereinten Kräften an.“

Aus dem Verkehr zog der DB-Aufsichtsrat zuvor öffentlich kritisierte Pläne, die Gehälter der DB-Vorständler zu erhöhen - dies sei „derzeit nicht vermittelbar“. So bleibt mehr Geld für nötige Investitionen ins Kerngeschäft. Bislang wurden für die kommenden Jahre bereits 137 ICE 4, 23 ECx und 17 KISS-Züge bestellt. Der Aufsichtsrat genehmigte nun den Kauf von weiteren 30 Hochgeschwindigkeitszügen, die insbesondere auf den Schnellfahrstrecken Köln – Rhein-Main und zwischen München – Berlin für deutlich mehr Sitzplätze sorgen werden. Mit den neuen Zügen sollen, so die Vorgabe der DB an die Hersteller, ab Dezember 2022 mindestens 11.400 zusätzliche Sitzplätze neu in das Angebot des Fernverkehrs kommen. Auch acht Fahrradstellplätze je Zug sind vorgesehen.

Neben dieser Milliardeninvestition wird der DB-Fernverkehr 500 Millionen Euro in den Ausbau seiner ICE-Werke investieren. Das DB-Werk in Frankfurt-Griesheim wird deutlich erweitert, um mehr Züge instand halten zu können. Für Cottbus laufen bereits Planungen für den Ausbau des dortigen Werks. „Eine Milliarde Euro für zusätzliche Züge schafft 600 neue Arbeitsplätze“, heißt es freudig bei der DB. Die angekündigten Investitionen in den Werkstattbereich dürften auch Teil der Antwort an den Bundesverkehrsminister sein, schließlich sind Defekte an Zügen neben Problemen mit der vom Bund verantworteten Bahn-Infrastruktur wesentlich für Zugverspätungen verantwortlich.

Artikel Redaktion Eurailpress
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